Als im Flur gekegelt wurde
Hinter alten Gebäuden in der Region stecken häufig spannende Geschichten. Den Anfang unserer neuen Artikel-Reihe macht der Meierhof in Löpsingen
Groß und stattlich steht er in der Ortsmitte und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche: der Meierhof in Löpsingen. Er ist heute eines der ältesten Wohnhäuser im ganzen Ries. Sein Name verrät aber auch seine besondere Stellung als Urzelle des Ortes und eine im Frühmittelalter übliche Form der Landnutzung. Damals setzten Grundherren für die Eigenbewirtschaftung ihres Grundbesitzes einen Verwalter, den Meier, ein.
Einen Teil ihres Landes gaben sie auch an Bauern ab, die dafür Abgaben an den Herrenhof entrichten mussten. Zu ihren Anwesen, den Huben, gehörte das Haus und ein fester Bestand an Äckern und Wiesen. Sölden waren dagegen ohne Landbesitz. Noch heute erinnern Familiennamen wie Meier, in allen Schreibweisen, Huber oder Hübner und Söllner an diese ursprünglichen Besitzverhältnisse.
Der Meierhof wurde später zu einem „normalen“Bauernhof, doch der Name blieb und mit den verschiedenen Zehent- und anderen Einnahmen auch die Verpflichtungen. So musste der Löpsinger Meier unter anderem den Gemeindehirten bezahlen. Die Befreiung von der Baulast für die Kirche erfolgte 1876 gegen eine Ablösesumme, und erst 1907 erließ die Gemeinde gegen finanziellen Ausgleich die Verpflichtung zur Haltung zweier Zuchtstiere. Während viele Anwesen im Laufe ihrer Geschichte verkauft oder getauscht wurden, hat sich der Meierhof ausschließlich in der Familie weitervererbt. Bis ins Jahr 1499 lässt sich so der Name Hahn zurückverfolgen.
Eine Scheune, länger als die danebenstehende Kirche
Im Jahr 1722 wurde der Hof geteilt, dem nun unteren Meierhof blieb eine mächtige Scheune erhalten, die sogar länger ist, als die daneben stehende Michaelskirche. Günther Hahn, dem das Anwesen heute zusammen mit seiner Frau Martha und dem Sohn Gottfried gehört, weiß sogar von einem unterirdischen Gang, der von der Scheune direkt in die Sakristei der Kirche geführt haben soll, die in Kriegszeiten Schutz bot. Auch das stattliche eingeschossige Wohnstallhaus lässt heute noch die einstige Bedeutung des Anwesens erahnen. Seine beeindruckende Breite von 15,6 Metern erforderte eine riesige Dachfläche, die sich über vier Dachgeschosse in die Höhe erstreckt.
Betritt man zur jetzigen Jahreszeit das leer stehende Haus, so schlägt einem eine Kälte entgegen, wie man sie nur von alten Kirchenräumen kennt. Da sich die Haustür ungewöhnlicherweise an der Giebelseite befindet, erstreckt sich ein breiter Flur über die gesamte Länge des Wohnteils bis zum Eingang des ehemaligen Pferdestalls, mehr als 13 Meter lang. „Hier hat man ab und zu sogar gekegelt“, weiß Martha Hahn zu berichten. Und zum Beweis holt sie sieben schön gedrechselte und farbig bemalte Kegel hervor, die sie nun daheim aufbewahrt.
Vom Flur aus folgt die Raumaufteilung in Stube, Küche und Kammern noch der des alten Bauernhauses, doch die Einrichtung wurde veränderten Wohnbedürfnissen angepasst. In den 1970er-Jahren nahmen Friedrich und Marie Hahn auch bauliche Veränderungen vor. Das Geschwisterpaar war die letzte Generation, die den Hof nicht nur bewirtschaftete, sondern auch bewohnte. Ihr älterer Bruder Johann, der eigentliche Erbe, war im Zweiten Weltkrieg der erste gefallene Soldat aus Löpsingen. Marie wohnte nach dem Tod ihres Bruders Friedrich 2002 noch kurze Zeit alleine im Haus und entschied sich dann fürs Altenheim.
Die vielen Betten, die nun in den Kammern verteilt sind, werden seit einigen Jahren von Saisonarbeitern aus Rumänien genutzt. Jedes Jahr im Mai und Juni helfen sie beim Hacken der Zuckerrüben, denn Gottfried Hahn bewirtschaftet seine Felder biologisch.
Konkrete Pläne hat er für den Meierhof nicht, und so bleiben die Löpsinger Störche vorerst die einzigen ganzjährigen Bewohner. 2007 haben sie sich erstmals auf dem Schornstein des Hauses ihr Nest gebaut und verbringen inzwischen auch den Winter hier.