Die Geschichte der „Teufelsmil“
Die Tiefenmühle in Heroldingen ist geprägt von vielen Sagen. Sogar Mägde sollen immer wieder spurlos verschwunden sein. Schließlich zerstört sie ein Feuer
Heroldingen „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.“Dieses Schiller-Zitat trifft Wort für Wort auf die Tiefenmühle bei Heroldingen zu. Auf einer alten Landkarte von Sebastian Münster (1488–1552) steht sie noch mit „Teufelsmil“verzeichnet; die Wörnitzpartie nannten die Einheimischen „Tuiflsfurt“und den Besitzer den „Teufelsmüller“. Was lag da näher, als irgendwann im 19. Jahrhundert aus diesem unseligen Namen die „Tiefenmühle“zu machen?
Eine erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1527 nennt im Zusammenhang mit dem von den Bauern verlorenen Bauernkrieg und den damit zusammenhängenden Strafen die Tiefenmüllerin von Heroldingen, die allerdings eine eher geringe Summe an ihren Landesherrn zahlen musste, dem wohl mehr daran gelegen war, den Mahlbetrieb nicht zu gefährden, denn der Betrieb war sein Eigentum… – Immer wieder tauchen in den Heroldinger Kirchenbüchern Tiefenmüller auf, so nach dem Dreißigjährigen Krieg ein Jerg Beck mit Ehefrau Anna, die die Geburt ihres ersten Kindes anzeigen. 1708 erheiratet ein Jacob Lindenmeyer aus dem fränkischen Aufkirchen am Hesselberg die Tiefenmühle samt Witwe. Über 250 Jahre bleibt das Geschäft im Besitz dieser Familie und erlebt 1849 beim Bau der Eisenbahn einen ungeahnten Aufschwung, teils weil der Müller Land an die Eisenbahngesellschaft verkaufen kann, teils weil die vielen, vielen Arbeiter Brot brauchen, für das die Bäcker wieder den Müller brauchen. Der aber bräuchte einen Stammhalter, der ihm nicht gegönnt ist. „Will der Mann es heimlich zwingen? Man erzählt sich schlimme Dinge. Mehrere Mägde sollen nacheinander auf der Mühle verschwunden sein, spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Als aber unter seinem Nachfolger der Kuhstall verlegt und dann der alte Bretterboden herausgerissen wird, stößt man auf drei oder vier menschliche Skelette.“So schrieb Ernst Dettweiler, Schulleiter und Dorfforscher in Heroldingen von 1948 bis 1972 einst das nieder, was er bei den Alten im Dorf noch hatte erfahren können. Vielleicht kommt es daher, dass es mit der Mühle von da an bergab ging.
Eine Tochter des letzten Lindenmeyer wird hintersinnig, er selbst stirbt unvermittelt mit 66 Jahren, die Witwe muss rasch verkaufen, um noch das Beste aus dem verwaisten Betrieb herauszuholen.
Auf der Mühle zieht mit Johann Georg Lierheimer ein gelernter Müller aus Möttingen auf, hat mit seiner Frau Anna Margartha acht Kinder, doch bald darauf stirbt auch er. Wieder steht eine Tiefenmüller- Witwe allein da mit acht halbwüchsigen Kindern – und die 41-Jährige heiratet noch einmal, den Bauernsohn Matthias Hager aus Katzenstein. Dieser modernisiert die Mühle, indem er ein Wehr und Radhaus im Wörnitzbett baut mit nur noch einem Wasserrad. Er beschafft die neuesten Maschinen: eine Putzmühle zum Entspelzen des damals noch häufig angebauten Dinkels, eine Schrotmühle für Futtermittel, zwei Gänge für das Weißmehl und ein Gang für den Roggen, das Brotgetreide. Die Ölmühle lässt er eingehen. Doch trotz anfangs erfolgreicher Wirtschaft geht es wieder einmal nicht weiter, als ein Stiefsohn seine sieben Geschwister nicht auszahlen kann. Man entschließt sich, die Mühle an den Darlehensverein zu verkaufen. Mit dem Geld erwirbt die Familie Hager im Dorf die Sölde HsNr. 54. Ein Enkelkind, Eugen Lierheimer, wird auch aufgenommen und versorgt letztlich seinen Großvater, der bis ins Jahr 1951 lebt und mit 91 Jahren stirbt.
Doch zurück zur Tiefenmühle. 1905 erwirbt der Heroldinger „Bachbauer“Friedrich Kornmann für seinen Sohn Johann, der die Mühle weiter betreibt, bis er sie 1928 auch sein Eigen nennen kann. Er wechselt die Maschinen gegen neue, englische Fabrikate aus, die in einem Mahlgang bestes Mehl erzeugen. Das Geschäft floriert, bis in der letzten Oktobernacht des Kriegsjahres 1940 in seiner Mühle ein verheerendes Feuer ausbricht und sie in Schutt und Asche legt. Die Familie kauft mit dem Ersparten und der Versicherungssumme die Scheupeleinsmühle bei Gunzenhausen und verlässt das Dorf. Das Unglück auf der Mühle war zu erdrückend geworden für ihre Bewohner. Die Dorfleute meinten aber auch: „Hätte er einen Feuersegen im Haus gehabt, wäre das nie passiert!“Man glaubte damals eher an so etwas und steckte oftmals solche Feuersegen unter die Dachsparren. In Heroldingen sind mehrere solcher Feuersegen bekannt geworden, weil sie bei (kalten) Abbrucharbeiten gefunden wurden. Einer lautet:
„Bist Willekommen, du feuricher Gast, greif nicht weiter als was du hast, das zehl ich dir Feuer zu einer Buß im Namen des Vatters, Sohnes und Heiligen Geistes. Etc. etc. Wer diesen Brief in seinem Hause hat, bei dem wird keine Feuersbrunst entstehen oder auskommen.“
Die Tiefenmühle aber wurde als solche nicht mehr aufgebaut. Die Gemeinde hatte das Gelände erworben, zwar die Ansiedlung einer Fabrik (Esarom) verhindert, letztlich aber den bauwilligen Heimatvertriebenen als Bauplätze verkauft. In die beim Brand unversehrt gebliebene Scheune aber wurde von einem Dorfbewohner eine Wohnung eingebaut. Doch die Ruine wurde von Heimatvertriebenen nach dem Krieg als Steinbruch verwendet und die Steine auf dem Mühlengelände teilweise in deren neue Siedlungshäuser verbaut.
„Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.“Wie recht Friedrich Schiller doch hat!