Bei Wind und Wetter auf Achse
Für Zeitungs-Austrägerin Nadine Jäckle und ihre Kollegen ist der Winter besonders hart
Ein kleines bisschen haben Sie heute schon an sie gedacht, als Sie die Zeitung aus dem Kasten nahmen oder am Frühstückstisch vorfanden.
Zeitungs- und LMF-Brief-Austrägerin Nadine Jäckle aus Möttingen schildert ihren alltäglichen, oder besser allnächtlichen Arbeitsablauf, der bei allen Austrägern ähnlich ist: Gegen halb drei bis drei Uhr nachts holt sie ihr Bündel mit 130 Zeitungen am Übergabeort ab, wo es von Augsburg aus angeliefert wurde. Rund zwei Stunden lang bedient sie dann ihren Bezirk, „die Pfanne“nahe dem Nördlinger Krankenhaus und das Viertel um die Firma Strenesse. Gegen fünf Uhr ist sie fertig. Mit den Zeitungen. Jetzt fährt Nadine Jäckle ins Briefdepot bei den
Nachrichten, sortiert eine Stunde lang etwa 250 Briefe des verlagseigenen Postvertriebs; bei Massensendungen können es auch 550 werden. Sie beginnt mit dem Austragen, um sieben Uhr fährt sie nach Hause, übernimmt den dreijährigen Sohn, da ihr Mann jetzt seinerseits in die Arbeit fährt, bereitet das Kind für die Kita vor und kümmert sich um den Tagesstart der zwölf- und 16-jährigen Töchter. Danach trägt sie bis 11 Uhr die restlichen Briefe aus, es kann auch mal vierzehn Uhr werden. Nun kann sie die vier Stunden Schlaf, für die nachts Zeit war, etwas aufstocken.
Der bitterkalte Winter ist für sie derzeit ein Härtetest: „Es ist noch nicht geräumt oder gestreut, schon beim Losfahren kam ich in den letzten Tagen einige Male gefährlich ins Schlittern.“In den Nebenstraßen kommt zur Glätte noch die spärliche Beleuchtung dazu: „Bis man glatte Stellen erkennt, ist es oft schon zu spät.“Stürze sind derzeit keine Seltenheit. Einmal galt es, die Arbeit im eisigen nächtlichen Sturm zu ab- solvieren – abgesehen von härtesten Bedingungen war es schon sehr schwierig, die Zeitungsbündel festzuhalten.
Vielen ihrer Kunden ist es bewusst, was Nadine Jäckle und ihre Kollegen jede Nacht auf sich nehmen – vor allem ältere Menschen zollen ihr immer wieder Anerkennung. Rund ein Viertel der Abonnenten bedanken sich mit Wein, Schokolade oder anderen Aufmerksamkeiten zu Weihnachten. Aber nicht alle. Wie der Mann, der sich neulich beschwerte, dass es etwas länger als sonst gedauert hatte. „Sie sehen schon, was hier los ist?“, sagte die Austrägerin freundlich und zeigte auf das Schneechaos, knietief im nicht geräumten Schnee vor der Haustür stehend. Sogar mit der Polizei hat sie gelegentlich Ärger, was folgendes Gespräch zeigt: „Was machen sie hier?“, fragte ein Polizist. „Briefe austragen.“„Das kann jeder sagen.“„Aber nicht jeder hat zwei Taschen voller Briefe dabei“, gab sie zurück und deutete auf ihren Beifahrersitz. Längst nimmt sie Morgenmuffel mit Humor, dazu hat sie viel zu viel Freude an ihrem Beruf. Was ihr so daran gefällt? „Man hat sehr viel Kontakt mit überwiegend freundlichen Menschen“, sagt sie. „Einmal wartete eine Frau extra um vier Uhr nachts, weil sie mich endlich einmal kennenlernen wollte.“Und sie sieht etliche weitere Vorteile: „Ich bin sehr flexibel in der Zeiteinteilung“, freut sie sich, dass sie die Tätigkeit optimal mit dem Familienablauf verzahnen kann. Ist ein Kind krank, kann sie mal Arbeit abgeben; umgekehrt kann sie zusätzlich aushelfen, wenn sie einmal mehr verdienen will. Schließlich hat die viele oft sehr frische Luft ihren Vorteil: „Die ist extrem gesund, ich war nie mehr erkältet, seit ich Zeitungen austrage.“Generell sagt sie: „Den Beruf mag man oder man mag ihn nicht.“