Kampf gegen die Sucht
Bei den Selbsthilfewochen können sich Menschen über die verschiedenen Formen der Abhängigkeit informieren. Bei der Eröffnung macht ein Video sprachlos
Eine junge Frau sitzt an einem Tisch. Vor ihr stehen sechs Bierflaschen. Plötzlich fängt sie an. Köpft eine Flasche nach der anderen und trinkt sie leer. Danach grinst sie und zeigt das Victory-Zeichen. „Ich verstehe manche Menschen nicht, dass sie auf so etwas stolz sein können“, sagt Birgit Baier, Notärztin aus Donauwörth. Die Szene mit der jungen Frau war auf einem Youtube-Video zu sehen, das Baier im Rahmen ihres Vortrags „Notarzt meets Alkohol“zeigte. Sie selbst ist seit 22 Jahren Notärztin und hat viel Erfahrung mit Alkoholkranken. Die Präsentation gehört zur Eröffnung der „Selbsthilfewochen Sucht“der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen in Schwaben, welche im Foyer des Stiftungskrankenhauses Nördlingen am Mittwochabend gefeiert wurde. Die Gäste waren nach dem Video sichtlich sprachlos.
Bis zum 23. April finden im Rahmen der Selbsthilfewochen Sucht verschiedene Vorträge über neue Modedrogen, Mediensucht oder darüber, wie man geliebten Menschen aus der Sucht helfen kann, statt. Im Foyer des Stiftungskrankenhauses befindet sich in diesem Zeitraum eine Ausstellung zum Thema „Wege aus der Sucht“. Acht Biografien von ehemals Alkoholkranken werden präsentiert. Die Betroffenen schildern ihre Strategien, die Sucht zu überwinden. „Das Thema Sucht hat seinen Platz in der Öffentlichkeit gefunden“, sagt Christiane Dehne, Sozialpädagogin der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen, bei der Begrüßung. Seit sechs Jahren organisiert sie Veranstaltungen oder gibt Schulungen für Gruppen in ganz Schwaben. Sie unterstütze Selbsthilfegruppen bei deren Gründung. „Die Selbsthilfewochen Sucht sollen das Thema einfach grifflicher machen.“So findet am heutigen Freitag ein offenes Treffen der Anonymen Alkoholiker im Stiftungskrankenhaus statt. Neben Alkohol- und Drogensucht wird in den kommenden Veranstaltungen auch übermäßiger Handy- und Computerkonsum thematisiert.
„Die Sucht betrifft das ganze Familiensystem“, beteuert Dehne. Das sagt auch Birgit Baier in ihrem Vortrag. „Die Menschen zerstören nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Umgebung.“Für sie sei Alkohol die Volksdroge Nummer eins. Häufig müsse sie sich um Alkoholkranke kümmern. Einen „Stammkunden“habe sie bereits 14 Mal komatös in die Klinik gebracht.
Dehne interviewte im Rahmen der Eröffnung mehrere Teilnehmer von Selbsthilfegruppen, wie von dem Freundeskreis Nördlingen, dem Kreuzbund Wemding oder den Anonymen Alkoholikern. Eine Frau erklärt, dass Selbsthilfegruppen eine gute Sache sind und auch einen Hintergrund haben. Man treffe sich nicht einfach nur so. Eine ehemalige Betroffene sagt, sie ging in eine solche Gruppe, um herauszufinden woher diese Seite an ihr kam. „Vor diesen Leuten muss man Respekt haben, dass sie den Mut haben, hier zu stehen“, sagt Dehne.
„Der erste Schritt raus aus der Alkohol-Sucht ist der wichtigste, und den muss der Betroffene selber machen“, sagt Baier in ihrem Vortrag. Eine Selbsthilfegruppe wäre da eine große Hilfe.