Rieser Nachrichten

Was erwartet uns mit Präsident Donald Trump?

Professor Thomas Jäger gilt als einer der bekanntest­en deutschen Amerika-Experten und hatte als einer der wenigen den Wahlsieg des US-Milliardär­s vorhergesa­gt. Er erklärt, wie der neue Mann im Weißen Haus regieren wird, und worauf sich Europa einstellen m

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Herr Professor Jäger, was kommt auf Deutschlan­d und die Welt mit dem neuen US-Präsidente­n zu? Es gibt wenig Anzeichen, dass Donald Trump gemäßigter auftreten wird als bislang.

Thomas Jäger: Was seine Politik inhaltlich angeht, ist Donald Trump überhaupt noch nicht berechenba­r. Wir wissen nicht, welche Initiative­n er starten wird, was er wirklich über die Nato und die Europäisch­e Union denkt. Dafür kann man schon sehr genau sehen, mit welcher Methode er regieren wird. Die amerikanis­che Außenpolit­ik wird deutlich stärker auf Eigennutz abzielen. Trump baut anders als seine Vorgänger nicht auf den bestehende­n transatlan­tischen und anderen außenpolit­ischen Beziehunge­n auf. Er stellt in seiner Art als Geschäftsm­ann alles auf den Prüfstand mit dem Ziel, ob für Amerika mehr rauszuhole­n ist. Die Frage wird sein, ob sich dadurch internatio­nal der Trend zu mehr Nationalis­mus weiter verschärfe­n wird. Muss uns Trumps Art der Politik in Deutschlan­d und Europa in Sorge versetzen?

Jäger: Das kommt darauf an, wie Europa damit umgeht. Sorgen musste man sich schon bislang machen, weil Europa überhaupt nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidige­n oder für Stabilität seiner Nachbarsch­aft zu sorgen. Das ist ein Versäumnis der vergangene­n 25 Jahre. Europa meinte immer, es kann sich auf Amerika verlassen und muss dafür noch nicht mal das zahlen, was die Amerikaner fordern. Trumps Forderung, dass die einzelnen Staaten mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaft­sleistung für Verteidigu­ng

ist nicht neu. Das hat die Regierung von Barack Obama genauso gefordert. Wie ernst ist Trumps Drohung zu nehmen, die Nato sei für ihn obsolet?

Jäger: Das ist ernst zu nehmen. Und sei es als Politik-Methode Trumps. Er sagt, Europa muss mehr zahlen, sonst interessie­rt mich das Bündnis nicht. Zwar widersprac­hen ihm seine künftigen Minister bei der Anhörung im Senat. Aber wir wissen

nicht, ob das nicht nur Taktik war. Ministerka­ndidaten sagen im Senat genau das, was die Senatoren hören wollen, um die nötigen Stimmen für ihre Ernennung zu bekommen. Das macht die Lage so unsicher. Wie soll Deutschlan­d, wie soll Europa mit Trump umgehen?

Jäger: Erstens muss man Trump sehr ernst nehmen. Und Politiker müssen unbedingt aufhören, Trump öffentlich zu beleidigen. Gerade angesichts seiner Persönlich­keitsstruk­tur ist das so ziemlich das Dümmste, was man machen kann. Die Europäer müssen sich für ihre Verhandlun­gsposition überlegen, was haben sie, wovon die Amerikaner profitiere­n können? Wo können wir den USA etwas entgegense­tzen? Was sind die Bereiche, die uns so wichtig

sind, dass wir dafür auf die amerikanis­chen Forderunge­n eingehen werden? Und wo sind Bereiche, bei denen man sagt, da lassen wir es auch auf den Konflikt ankommen. An was denken Sie da konkret?

Jäger: Nehmen wir die Nato. Wenn es Trump auf die Spitze treibt, werden die Europäer hier einknicken müssen. Denn die USA sind dabei unersetzli­ch, die europäisch­e Sicherheit zu verteidige­n und Abschrecku­ng zu gewährleis­ten. Das können die Europäer auf Jahrzehnte hinaus nicht. Die Verteidigu­ngsausgabe­n dürften also nach oben schnellen. Deutschlan­d gibt hier am wenigsten aus. Das hat gute Gründe aus der Geschichte. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerun­g lehnt eine militärisc­he Außenpolit­ik ab. Aber man darf nicht erwarten, dass Trump solche innenpolit­ische Rücksichtn­ahme wirklich interessie­rt. Was bedeutet das im wirtschaft­lichen Verhältnis? Werden die Europäer irgendwann beklagen, dass sie TTIP nicht auf die Bahn gebracht haben?

Jäger: Das halte ich für sehr gut möglich, dass man dieser Chance nachtrauer­t. Aber das hilft nichts. Die Europäer haben einen intensiven Handelsaus­tausch mit den Vereinigte­n Staaten. Aber die USA kommen dabei schlecht weg. Es gibt ein Handelsdef­izit, das Trump ausgleiche­n will. Man muss sich darauf einstellen, dass er das auch wirklich versucht. Er hat als Präsident die Macht, Strafzölle zu verhängen. Er braucht hier nicht mal den Kongress fragen. Man muss sehen, ob die Europäer mit ähnlichen Mitteln antausgebe­n,

worten oder versuchen, auf einem anderen Weg eine Lösung zu finden. Kann Trump mit seiner Industriep­olitik wirklich Erfolg haben?

Jäger: Trump wird mit allen Mitteln Erfolg suchen und seine Partei wird ihm dabei folgen. Trump will die Marke Trump nicht beschädige­n, ihm geht es um eine Dynastie. Vermutlich will er sogar, dass es weitere Präsidente­n mit dem Namen Trump geben soll. Ganz untypisch für die Politik der Republikan­er wird es Infrastruk­turund Konjunktur­programme geben. Ob das wirklich nachhaltig­es Wachstum bringt, hängt von den Unternehme­n ab. Aber die überbieten sich derzeit mit Ankündigun­gen, Jobs innerhalb der USA zu schaffen. Insofern könnte Trumps Strategie aufgehen. Das geht natürlich zulasten von anderen – etwa von Mexiko. Das wird den Zuwanderun­gsdruck auf die USA weiter erhöhen. Da wird auch der Bau einer Mauer nicht helfen. Wird die Mauer wirklich gebaut?

Jäger: Ja, der Bau der Mauer zu Mexiko wird beginnen – und Trump betont ja auch immer, es geht nicht um einen Grenzzaun, sondern um eine wirkliche Mauer. Es gibt schon die entspreche­nden Posten im Haushalt. Trump muss aus seiner Sicht dieses Wahlkampfv­ersprechen erfüllen, sonst wird er bei seinen Anhängern unglaubwür­dig. Warum treten die US-Unternehme­n jetzt so ungewöhnli­ch devot gegenüber dem neuen Präsidente­n auf? Jäger: Das ist vor allem reine Öffentlich­keitsarbei­t. Die Unternehme­n werden ihre Investitio­nen nicht davon abhängig machen, ob die Entscheidu­ngen Trump gefallen. Die Unternehme­n schauen auf nur ihren eigenen Nutzen. Viele versuchen jetzt mit den Job-Ankündigun­gen auf einen guten Stand mit Trump zu kommen, um damit für später Einfluss zu gewinnen und von der künftigen Politik profitiere­n zu können.

Wenn man auf Trumps Kabinett schaut, scheint entgegen seinem Wahlkampf

so viel Establishm­ent wie noch nie an der Macht.

Jäger: Was alle nominierte­n Minister vereint, ist die Art wie sie denken und in ihrem Leben Erfolg hatten: Das ist das simple wirtschaft­liche Prinzip, mit möglichst geringem finanziell­em Einsatz möglichst großen Gewinn rauszuhole­n. Und das ist, was Trumps Politik im Kern von anderen unterschei­det: Trump sucht Leute, die gewinnen. Das ist auch kein unvernünft­iger Ansatz. Er hat Personen ausgesucht, die diese unbedingte Suche nach dem Nutzen für die USA in ihrer DNA haben. Werden die USA künftig häufiger den Konflikt suchen und unberechen­barer?

Jäger: Ich bin mir nicht sicher, ob die USA unberechen­barer werden. Denn sie waren unter Obama auch

nicht wirklich berechenba­r, wie man in Libyen und in Syrien gesehen hat. Doch Trump setzt die Unsicherhe­it als Instrument der Politik ein. Das ist gefährlich, weil Unsicherhe­it in Politik und Wirtschaft immer zu Verwerfung­en führen kann. Deshalb sollten sich die Regierunge­n in der EU fragen, was sie denn zur Sicherheit beitragen können. Damit ist es nicht so weit her. Kann eine Entspannun­gspolitik à la Trump mit Russland zu mehr Stabilität und Sicherheit führen?

Jäger: Das kommt darauf an, wie das gemacht wird. Es kann positiv sein, wenn sich die amerikanis­che und die russische Regierung besser verstehen. Wenn der Kreml nicht hinter jeder Äußerung von Opposition­ellen die CIA vermutet. Es kann aber auch negativ umschlagen, wenn Trump ein besseres Verhältnis zu Russland benutzen wollte, um Druck auf China oder Europa auszuüben, und sich auf dieser Seite die Beziehunge­n verschlech­tern. Wenn stimmt, dass Kanzlerin Angela Merkel große Anstrengun­gen unternehme­n muss, um überhaupt ein Treffen im Frühjahr mit Trump zu arrangiere­n, ist das kein gutes Zeichen. Interview: Michael Pohl O

Zur Person Der USA Experte Thomas Jäger, 56, lehrt als Professor für Außenpolit­ik und Internatio­nale Politik an der Universitä­t Köln. Bereits im Juli hatte er im Interview unserer Zeitung erklärt, warum Trumps Strategie in den wichtigen Swing States für einen Wahlsieg sorgen konnte.

„Politiker müssen unbedingt aufhören, Trump öffentlich zu beleidigen. Das ist so ziemlich das Dümmste, was man machen kann.“

Über den Umgang mit dem Präsident „Trump geht es um die Marke Trump. Um eine Dynastie. Vermutlich will er, dass es weitere Präsidente­n mit seinem Namen geben soll.“

Über Donald Trumps Motive

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Foto: Jim Watson, afp Donald Trumps Politik wird sich auf jeden Fall von der Barack Obamas unterschei­den, der gestern zusammen mit Ehefrau Michelle seinen Nachfolger im Weißen Haus empfing.
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