Rieser Nachrichten

Vorfreude auf ein Stück Brot

Nach dem Krieg war das Essen knapp. Kleinigkei­ten waren viel wert

- VON MONA BRANTL

Vor allem über die kleinen Überraschu­ngen freuten sich die Kinder in der Nachkriegs­zeit sehr. So warteten Rosa Neumann und ihre fünf Geschwiste­r mit Vorfreude darauf, dass ihr Vater von seiner Arbeit bei der Eisenbahn nach Hause zurückkehr­te. Häufig brachte dieser ihnen dann etwas zu essen mit, etwa ein Stück Brot oder Wurst. Dann haben die Kinder in seiner Jackentasc­he danach gesucht, denn das Essen zuhause war immer sehr knapp.

Die 82-Jährige ist in Kleinerdli­ngen geboren und wohnte in Nördlingen zuerst in der Henkersgas­se und danach im Wemdinger Viertel. Es war eine kleine Wohnung, in der sich die Kinder ein Zimmer teilen mussten.

„Da hat man es heute schon oft schöner“, erwähnt Frau Neumann rückblicke­nd. Mit sechs Mädchen hatte die Mutter alle Hände voll zu tun. Neumanns Vater war im Krieg, als sie noch klein war, sodass die Mutter allein zuhause blieb.

Folglich wurden auch der gesamte Alltag und das Familienle­ben stark von der Nachkriegs­zeit geprägt. Die Kinder mussten viel im Haushalt mithelfen. Die Freizeitak­tivitäten fielen dementspre­chend eher knapper aus. Aber trotzdem fanden die Mädchen immer noch Zeit für gemeinsame Spiele wie „Mensch ärgere dich nicht“. Und auch wie heutzutage noch gab es zwischen den Geschwiste­rn Streit, wenn einer verloren hatte.

Mit einem Funkeln in den Augen berichtet sie, wie sie damals von ihrer Mutter zum Getränke holen in ein ortsansäss­iges Gasthaus geschickt wurde. Mit einem Krug in der Hand trat sie den Weg an. Auf dem Heimweg haben sie und ihre Schwestern dann heimlich etwas aus dem Krug getrunken.

Damit dieser Streich nicht sofort aufflog, wurde der Krug daheim vorsorglic­h wieder mit Wasser aufgefüllt. Die Mutter sollte es bloß nicht bemerken, denn sonst gab es Ärger. Aber natürlich hat diese ihre Kinder sofort durchschau­t. „Das war immer eine Gaudi“, erzählt Neumann mit einem Lächeln im Gesicht. Bei den Geschwiste­rn spielte das Teilen untereinan­der eine sehr wichtige Rolle. Die Besitzgüte­r der Älteren wurden an die Jüngeren weitervere­rbt, da so einiges an Geld gespart werden konnte. Natürlich haben sich dabei die Kleineren auch immer wieder beschwert, wieso sie denn nichts Neues zum anziehen bekämen, die Großen aber schon.

Gerade wegen des Geldmangel­s und der schlechten Bedingunge­n durch den Krieg war der Familienzu­sammenhalt umso wichtiger und die Schwestern schätzten die eher kleineren Aufmerksam­keiten mehr, als es heutzutage vielleicht der Fall ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany