Wenn die Puppe spioniert
Die Bundesnetzagentur verbietet eine vernetzte Puppe, weil sie im Kinderzimmer als „verdeckte Abhöranlage“sitzt und Gespräche aufzeichnet. Eltern sollen sie vernichten
Sie sieht in etwa so harmlos aus wie Ylvi, die Freundin des Zeichentrick-Wikingers Wiki. Und doch steht sie nun auf der roten Liste der Bundesnetzagentur: Die Puppe „Cayla“der britischen Spielzeugfirma „Vivid“ist eine „getarnte Abhöranlage“. Das Spielzeug mit dem hüftlangen, blonden Haar und den blauen Klimperaugen sieht auf den ersten Blick aus wie eine ganz normale Puppe – und genau das ist das Problem. Denn unter ihrer Kleidung verbergen sich ein bluetooth-fähiges Mikrofon und eine Funkverbindung.
Laut Telekommunikationsgesetz ist Cayla demnach eine getarnte Sendeanlage und in Deutschland verboten. Denn sie täuscht vor, eine Puppe zu sein, kann aber unbemerkt aufzeichnen, was um sie herum gesprochen wird. Und in einem weiteren Schritt kann sie die Gespräche an einen externen Speicher schicken, ohne dass Kind oder Eltern etwas bemerken. Die Puppe, die 2014 noch für den Kinder-Software-Preis „Tommi“nominiert war, der unter der Schirmherrschaft des Familienministeriums steht, ist aber auch gerade wegen des Mikrofons sehr begehrt. Denn „Cayla“unterhält sich mit ihren Besitzern und beantwortet die Kinderfragen, auf die Eltern oft keine Antwort wissen. Dazu wird die Puppe per Bluetooth mit einem Smartphone oder einem Tablet verbunden und kann darüber per App auf das Internet zugreifen. Wird sie nun angesprochen, wird die Sprache über einen Server im Ausland in Text umgewandelt, die passende Antwort im Internet gesucht und im heimischen Kinderzimmer über den Lautsprecher wiedergegeben.
Olaf Peter Eul, Pressesprecher bei der Bundesnetzagentur, sieht dadurch aber vor allem die Persönlichkeitsrechte in Gefahr. Denn private Daten landen im Internet, ohne dass der Betroffene Einfluss darauf nehmen kann. „Es ist eine abstrakte Gefahr“, sagt Eul, „keine konkrete, die der Gesetzgeber aber wegen der Verbindung von versteckter Kamera oder Mikrofon und unsichtbarer, direkter Verbindung zum Internet verboten hat“. Die rechtlichen Richtlinien sind also klar – die Puppe ist illegal.
Der Jura-Student Stefan Hessler hat die Behörde auf „Cayla“aufmerksam gemacht. In einer wissenschaftlichen Arbeit hat er sie genau unter die Lupe genommen und sich auch selbst in ihr System gehackt. Und das ist auch ohne besondere ITKenntnisse möglich: Denn jedes bluetooth-fähige Handy oder Tablet, dass sich in einem Umkreis von etwa zehn Metern von „Cayla“befindet, kann sich mit der Puppe verbinden – ohne, dass ein Passwort erforderlich ist. So könnte sich beispielsweise ein Nachbar mit der Puppe vernetzen und vom Nebenhaus das Mikrofon einschalten, ohne dass es Kind oder Eltern bemerken. Denn Caylas Halskette, die mit einem Leuchten anzeigen soll, ob das Mikrofon läuft oder nicht, lässt sich per App leicht ausschalten. „Das Kinderzimmer ist besonders schützenswert“, sagt Eul von der Bundesnetzagentur. Und weil „Cayla“gegen das Gesetz verstößt, darf sie in Deutschland nicht mehr verkauft werden. Auch der Besitz der Puppe ist nicht mehr erlaubt, die Behörde ruft dazu auf, die Puppe zu vernichten. Es reiche aber aus, so Eul, das Mikrofon und die Technik auszubauen. Theoretisch machen sich Eltern strafbar, wenn die Puppe nicht unschädlich gemacht wird. Die Bundesnetzagentur werde das aber nicht überprüfen, sagt Eul. „Wir gehen davon aus, dass die Information den Eltern genügt.“