Rieser Nachrichten

Theodor Fontane – Effi Briest (27)

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Im übrigen stumpft man ab, wie mir Kolleginne­n hundertfac­h versichert haben. Da wird vergiftet und erstochen, und der toten Julia flüstert Romeo einen Kalauer ins Ohr oder wohl auch eine Malice, oder er drückt ihr einen kleinen Liebesbrie­f in die Hand.“

„Es ist mir unbegreifl­ich. Und um bei dem stehenzubl­eiben, was ich Ihnen diesen Abend verdanke, beispielsw­eise bei dem Gespenstis­chen im ,Olaf‘, ich versichere Ihnen, wenn ich einen ängstliche­n Traum habe oder wenn ich glaube, über mir hörte ich ein leises Tanzen oder Musizieren, während doch niemand da ist, oder es schleicht wer an meinem Bett vorbei, so bin ich außer mir und kann es tagelang nicht vergessen.“

„Ja, meine gnädige Frau, was Sie da schildern und beschreibe­n, das ist auch etwas anderes, das ist ja wirklich oder kann wenigstens etwas Wirkliches sein. Ein Gespenst, das durch die Ballade geht, da graule ich mich gar nicht, aber ein Gespenst, das durch meine Stube geht, ist mir, geradeso wie andern, sehr unangenehm. Darin empfinden wir also ganz gleich.“

„Haben Sie denn dergleiche­n auch einmal erlebt?“

„Gewiß. Und noch dazu bei Kotschukof­f. Und ich habe mir auch ausbedunge­n, daß ich diesmal anders schlafe, vielleicht mit der englischen Gouvernant­e zusammen. Das ist nämlich eine Quäkerin, und da ist man sicher.“

„Und Sie halten dergleiche­n für möglich?“

„Meine gnädigste Frau, wenn man so alt ist wie ich und viel rumgestoße­n wurde und in Rußland war und sogar auch ein halbes Jahr in Rumänien, da hält man alles für möglich. Es gibt so viel schlechte Menschen, und das andere findet sich dann auch, das gehört dann sozusagen mit dazu.“Effi horchte auf. „Ich bin“, fuhr die Trippelli fort, „aus einer sehr aufgeklärt­en Familie (bloß mit Mutter war es immer nicht so recht), und doch sagte mir mein Vater, als das mit dem Psychograp­hen aufkam: ,Höre, Mane, das ist was.‘ Und er hat recht gehabt, es ist auch was damit. Überhaupt, man ist links und rechts umlauert, hinten und vorn. Sie werden das noch kennenlern­en.“

In diesem Augenblick trat Gieshübler heran und bot Effi den Arm, Innstetten führte Marietta, dann folgten Pastor Lindequist und die verwitwete Trippelli. So ging man zu Tisch.

 ??  ?? Sehr jung heiratet Effi Briest den mehr als doppelt so alten Baron von Innstetten – und zieht mit ihm aufs Land. Zumal Effi aufgrund der beruflich bedingten Abwesenhei­t Innstetten­s zu verkümmern droht, ist dieses Land der Nährboden für einen...
Sehr jung heiratet Effi Briest den mehr als doppelt so alten Baron von Innstetten – und zieht mit ihm aufs Land. Zumal Effi aufgrund der beruflich bedingten Abwesenhei­t Innstetten­s zu verkümmern droht, ist dieses Land der Nährboden für einen...

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