Neuer Jazzclub auf dem Keller
Das „H2F.Trio“und „Concerto Latino“geben in Nördlingen ein Doppelkonzert
Das wäre erst noch eine Idee: aus dem Rotochsenkeller zusätzlich zur Schauspielmanufaktur einen Jazzclub machen! Was zunächst eher wie ein zufälliges Event daherkam, entpuppte sich an diesem Abend als Glücksfall für alle, die da waren. Das Haus: voll wie noch nie, wohl über 140 Zuhörer waren gekommen. Sie waren wild durcheinander platziert, manche an Tischchen, manche in Reihenbestuhlung, etliche standen ganz hinten an Stehtischen. Das tat der Stimmung aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Schnell kam wirklich Jazz-KellerStimmung auf.
Das lag freilich zum großen Teil an Bernd Fischer, Christoph Heinrich und Tom Höpfner, die mit ihrem Trio „H2F“den ersten Teil des Doppelkonzertes bestritten und ein- drucksvoll bewiesen, welch ein Juwel da im Ries herangewachsen ist. Nu Jazz in aller Edelpracht, schon allein ihre Interpretation des Brother Wind March von Jan Garbarek wäre das Eintrittsgeld wert gewesen. Aber auch die anderen Stücke von Jazzgrößen wie Tord Gustavson (On Every Corner), Lars Danielsson (Liberetto) und Triosense überzeugten restlos. Nur der Gassenhauer Revelation von den Yellow Jackets als geplanter Schlussakkord passte nicht so ganz in die tolle Vorstellung. Aber da hatte das Publikum längst Lunte gerochen und erklatschte sich hartnäckig schon vor der Pause eine Zugabe – „Go For It“, wieder von Triosense.
Dass es „Concerto Latino“danach, zumindest anfangs, schwer haben würde, war klar. Vielleicht lag es auch an den etwas zu launigen Ansagen des Bassisten, dessen rusti- kaler Humor nicht recht zum Repertoire passen wollte. Und es schien so, als ob sich die Musiker nicht zwischen populär und Jazz entscheiden könnten. Ab der dritten Nummer allerdings, „Primavera Portena“von Astor Piazzolla, packten sie ihr Können richtig aus und legten eine atemberaubende Version hin. Besonders das Zusammenspiel zwischen Sonja Lorenz an der Querflöte und dem Bandleader und Arrangeur Christian Kämpfer am Vibraphon erzeugte Gänsehautmomente, vor allem auch beim ChickCorea-Stück „Spain“.
Die Dillinger waren vorher noch nie im Ries zu hören
Auch Agata Englert an der Gitarre, Franz Heim am Kontrabass und Gerhard Kling (Percussion Piano) wussten zu überzeugen. Kaum zu glauben, dass die Dillinger vorher noch nie im Ries zu hören waren. Warum allerdings der Ungarische Tanz von Johannes Brahms als letztes Stück so zurückhaltend gespielt wurde, blieb den Zuhörern verborgen, hätte es doch vor allem für den Vibraphonisten einen glänzenden Rahmen geboten, mal so richtig aus sich raus gehen zu können.
Sei’s drum, das Doppelkonzert war klasse, der Rahmen war dem ebenbürtig und die gemeinsamen Zugaben der beiden Formationen wurden folgerichtig gefeiert. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Abend kein Solitär bleibt im Nördlinger Eventkalender. Und zu wünschen, dass die Schauspielmanufaktur den Erfolg vielleicht zum Anlass nimmt, über ein wie auch immer geartetes Rotochsen-Jazz-Club-Engagement nachzudenken.
Wie gesagt: Wäre doch mal eine Idee.