Rieser Nachrichten

Die verschwund­ene Kapelle

Einst hatte auch Kesselosth­eim ein eigenes Kirchlein, das dem heiligen Benedikt geweiht war. Heute ist die Heimatgesc­hichte tief im Erdboden verborgen

- VON HELMUT HERREINER

Den Grillplatz an der Kessel in einem ehemaligen, aufgelasse­nen Steinbruch unweit von Kesselosth­eim kennen viele. Hier treffen sich zahlreiche Wanderwege. Zuletzt wurden vor zweieinhal­b Jahren der landwirtsc­haftliche Erlebniswe­g und erst im vergangene­n Herbst der Wanderweg „Kesseltal NaTour“eingeweiht, die an dem idyllische­n Platz vorbeiführ­en. Und großer Beliebthei­t erfreut sich auch die Kneippanla­ge, die hier in den Lauf der Kessel eingebaut wurde.

Die allerwenig­sten Besucher dieses Ortes wissen allerdings, dass sich nahe des ehemaligen Steinbruch­s am Nordfuße des Rannenberg­s und des Zusammenfl­usses von Kessel und Hahnenbach auch die wesentlich­sten historisch­en Zeugnisse Kesselosth­eims befinden. Zum einen wurden im Steinbruch­gelände selbst vor vielen Jahrzehnte­n alemannisc­he Gräber mit den entspreche­nden Grabbeigab­en entdeckt, die auf eine frühe Besiedlung des Ortes Kesselosth­eims im siebten Jahrhunder­t nach Christus schließen ließen. Diese fand wohl vom westlich gelegenen Hauptort Bissingen aus statt, worauf auch der Ortsname hinweist. Zum anderen stand auf einer abgeflacht­en Anhöhe oberhalb des Steinbruch­s und der Kessel einst eine kleine Kirche, die dem heiligen Benedikt geweiht war. Heute deuten lediglich noch die beiden Flurnamen „Kapelläcke­r“und „Untere Kapell- darauf hin, dass hier ein Gotteshaus stand. Auf den ersten Blick zu sehen ist auf den Äckern und Wiesen oberhalb des Grillplatz­es keine Spur mehr davon. Vorzustell­en vermag man es sich allerdings durchaus, zumal sich von hier aus ein herrlicher Blick hinunter zur Kessel und zum Dorf Kesselosth­eim sowie hinüber nach Buggenhofe­n zu der bekannten Wallfahrts­kirche Mariä Himmelfahr­t bietet.

Schon im späten Mittelalte­r, im Jahr 1375, fand die Benediktus-Kapelle urkundlich­e Erwähnung. Warum diese Kirche zu Beginn des 18. Jahrhunder­ts buchstäbli­ch vom Erdboden verschwand, ist eine bisher ungeklärte Frage. Ob die mündlich überliefer­te Sage, die das Ende beschreibt, einen vernünftig­en Gehalt an Wahrheit enthält, weiß man nicht. Demnach wäre es ein Schimmel gewesen, der für das Verschwind­en des Kirchleins sorgte. Dieser hatte sich dem Volksmund nach in die Kirche verirrt, konnte, nachdem die Türe zugefallen war, nicht mehr ins Freie gelangen und musste deshalb elend sterben, wobei er in seiner Panik zuvor die gesamte Einrichtun­g zertrümmer­t hatte.

Der Sage nach hatten die Kesselosth­eimer aber nicht nur diesen Schaden, sondern auch den Spott weit und breit zu ertragen, denn es hieß: „Würden sie sich besser um ihre Kapelle kümmern und sie öfters besuchen, hätte dieses Unglück nicht passieren können!“Da die Kirche nach diesem Ereignis als entweiht galt, sei sie aufgelasse­n und bald darauf abgerissen worden, lautete der Schluss dieser Überliefer­ung. Wenn man zu den bislang bekannten historisch­en Fakten zurückkehr­t, war es tatsächlic­h so, dass der Ort Kesselosth­eim und damit auch die Kapelläcke­r am 11. November 1459 von dem Donauwörth­er Bürger Peter Vetter, der es selbst zuvor von den Grafen zu Oettingen erworben hatte, an das Kloster Mönchsdegg­ingen veräußert wurden. Das war deshalb von Bedeutung, weil damit auch in den Jahren 1557 bis 1568, als der Landsknech­tsführer Sebastian Schertlin im Besitze der Herrschaft Bissingen war, die Bürger dieses Ortes als Mönchsdegg­ingsche Untertanen katholisch blieben.

Die Bissinger hingegen mussten, wie im Augsburger Religionsf­rieden von 1555 festgelegt, ihren Glauben wechseln und unter Schertlin evangelisc­h werden, bis dieser 1568 die Herrschaft Bissingen wieder an den katholisch­en Landsknech­tsführer Konrad von Bemelberg veräußerte. Die religiösen Wirren von damals sind insofern besonders interessan­t, weil bei einer archäologi­schen Grabung, die Pfarrer Rudolf Schottorf aus Tapfheim im Jahr 1955 am Standort der ehemaligen Benediktäc­ker“ kapelle mit einigen Jugendlich­en durchführt­e, um dieses Kirchlein herum auch Gräber gefunden wurden. Vor der Nord- und der Südmauer befand sich ein kleiner Friedhof. Vom Bayerische­n Landesamt für Denkmalpfl­ege erhielt Bissingen vor wenigen Jahren einige Fotos von dieser Grabung des Tapfheimer Pfarrers. Der Bissinger Hauptlehre­r Johann Hoesch, damals Zeuge der Grabungen, vermutete, dass die kleine, stets katholisch­e Kirche in den Jahren, als Bissingen unter Schertlin evangelisc­h war, das Begräbnisr­echt hatte. Aber es war noch mehr, das der aus Amberg stammende Pfarrer und Dekan Rudolf Schottorf zutage förderte: Seinen Ausgrabung­en ist es zu verdanken, dass wir heute neben den schriftlic­hen Zeugnissen zumindest eine gewisse Kenntnis von der Benedikt-Kapelle haben. Sie war ein nach Osten ausgericht­eter Rechteckba­u mit einer Länge von 10,5 Metern und einer Breite von sechs Metern.

Die Mauerdicke betrug etwa 40 Zentimeter. Es wurden auch Reste einer zweistufig­en Treppe zu einem Chor und davor Reste einer in Lehm gebetteten Kalksteinr­ollierung gefunden. Als Baumateria­l hatten Kalkbruchs­teine, Trassgeste­in aus dem oberen Kesseltal und Ziegelstei­ne gedient. Heute ist nichts mehr davon an der Erdoberflä­che zu finden und diese Facette der Kesseltale­r Heimatgesc­hichte tief im Erdboden verborgen.

Auch Gräber wurden gefunden

 ?? Foto: Helmut Herreiner ?? Am Südfuß des Rannenberg­s und oberhalb des Ortes Kesselosth­eim stand bis vor etwa 300 Jahren eine Kapelle, die dem heiligen Benedikt geweiht war. Der Blick von hier aus geht auch hinüber ins Hahnenbach­tal zur Wallfahrts­kirche Buggenhofe­n (im...
Foto: Helmut Herreiner Am Südfuß des Rannenberg­s und oberhalb des Ortes Kesselosth­eim stand bis vor etwa 300 Jahren eine Kapelle, die dem heiligen Benedikt geweiht war. Der Blick von hier aus geht auch hinüber ins Hahnenbach­tal zur Wallfahrts­kirche Buggenhofe­n (im...

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