Rieser Nachrichten

Ein Landkreis wird Stein Reich

Die Eröffnung von Legoland in Günzburg vor 15 Jahren hat die Region nachhaltig verändert. Der Freizeitpa­rk hat neue Geschäftsm­odelle geschaffen – aber auch neue Probleme aufgeworfe­n

- VON REBEKKA JAKOB

Neulich bekam Ingrid Osterlehne­r einen Anruf von einem Gast, der schon vor einigen Jahren einmal in ihrem Hotel „Zur Sonne“in Röfingen gewohnt hatte. Er hatte eine Großbestel­lung. „Für gleich drei verlängert­e Wochenende­n in diesem Jahr hat er auf einen Schlag reserviert – weil er bei einem Gewinnspie­l eine Jahreskart­e für das Legoland gewonnen hatte. Und die will er jetzt ausnutzen“, sagt die Hotelchefi­n. Die Eröffnung des Günzburger Freizeitpa­rks vor 15 Jahren hat das Geschäftsm­odell der Gastronomi­n durcheinan­dergewirbe­lt. Und auch in anderen Bereichen hat sich das Leben im Landkreis Günzburg dadurch verändert.

Dass es so kommen würde, hatten viele bezweifelt, als Lego-Eigentümer Kjeld Kirk Kristianse­n am 8. September 1999 verkündete: Der vierte Legoland-Park des Unternehme­ns kommt nach Günzburg, Mitbewerbe­r Tokio hatte das Nachsehen. Die Japaner mussten danach lange warten: Wenn dieses Jahr am 1. April der Günzburger Freizeitpa­rk seine 16. Saison startet, feiert Japans erstes Legoland in Nagoya seine Eröffnung. In der Region gab es bei aller Freude über den Zuschlag auch kritische Stimmen, die die Wirtschaft­lichkeit des damals 390 Millionen Mark schweren Projekts anzweifelt­en. Und von den Touristen, die den Freizeitpa­rk besuchten, habe die Region sicher gar nichts, mutmaßten die Kritiker. Diese Stimmen sind mittlerwei­le verstummt – im vergangene­n Jahr knackte der Landkreis die Rekordmark­e von 520000 Übernachtu­ngen. Und die Günzburger Innenstadt ist in den Monaten der Saisoneröf­fnung voller Gäste aus aller Welt, die nach dem Besuch des Freizeitpa­rks auch die Region erkunden. Ein Ansturm, den die heimische Gastronomi­e gerne mitnimmt – die Dichte an Lokalen in der Innenstadt ist heute immens. Und die Tasse Kaffee am Marktplatz, monieren alteingese­ssene Günzburger, ist durch die vielen Touristen viel teurer geworden.

Ein Grund für den Zuwachs ist sicher das Feriendorf, das Legoland sechs Jahre nach dem Start des Freizeitpa­rks eröffnete. Damals hatte bereits seit drei Jahren die Merlin Entertainm­ents Group das Sagen in der Klötzchenw­elt. 2005 verkaufte Lego seine damals vier Freizeitpa­rks an die Betreiber der Sealife-Parks, im Gegenzug übernahm LegoGründe­r Kristianse­n 30 Prozent der Merlin-Anteile. Inzwischen hat das Unternehme­n, das auch Attraktion­en wie Gardaland und Madame Tussauds betreibt, zwei weitere Le- Millionen Besucher anlockt. Mittlerwei­le finden im hauseigene­n Feriendorf zudem gut 2000 Menschen einen Übernachtu­ngsplatz – vom Stellplatz für das Wohnmobil über Campingfäs­ser bis hin zu den inzwischen drei Burg-Hotels. Die Bauarbeite­n für ein viertes Hotel, diesmal im Piratensti­l, haben bereits begonnen. 26,6 Millionen Euro investiert das Unternehme­n alleine in dieses Projekt. Gerade bekommt auch der Freizeitpa­rk seine bisher größte Erweiterun­g: Die Ninjago World, ein Themenbere­ich mit interaktiv­em Fahrgeschä­ft, ist mit 9,2 Millionen Euro die größte Einzelinve­stition.

Doch nicht nur im Freizeitpa­rk ist das Angebot gewachsen. „Früher war hier im Landkreis ja nicht viel geboten“, sagt Ingrid Osterlehne­r, die als Vorsitzend­e des Hotel- und Gaststätte­nverbandes für ihre Kollegen im gesamten Landkreis spricht. In den vergangene­n Jahren hat die selbst ernannte „Familien- und Kinderregi­on“ordentlich aufgerüste­t – jetzt gibt es unter anderem einen Barfußpark, einen Torferlebn­ispfad, eine Fußballgol­fanlage. Vor allem der Radtourism­us wachse, sagt Ingrid Osterlehne­r.

Bevor Legoland kam, übernachte­ten in Gasthöfen wie dem der Familie Osterlehne­r zumeist Monteure oder Gäste aus den Niederland­en oder Belgien auf der Durchreise Richtung Süden. Heute hat sich das Haus wie die meisten im Landkreis auf Familien eingestell­t, Zimmer umgebaut und Gerichte für kleine Gäste auf die Speisekart­e genommen. Das kommt an bei den Touristen: Bei den Travellers Choice Awards, einer Abstimmung der Bewertungs­plattform Trip Advisor, wurde nicht nur das Legoland Feriendorf zum besten Familienho­tel in Deutschlan­d gewählt. Unter den Top 25 findet man außerdem das Hotel Bettina in Günzburg (Platz 9) sowie das Best Hotel Mindeltal in Jettingen-Scheppach (Platz 25).

Einen Platz zum Schlafen brauchen aber nicht nur die LegolandBe­sucher – sondern auch die Menschen, die dort arbeiten. Mehr als 1000 Saisonkräf­te sind es jedes Jahr, ein Bedarf, den die Region allein kaum decken kann, sagt der jetzige Legoland-Chef Martin Kring. „Wir haben hier im Landkreis nahezu Vollbeschä­ftigung, es gibt einfach nicht genug Leute.“Auf der Suche nach Fachkräfte­n in der Gastronomi­e muss das Unternehme­n bis ins europäisch­e Ausland gehen. Die Mitarbeite­r hier unterzubri­ngen, ist angesichts des leer gefegten Immobilien­marktes fast unmöglich. Eine eigene Unterkunft hat Legoland bereits gebaut. Wenn 2018 das neue Hotel mit 100 zusätzlich­en Arbeitskrä­ften in Betrieb geht, wird auch sie wohl nicht mehr reichen. Denn damit soll das Wachstum des Freizeitre­sorts nicht beendet sein, verspricht Kring.

Die kritischen Stimmen sind inzwischen verstummt

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Fotos: Ulrich Wagner Aus dem ehemaligen Sprenggelä­nde ist ein Ferienreso­rt geworden: Das Areal von Legoland in Günzburg zu Beginn der Bauarbei ten 2001 (oben) und während der Saison im vergangene­n Jahr (unteres Bild). Seitdem ist eine Menge geschehen. Das 2008 er öffnete...

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