Die verschwundene Kapelle
Einst hatte auch Kesselostheim ein eigenes Kirchlein, das dem heiligen Benedikt geweiht war. Heute ist die Heimatgeschichte tief im Erdboden verborgen
Den Grillplatz an der Kessel in einem ehemaligen, aufgelassenen Steinbruch unweit von Kesselostheim kennen viele. Hier treffen sich zahlreiche Wanderwege. Zuletzt wurden vor zweieinhalb Jahren der landwirtschaftliche Erlebnisweg und erst im vergangenen Herbst der Wanderweg „Kesseltal NaTour“eingeweiht, die an dem idyllischen Platz vorbeiführen. Und großer Beliebtheit erfreut sich auch die Kneippanlage, die hier in den Lauf der Kessel eingebaut wurde.
Die allerwenigsten Besucher dieses Ortes wissen allerdings, dass sich nahe des ehemaligen Steinbruchs am Nordfuße des Rannenbergs und des Zusammenflusses von Kessel und Hahnenbach auch die wesentlichsten historischen Zeugnisse Kesselostheims befinden. Zum einen wurden im Steinbruchgelände selbst vor vielen Jahrzehnten alemannische Gräber mit den entsprechenden Grabbeigaben entdeckt, die auf eine frühe Besiedlung des Ortes Kesselostheims im siebten Jahrhundert nach Christus schließen ließen. Diese fand wohl vom westlich gelegenen Hauptort Bissingen aus statt, worauf auch der Ortsname hinweist. Zum anderen stand auf einer abgeflachten Anhöhe oberhalb des Steinbruchs und der Kessel einst eine kleine Kirche, die dem heiligen Benedikt geweiht war. Heute deuten lediglich noch die beiden Flurnamen „Kapelläcker“und „Untere Kapell- darauf hin, dass hier ein Gotteshaus stand. Auf den ersten Blick zu sehen ist auf den Äckern und Wiesen oberhalb des Grillplatzes keine Spur mehr davon. Vorzustellen vermag man es sich allerdings durchaus, zumal sich von hier aus ein herrlicher Blick hinunter zur Kessel und zum Dorf Kesselostheim sowie hinüber nach Buggenhofen zu der bekannten Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt bietet.
Schon im späten Mittelalter, im Jahr 1375, fand die Benediktus-Kapelle urkundliche Erwähnung. Warum diese Kirche zu Beginn des 18. Jahrhunderts buchstäblich vom Erdboden verschwand, ist eine bisher ungeklärte Frage. Ob die mündlich überlieferte Sage, die das Ende beschreibt, einen vernünftigen Gehalt an Wahrheit enthält, weiß man nicht. Demnach wäre es ein Schimmel gewesen, der für das Verschwinden des Kirchleins sorgte. Dieser hatte sich dem Volksmund nach in die Kirche verirrt, konnte, nachdem die Türe zugefallen war, nicht mehr ins Freie gelangen und musste deshalb elend sterben, wobei er in seiner Panik zuvor die gesamte Einrichtung zertrümmert hatte.
Der Sage nach hatten die Kesselostheimer aber nicht nur diesen Schaden, sondern auch den Spott weit und breit zu ertragen, denn es hieß: „Würden sie sich besser um ihre Kapelle kümmern und sie öfters besuchen, hätte dieses Unglück nicht passieren können!“Da die Kirche nach diesem Ereignis als entweiht galt, sei sie aufgelassen und bald darauf abgerissen worden, lautete der Schluss dieser Überlieferung. Wenn man zu den bislang bekannten historischen Fakten zurückkehrt, war es tatsächlich so, dass der Ort Kesselostheim und damit auch die Kapelläcker am 11. November 1459 von dem Donauwörther Bürger Peter Vetter, der es selbst zuvor von den Grafen zu Oettingen erworben hatte, an das Kloster Mönchsdeggingen veräußert wurden. Das war deshalb von Bedeutung, weil damit auch in den Jahren 1557 bis 1568, als der Landsknechtsführer Sebastian Schertlin im Besitze der Herrschaft Bissingen war, die Bürger dieses Ortes als Mönchsdeggingsche Untertanen katholisch blieben.
Die Bissinger hingegen mussten, wie im Augsburger Religionsfrieden von 1555 festgelegt, ihren Glauben wechseln und unter Schertlin evangelisch werden, bis dieser 1568 die Herrschaft Bissingen wieder an den katholischen Landsknechtsführer Konrad von Bemelberg veräußerte. Die religiösen Wirren von damals sind insofern besonders interessant, weil bei einer archäologischen Grabung, die Pfarrer Rudolf Schottorf aus Tapfheim im Jahr 1955 am Standort der ehemaligen Benediktäcker“ kapelle mit einigen Jugendlichen durchführte, um dieses Kirchlein herum auch Gräber gefunden wurden. Vor der Nord- und der Südmauer befand sich ein kleiner Friedhof. Vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege erhielt Bissingen vor wenigen Jahren einige Fotos von dieser Grabung des Tapfheimer Pfarrers. Der Bissinger Hauptlehrer Johann Hoesch, damals Zeuge der Grabungen, vermutete, dass die kleine, stets katholische Kirche in den Jahren, als Bissingen unter Schertlin evangelisch war, das Begräbnisrecht hatte. Aber es war noch mehr, das der aus Amberg stammende Pfarrer und Dekan Rudolf Schottorf zutage förderte: Seinen Ausgrabungen ist es zu verdanken, dass wir heute neben den schriftlichen Zeugnissen zumindest eine gewisse Kenntnis von der Benedikt-Kapelle haben. Sie war ein nach Osten ausgerichteter Rechteckbau mit einer Länge von 10,5 Metern und einer Breite von sechs Metern.
Die Mauerdicke betrug etwa 40 Zentimeter. Es wurden auch Reste einer zweistufigen Treppe zu einem Chor und davor Reste einer in Lehm gebetteten Kalksteinrollierung gefunden. Als Baumaterial hatten Kalkbruchsteine, Trassgestein aus dem oberen Kesseltal und Ziegelsteine gedient. Heute ist nichts mehr davon an der Erdoberfläche zu finden und diese Facette der Kesseltaler Heimatgeschichte tief im Erdboden verborgen.
Auch Gräber wurden gefunden