Integration auf Schwäbisch
Ein Poster soll Migranten den bayerischen Dialekt näherbringen. Ein Augsburger Sprachwissenschaftler hat die Begriffe übersetzt. Warum er dafür Mut aufbringen musste
Haben Sie eigentlich ein schwäbisches Lieblingswort?
Ein Lieblingswort habe ich keines, aber einen Lieblingssatz hätte ich: Kann ich auch ein Ei aufmachen? Oder, wie der Schwabe sagen würde: Kaa ii ao a Oi aufmacha? So viele Vokale hintereinander muss man erst mal zusammenbringen.
Was ist eigentlich schwieriger: Schwäbisch zu sprechen oder Schwäbisch zu schreiben?
Das kommt drauf an. Jedes kleine Kind kann Schwäbisch sprechen lernen. Aber zum Schreiben gehört schon ein gewisser Mut, weil unsere Buchstaben nicht immer das darstellen können, was gesprochen wird.
Sie haben sich getraut und an der Sprachtafel „I lern Schwäbisch“mitgewirkt. Darauf stehen unter anderem Dinge wie Waschbegga, d’Schweschter, ds Gmias oder d’Gsondheit. Was hat es damit auf sich?
König: Die Sprachtafel ist ein Projekt des Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung. Es gibt solche Tafeln bereits für Hochdeutsch und Bairisch, jetzt kamen Schwäbisch und Fränkisch dazu. Adressaten sollen Migranten sein, die Probleme haben, dialektsprechende Einheimische zu verstehen. Auf den Tafeln werden einige schwäbische Begriffe oder Redewendungen mit Bildern erklärt. Das soll Migranten den Kontakt zur Bevölkerung erleichtern und damit der Integration dienen.
Kann das wirklich funktionieren? Seit Kurzem gibt es eine Sprachtafel „I lern Boarisch“und die scheint eher das Interesse von Dialektliebhabern als von Migranten geweckt zu haben...
Das ist richtig, zumindest ist so eine Tafel aber besser, als wenn man gar nichts tun würde. Und vielleicht hilft es ja auch, den Dialekt unter den Deutschen wieder populärer zu machen.
Schwäbisch ist ja nicht gleich Schwäbisch. Welches Schwäbisch wird denn über die Sprachtafel vermittelt?
Eine Mischung. Schwäbisch in dieser Kombination gibt es wohl gar nicht. Ich habe einen 14-bändigen Sprachatlas von BayerischSchwaben gemacht, der 2700 Sprachkarten hat. Das allein zeigt schon, wie unterschiedlich die Dialekte hier sind. Wenn ein Rieser und ein Oberstdorfer alten Dialekt sprechen, werden sie sich zunächst schwertun, sich zu verstehen.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Ich habe versucht, ein „mittleres“Schwäbisch zu beschreiben, das sowohl Merkmale des Nordens als auch des Südens hat und auch stilistisch in der Mitte liegt. Das Ganze ist ein Kompromiss, aber anders würde es nicht funktionieren. Es hilft ja nichts, wenn ich einem Migranten ein explizites Basis-Schwäbisch vermittle, das dann vielfach aber gar nicht mehr so gesprochen wird.
Was sind denn klassische Unterschiede zwischen nördlichem und südlichem Schwäbisch?
Im Süden sagt man beispielsweise eher Kind und Knie, im Norden eher Kend und Gnia. Es gibt auch Worte, die je nach Region komplett unterschiedlich sind. Quark beispielsweise heißt im Ries Schotten, im Allgäu aber Ziger und dazwischen Dopfen.
Wie viel Schwäbisch wird denn überhaupt noch gesprochen in Schwaben?
Das lässt sich schwer sagen. Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass 70 Prozent der bayerischen Bevölkerung Dialekt sprechen. Ich glaube, es sind deutlich weniger. Es gibt Gegenden, in denen es noch relativ stabil ist, zum Beispiel rund um Krumbach, Günzburg oder in Teilen des Allgäus. Aber wenn ich in Augsburg mit der Straßenbahn fahre, höre ich kaum noch Dialekt.
Werner Königs Lieblingssatz: „Kaa ii ao a Oi aufmacha?“
Wo fängt bei Ihnen eigentlich Dialekt an und wo hört er auf?
Auch das lässt sich nur schwer sagen. Wissenschaftlich unterscheidet man zwischen Dialekt, Umgangssprache und Hochsprache. Manche Personen lassen sich ganz klar einer Gruppe zuteilen, andere springen dafür immer wieder von der einen in die andere.
Welcher ist denn für Sie der schönste bayerische Dialekt?
Ich wehre mich dagegen, Dialekte für schön und weniger schön zu erklären. Für mich sind alle Dialekte gleich besonders. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht finde ich allerdings die Dialekte besonders interessant, die am südlichen Rand unseres deutschen Sprachgebietes in Italien und im Süden der Schweiz gesprochen werden. Die sind sehr altertümlich, und viele Menschen dort sprechen manche Worte noch aus wie sie vor tausend Jahren gesprochen wurden. Das ist für mich als Sprachwissenschaftler natürlich besonders faszinierend.
war bis 2008 Professor der Deutschen Sprachwissen schaft an der Universität Augsburg.