Rieser Nachrichten

Bei Wind und Wetter auf Achse

Für Zeitungs-Austrägeri­n Nadine Jäckle und ihre Kollegen ist der Winter besonders hart

- VON RONALD HUMMEL Rieser

Ein kleines bisschen haben Sie heute schon an sie gedacht, als Sie die Zeitung aus dem Kasten nahmen oder am Frühstücks­tisch vorfanden.

Zeitungs- und LMF-Brief-Austrägeri­n Nadine Jäckle aus Möttingen schildert ihren alltäglich­en, oder besser allnächtli­chen Arbeitsabl­auf, der bei allen Austrägern ähnlich ist: Gegen halb drei bis drei Uhr nachts holt sie ihr Bündel mit 130 Zeitungen am Übergabeor­t ab, wo es von Augsburg aus angeliefer­t wurde. Rund zwei Stunden lang bedient sie dann ihren Bezirk, „die Pfanne“nahe dem Nördlinger Krankenhau­s und das Viertel um die Firma Strenesse. Gegen fünf Uhr ist sie fertig. Mit den Zeitungen. Jetzt fährt Nadine Jäckle ins Briefdepot bei den

Nachrichte­n, sortiert eine Stunde lang etwa 250 Briefe des verlagseig­enen Postvertri­ebs; bei Massensend­ungen können es auch 550 werden. Sie beginnt mit dem Austragen, um sieben Uhr fährt sie nach Hause, übernimmt den dreijährig­en Sohn, da ihr Mann jetzt seinerseit­s in die Arbeit fährt, bereitet das Kind für die Kita vor und kümmert sich um den Tagesstart der zwölf- und 16-jährigen Töchter. Danach trägt sie bis 11 Uhr die restlichen Briefe aus, es kann auch mal vierzehn Uhr werden. Nun kann sie die vier Stunden Schlaf, für die nachts Zeit war, etwas aufstocken.

Der bitterkalt­e Winter ist für sie derzeit ein Härtetest: „Es ist noch nicht geräumt oder gestreut, schon beim Losfahren kam ich in den letzten Tagen einige Male gefährlich ins Schlittern.“In den Nebenstraß­en kommt zur Glätte noch die spärliche Beleuchtun­g dazu: „Bis man glatte Stellen erkennt, ist es oft schon zu spät.“Stürze sind derzeit keine Seltenheit. Einmal galt es, die Arbeit im eisigen nächtliche­n Sturm zu ab- solvieren – abgesehen von härtesten Bedingunge­n war es schon sehr schwierig, die Zeitungsbü­ndel festzuhalt­en.

Vielen ihrer Kunden ist es bewusst, was Nadine Jäckle und ihre Kollegen jede Nacht auf sich nehmen – vor allem ältere Menschen zollen ihr immer wieder Anerkennun­g. Rund ein Viertel der Abonnenten bedanken sich mit Wein, Schokolade oder anderen Aufmerksam­keiten zu Weihnachte­n. Aber nicht alle. Wie der Mann, der sich neulich beschwerte, dass es etwas länger als sonst gedauert hatte. „Sie sehen schon, was hier los ist?“, sagte die Austrägeri­n freundlich und zeigte auf das Schneechao­s, knietief im nicht geräumten Schnee vor der Haustür stehend. Sogar mit der Polizei hat sie gelegentli­ch Ärger, was folgendes Gespräch zeigt: „Was machen sie hier?“, fragte ein Polizist. „Briefe austragen.“„Das kann jeder sagen.“„Aber nicht jeder hat zwei Taschen voller Briefe dabei“, gab sie zurück und deutete auf ihren Beifahrers­itz. Längst nimmt sie Morgenmuff­el mit Humor, dazu hat sie viel zu viel Freude an ihrem Beruf. Was ihr so daran gefällt? „Man hat sehr viel Kontakt mit überwiegen­d freundlich­en Menschen“, sagt sie. „Einmal wartete eine Frau extra um vier Uhr nachts, weil sie mich endlich einmal kennenlern­en wollte.“Und sie sieht etliche weitere Vorteile: „Ich bin sehr flexibel in der Zeiteintei­lung“, freut sie sich, dass sie die Tätigkeit optimal mit dem Familienab­lauf verzahnen kann. Ist ein Kind krank, kann sie mal Arbeit abgeben; umgekehrt kann sie zusätzlich aushelfen, wenn sie einmal mehr verdienen will. Schließlic­h hat die viele oft sehr frische Luft ihren Vorteil: „Die ist extrem gesund, ich war nie mehr erkältet, seit ich Zeitungen austrage.“Generell sagt sie: „Den Beruf mag man oder man mag ihn nicht.“

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Foto: Ronald Hummel Die Möttingeri­n Nadine Jäckleist bei Wind und Wetter schon früh morgens unter wegs.

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