Ein blauer Punkt im Kosmos
Die Raumsonde „Voyager 1“richtete 1990 den Blick ihrer Kameras auf die Erde
Es war im Jahre 1990, am Valentinstag, als die Raumsonde Voyager 1 die Umlaufbahnen der äußeren Planeten hinter sich gelassen hatte und hoch über der Ekliptik schwebte. Diese Ekliptik ist quasi eine gedachte Fläche, auf die sich die Umlaufbahnen der Planeten projizieren lassen und die wir uns als Rennbahn vorstellen können. Die Sonde, die schon 1977 zur Erforschung der äußeren Gasplaneten und deren Monden gestartet wurde, entfernte sich mit einer Geschwindigkeit von über sechzigtausend Stundenkilometern von der Sonne. Doch Anfang 1990 erhielt sie einen wichtigen Befehl von der Bodenstation auf der Erde.
Die Sonde gehorchte und richtete den Blick ihrer Kameras zurück auf die nun weit entfernten Planeten. Sie schwenkte ihre Videokameras von einem Punkt im Weltall zum nächsten, machte sechzig Aufnahmen und legte sie in digitaler Form auf ihrem Speicherband ab. Während der nächsten Monate funkte sie diese Daten zur Erde. Die Raumsonde war zu diesem Zeitpunkt rund sechs Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Voyager (Reisender) befand sich so hoch über der Ekliptik, weil sie 1981 nahe an Titan, dem riesigen Saturnmond, vorbeigeflogen war. Die Schwestersonde Voyager 2 war innerhalb der Ekliptik unterwegs und führte ihre später gelungenen Erkundungen von Uranus und Neptun durch. Die beiden „Planetenspäher“erforschten vier Planeten und annähernd sechzig Monde. Sie sind in die Geschichte der Raumfahrt eingegangen und haben unser Wissen über das Sonnensystem enorm gesteigert. Die Funktionstüchtigkeit der beiden Sonden war bis zum Saturn garantiert. Wissenschaftler wollten deshalb einen letzten Blick heimwärts richten lassen. Sie wussten, dass die Erde vom Saturn aus gesehen zu klein ist, um irgendwelche Details erkennen zu können. Unser Planet ist gerade mal ein kleiner Lichtpunkt, ein einsames Pixel, das sich kaum von den anderen vielen Lichtpunkten – Planeten und Sonnen – unterscheidet, die Voyager sehen konnte. Doch gerade deshalb erschien so eine Aufnahme wertvoll. Seefahrer zeichneten sorgfältig die Umrisse unserer Kontinente auf, Geografen setzten diese Erkenntnisse in Karten und Globen um. Kleine Gebiete unserer Erde wurden zunächst von Ballonen und Flugzeugen, dann von Raketen und Satelliten aus aufgenommen. Inzwischen ist es ja kein Geheimnis mehr, dass unsere Erde eine Kugel ist und wir dank der Schwerkraft mit ihr verbunden sind. Es wurde aber erst so richtig bewusst, als die berühmten Aufnahmen von der letzten Mondmission Apollo 17 zurück gefunkt wurden. Diese Aufnahme der Erde wurde ein Symbol unserer Epoche. Da sieht man am unteren Bildrand die Antarktis, darüber liegt der afrikanische Kontinent. Man sieht Äthiopien, Tansania und Kenia, wo die ersten Menschen lebten. Man kann deutlich das Blau des Ozeans, das gelbliche Rot der Sahara und der Arabischen Wüste, das bräunliche Grün der Wälder und Steppen ausmachen. Aber es gibt überhaupt keine Spur menschlichen Lebens auf diesem Bild. Ein weiteres Bild von der Erde, dieses Mal aus hunderttausend Mal größerer Entfernung aufgenommen, könnte helfen, unsere Situation besser zu erfassen. Noch nie hatte irgendjemand die Erde als Punkt gesehen und mit Voyager 1 war es für lange Zeit die letzte Chance.
Einfach war es nicht, so ein Bild von der Erde zu machen, denn vom Rande des Sonnensystems aus betrachtet liegt die Erde sehr nahe an der gleißend hellen Sonne. Aber es funktionierte alles bestens. Man konnte bei den Belichtungen nicht nur die Erde sehen, sondern auch fünf weitere Planeten. Alle Bilder zeigen, wie das Sonnensystem für einen fremden Beobachter aussieht. Aus dieser Entfernung erscheinen unsere Planeten selbst mit einem hochauflösenden Teleskop – wie dem der Voyager Sonde – wie kleine scharfe oder unscharfe Lichtpunkte. Nicht anders wie die Planeten, die wir mit bloßem Auge zum Teil erkennen können.
Da die Raumsonde zum Zeitpunkt der Aufnahme im Sonnenlicht reflektierte, scheint die Erde in einem Lichtstrahl zu schweben, der ihr eine ganz besondere Bedeutung verleiht. Doch das Bild ist nichts weiter als ein Zufallsprodukt aus Geometrie und Optik. Die Sonne strahlt in alle Richtungen gleich.