Rieser Nachrichten

Er war 50 Jahre lang Wetter Wächter

Der Fremdinger Lorenz Wiedenmann maß ein halbes Jahrhunder­t lang Temperatur und Niederschl­ag für den Deutschen Wetterdien­st. Der sucht jetzt einen Nachfolger

- VON RONALD HUMMEL

Kündigte das schöne Wetter in dieser Woche das Winterende an? Oder kommt doch noch einmal ein Kälteeinbr­uch? Jeden Menschen interessie­ren solche alltäglich­en Fragen zum Wetter. Und manche sind so sehr am Wetter interessie­rt, dass sie jahrzehnte­lang ehrenamtli­ch Tag für Tag eine Wetterstat­ion im Auftrag des Deutschen Wetterdien­stes betreiben und damit wichtige Basisarbei­t leisten. Der 90-jährige Lorenz Wiedenmann aus Fremdingen gehört zu diesen leidenscha­ftlichen „Wetterfrös­chen“.

1966 fragte ihn der Bürgermeis­ter, ob er die seit 1936 bestehende Wetterstat­ion nicht übernehmen wolle und seitdem tat er bis vor Kurzem über ein halbes Jahrhunder­t lang Tag für Tag das Gleiche: Jeden Tag kurz vor 7.30 Uhr morgens checkte er die Wetterstat­ion in seinem Garten, notierte die Höhe der Niederschl­äge im Messbehält­er und Einzelheit­en zur Wetterlage, beispielsw­eise, ob es neblig war und wie stark. War Schnee gefallen, maß er dessen Höhe in einem eigenen vergittert­en Behälter. Um einen Anschauung­swert über die Schneefest­igkeit zu liefern, schmolz er den Schnee aus dem Behälter ein und notierte die Wassermeng­e. Monat für Monat schickte er die Bögen an den Wetterdien­st, mehr als 600 Mal. Kein Tageswert fehlte – war Lorenz Wiedenmann verhindert, sicherte seine Frau oder jemand anderes aus der Familie die Daten.

Hat sich das Wetter seither wirklich spürbar verändert, kann der Wetter-Wächter die Tendenz zur globalen Erwärmung bestätigen? Er kann: „Früher waren die Tempera- turen im Schnitt deutlich niedriger“, sagt er. Einen Winter mit minus 38 Grad, an dem die Rehe mit vom Eisschnee wundgesche­uerten Beinen aus den Wäldern auf die Äcker kamen, gab es beispielsw­eise seit Mitte der 60er-Jahre nicht mehr. Auch Schneefall und Regen nahmen messbar ab: „Früher schwankte der Jahresnied­erschlag zwischen 850 und 1030 Liter pro Quadratmet­er und Jahr. In den letzten zehn Jahren waren es im Schnitt 730 Liter.“Die Tendenz sei da, aber Werte könne man nicht linear für die Zukunft hochrechne­n; erst die vergangene­n Wochen dieses Winters hätten schließlic­h gezeigt, dass es immer wieder Schwankung­en gebe. So habe er auch trotz der Unmengen von Daten, die er erhob, nie Voraussage­n daraus ableiten können, wie der bevorstehe­nde Sommer oder Winter nun ausfallen werde.

Allerdings sieht er sich nicht ganz ohne Stolz als einer von vielen, die zu einer stetig steigenden Sicherheit von Wetterprog­nosen beigetrage­n haben: „Es wurden im Laufe der Zeit immer mehr kleine Wetterstat­ionen eingericht­et.“Dieses immer dichtere Netz von Basisdaten habe schließlic­h zusammen mit anderen Faktoren wie weiterentw­ickelter Analyse- oder Satelliten­technik immer genauere und sicherere Vorhersage­n erlaubt.

Das wurde schließlic­h auch von höchster Stelle gewürdigt: 2006, zu seinem 40-jährigen Jubiläum, bekam er die Bundesverd­ienstmedai­lle vom damaligen Bundespräs­identen Horst Köhler. „Außergewöh­nliche Zuverlässi­gkeit“wurden ihm in der Urkunde ebenso bestätigt wie sein Beitrag zur Verbesseru­ng der Wettervorh­ersage und Klimaüberw­achung. In der Rückschau auf nunmehr 50 Jahre als Wetter-Wächter lächelt Lorenz Wiedenmann, der mit seinen 90 Jahren zwar immer noch fit ist, nun aber doch die Zeit gekommen sah, sein Ehrenamt abzugeben: „Es war eine sehr schöne Arbeit – interessan­t und jeden Tag anders.“

Wer Interesse hat, die Nachfolge von Lorenz Wiedenmann in der Region um Fremdingen anzutreten, kann sich beim Deutschen Wetterdien­st in Stuttgart unter Telefon 069/8062 9541 über die Voraussetz­ungen erkundigen.

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Foto: Hummel Lorenz Wiedenmann mit dem Regenwasse­r Messbehält­er. Für die Zuverlässi­gkeit, mit der er tagtäglich die Werte ablas, wurde er schon vom Bundespräs­identen aus gezeichnet.

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