Bonjour Tristesse
Die deutsch-französischen Beziehungen sind ein Trauerspiel. Dabei bräuchte Europa gerade jetzt eine starke Achse Berlin–Paris
Schwarz gekleidet treten Angela Merkel und François Hollande in Berlin vor die Kameras. Kurz darauf gedenken sie der Opfer des Terroranschlags auf dem Weihnachtsmarkt, legen weiße Rosen auf dem Breitscheidplatz nieder. Die Bundeskanzlerin und Frankreichs Präsident versichern sich ihrer Freundschaft in schwierigen, bedrohlichen Zeiten. Terror hat die beiden Nationen schwer erschüttert, die zusammen die europäische Staaten- und Wertegemeinschaft anführen sollen.
Doch seit Großbritannien der Europäischen Union den Rücken gekehrt hat, der neue US-Präsident mit Handelskriegen droht, Populisten in vielen Ländern nach der Macht greifen, steckt die europäische Idee in einer tiefen Krise. Eine starke deutsch-französische Partnerschaft wäre heute wichtiger denn je, doch tatsächlich ist das Verhältnis im Moment ein Trauerspiel. Stets lebten die besonderen Beziehungen zu Paris von starken Persönlichkeiten – wie Adenauer und De Gaulle, die nach dem Krieg das Wunder der Aussöhnung schafften. Wie Kohl und Mitterrand, die sich in Verdun die Hände reichten. Angela Merkel, der starken Frau Europas, fehlt derzeit ein verlässlicher französischer Gegenpart. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen ließ Hollande die Kanzlerin im Stich. Der Präsident ist ein Auslaufmodell, wird nicht noch einmal kandidieren, sein Land ist von Terror und anhaltender Wirtschaftskrise zermürbt.
Während Hollande in Berlin fordert, Werte und Interessen der EU auch gegenüber Donald Trump zu verteidigen, ist seine Körpersprache die eines Mannes, der abgeschlossen hat. Schlaff und resigniert wirkt Hollande, dem noch gut drei Monate im Amt bleiben. Auch Angela Merkel kann nur spekulieren, mit wem sie es künftig in Paris zu tun bekommt. Im Mai wählt Frankreich einen neuen Präsidenten. Die Sozialisten sind in der Wählergunst tief gesunken und über die HollandeNachfolge uneins.
Ein Partner nach Merkels Geschmack könnte der Konservative François Fillon sein. Doch der droht über einen pikanten Skandal zu stolpern, soll seine Ehefrau als Mitarbeiterin bezahlt haben, ohne dass Madame dafür etwas geleistet hat. Von Fillons Fauxpas profitieren könnten der unabhängige, linksliberale Kandidat Emmanuel Macron oder – das dürfte nicht nur Merkels Albtraum sein – Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National.
„Wir brauchen eine Europäische Union, die in den herausragenden Fragen entschlossen und schnell handelt“, sagt Merkel. Hollande nickt. Doch die Kanzlerin weiß, dass sie dafür einen Verbündeten von anderem Format braucht. Bricht die Achse Berlin–Paris, ist Europa am Ende. Das wäre ganz nach dem Geschmack der beiden Herrschaften, die später am Tag in Washington ihr Rendezvous haben: Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, das die EU verlässt. Und der neue US-Präsident Donald Trump, der aus seiner Abneigung gegen die EU keinen Hehl macht.