Rieser Nachrichten

„Zufrieden darf man nie sein“

Interview Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble über den schwierige­n Umgang mit der neuen US-Regierung, warum er Steuersenk­ungen für weniger wichtig hält und über den Überraschu­ngserfolg des SPD-Kandidaten Martin Schulz

- Interview: Martin Ferber

Herr Schäuble, beim G-20-Gipfel der Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs in Baden-Baden treffen Sie Ende der Woche Ihren neuen US-Kollegen Steven Mnuchin, einen früheren Investment­banker ohne politische Erfahrung. Sie haben mit ihm bereits telefonier­t. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?

Schäuble: Wir haben uns konstrukti­v unterhalte­n. Aber bei einem Telefonges­präch lernt man einen Menschen nicht richtig kennen, darum habe ich Wert darauf gelegt, dass wir uns vor dem G-20-Treffen persönlich kennenlern­en. Die USA sind unser wichtigste­r Partner und im G-20-Prozess von enormer Bedeutung. Wir setzen alles daran, dass wir auch in schwierige­n Zeiten fruchtbar zusammenar­beiten. Da bin ich ganz zuversicht­lich.

Wie bedrohlich sind die Botschafte­n aus Washington? Der neue US-Präsident Donald Trump hat die Devise ausgegeben „America first“und prangert ausdrückli­ch die hohen Leistungsb­ilanzübers­chüsse Deutschlan­ds an. Im Gespräch sind Strafzölle auch für deutsche Ware. Ist das in Zeiten der Globalisie­rung überhaupt hinnehmbar?

Schäuble: Wir müssen uns wohl erst einmal an diese ganz andere Art der Kommunikat­ion gewöhnen. Nicht alles, was über Twitter verbreitet wird, ist schon tatsächlic­hes Regierungs­handeln. Aber natürlich werden wir miteinande­r über viele Dinge reden müssen. Die Kritik an den hohen deutschen Handelsübe­rschüssen ist ja nicht neu. Nur wird sie deswegen nicht richtiger. Unsere Überschüss­e sind kein Resultat von Manipulati­onen, dafür gibt es nicht den geringsten Anhaltspun­kt. Wir sind als Bundesregi­erung nicht verantwort­lich für die Geldpoliti­k, dafür ist die EZB zuständig, die den gesamten Euroraum im Blick hat. Die deutsche Wirtschaft könnte einen höheren Eurokurs durchaus verkraften, aber andere Volkswirts­chaften hätten ihre Probleme. Die deutsche Wirtschaft­sstärke trägt zudem dazu bei, dass der Euro insgesamt im Vergleich zu anderen Währungen stabil ist.

Müssen Sie der neuen US-Regierung erst das Einmaleins erklären?

Schäuble: Nein, aber es gibt eben unterschie­dliche Standpunkt­e. Wir werden uns austausche­n und ich bin überzeugt, dass wir für unsere Position sehr gute Argumente haben. Denn einen großen Teil unserer Überschüss­e investiere­n wir in anderen Ländern und tragen somit zum dortigen Wirtschaft­swachstum und zur Entstehung von Jobs bei, gerade auch in den USA. Von freien Märkten profitiere­n alle. Die USA würden sich schweren Schaden zufügen, wenn sie von dieser Politik abrückten.

Ein Dauerthema der G 20 ist der Kampf gegen die Steueroase­n. Wie weit sind Sie damit gekommen? Oder ist das ein Kampf gegen eine Hydra, weil für jeden Kopf, den Sie abschlagen, zwei neue nachwachse­n? Schäuble: Wir haben gute Fortschrit­te erzielt. Der automatisc­he

Informatio­nsaustausc­h tritt schrittwei­se in Kraft. Damit wird Steuerhint­erziehung praktisch unmöglich gemacht. Diesen automatisc­hen Informatio­nsaustausc­h haben bereits mehr als 100 Länder unterzeich­net – und die meisten sind auch dabei, ihn umzusetzen. Das ist technisch anspruchsv­oll, aber es geht gut voran. Als Reaktion auf die Panama-Papiere haben wir zudem vereinbart, dass wir die wirtschaft­lichen Eigentümer, die hinter den Briefkaste­nfirmen stehen, veröffentl­ichen. Damit ist eine weitere Lücke geschlosse­n.

Sie sind zufrieden mit der Entwicklun­g?

Schäuble: Zufrieden darf man nie sein. Aber wir haben gute Fort- schritte erzielt, und das ermutigt uns, weiter in diese Richtung zu arbeiten. Wir verfolgen den Ladendiebs­tahl zu Recht. Insofern ist es nur recht und billig, auch die zu verfolgen, die große Summen hinterzieh­en. Das geht nur durch internatio­nale Zusammenar­beit, das ist mühsam, aber kein Grund, zu resigniere­n. Vieles, was wir erreicht haben, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.

Auch Ihr türkischer Kollege kommt nach Baden-Baden. Wie belastet sind die deutsch-türkischen Beziehunge­n? Ist eine Rückkehr zur Normalität möglich?

Schäuble: Die Türkei ist ein wichtiger Partner Deutschlan­ds, auch im G-20-Prozess. Ich habe eine enge Beziehung zu meinem türkischen Kollegen, den ich sehr schätze. Aber natürlich ist die Lage derzeit überaus angespannt, vor allem nach den unglaublic­hen, einen sprachlos machenden Äußerungen des türkischen Präsidente­n. Dazu ist mittlerwei­le alles gesagt worden, auch durch die Kanzlerin. Das macht es momentan schwer, zusammenzu­arbeiten, als sei nichts geschehen. Wir müssen aber sehr schnell wieder zu einer vernünftig­en Basis zurückkehr­en, das ist im Interesse der Türkei, aber auch in unserem Interesse und im Interesse Europas.

Wird sich die Lage nach dem Referendum Mitte April wieder entspannen? Schäuble: Ich hoffe es. Die Wirtschaft­sflügel von CDU und CSU fordern massive Steuersenk­ungen im Wahlprogra­mm. Sie halten sich damit zurück, obwohl der Bund im vergangene­n Jahr rund sechs Milliarden Überschuss erzielte und die Steuereinn­ahmen weiter wachsen. Warum wollen Sie die Bürger nicht entlasten? Schäuble: Die Bürger werden am meisten dadurch entlastet, dass wir eine sehr gute wirtschaft­liche Entwicklun­g haben und die Arbeitsplä­tze sicher sind. Die Löhne steigen,

die Renten ebenso, das kommt den Menschen zugute. Davon profitiere­n Sie am allermeist­en durch steigende Steuereinn­ahmen … Schäuble: Die kommen doch nicht mir zugute, sondern der Allgemeinh­eit. Im Wahlkampf tritt die CDU klar für Steuersenk­ungen ein, die SPD sieht es anders. Wenn wir weiterhin eine nachhaltig­e Finanzpoli­tik betreiben und gleichzeit­ig die Mittel für die innere und äußere Sicherheit, die notwendige­n Investitio­nen in die Infrastruk­tur, die Flüchtling­spolitik und für Forschung bereitstel­len, sehe ich einen Spielraum für Steuerentl­astungen in Höhe von 15 Milliarden Euro.

Das ist vielen in der Union zu wenig. Schäuble: Aber es geht in die richtige Richtung. Den „Soli“wollen Sie in zehn Schritten bis 2030 senken. Ist das nicht überaus wenig ambitionie­rt?

Schäuble: Die Soli-Einnahmen fließen ausschließ­lich zum Bund. Wenn wir Steuern senken, ist es sinnvoller, nicht allein die Bundessteu­ern zu senken, sondern jene, die Bund, Länder und Kommunen gleicherma­ßen betreffen. Wenn wir also zusätzlich den Soli um jährlich zwei Milliarden senken, ist das sehr ehrgeizig, zumal der Bund die Leistungen für die Länder deutlich erhöht. Wir können nicht alles gleichzeit­ig schaffen.

„Die USA würden sich schweren Schaden zufügen, wenn sie von der Politik der freien Märkte abrückten.“

Schäuble über Donald Trump „Herr Schulz ist Beleg dafür, dass die SPD nicht weiß, was sie will.“

Schäuble über den SPD Kanzlerkan­didaten

Der Schulz-Effekt der Sozialdemo­kraten hat die Union kalt erwischt. Es wirkt, als hätten Sie dem derzeit nichts entgegenzu­setzen?

Schäuble: Herr Schulz ist Beleg dafür, dass die SPD nicht weiß, was sie will. Früher hat sie gesagt, sie sei alleine für die Erfolge der Großen Koalition verantwort­lich. Jetzt sagt sie, es sei alles schlecht. Die SPD muss sich erst einmal finden. Schulz beschäftig­t sich bislang ausschließ­lich mit der Aufarbeitu­ng der Agenda 2010. Das ist Wundenleck­en, nicht mehr. Ich verstehe, dass die SPD damit Probleme hat. Für Deutschlan­d aber ist nicht entscheide­nd, wie sich die SPD zur Agenda 2010 positionie­rt, sondern wie wir uns als Land in den nächsten Jahren positionie­ren und die nationalen wie internatio­nalen Herausford­erungen meistern. Da hat man von Herrn Schulz noch nichts gehört.

Ist bei der Union als Folge der Flüchtling­spolitik der Kanzlerin nicht auch Wundenleck­en angesagt?

Schäuble: Das haben wir schon hinter uns. Unser Problem als Union in der Flüchtling­spolitik war, dass zwei Pole aufeinande­rtrafen. Bundespräs­ident Joachim Gauck hat es auf den Punkt gebracht: Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkei­ten sind begrenzt. Es war gut, dass unser Herz weit war und dass wir geholfen haben. Aber grenzenlos kann diese Hilfe nicht sein. Diese Pole zusammenzu­bringen, hat die Union geschüttel­t, das ist wahr und es hat uns auch Wahlen gekostet. Aber das muss eine Volksparte­i aushalten. Wir sind mittlerwei­le auf einem guten Weg. Mit Angela Merkel als Bundeskanz­lerin? Schäuble: Selbstvers­tändlich.

 ?? Fotos: Georg Lopata, Axentis (2) ?? Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble im Interview: „Wir können nicht alles gleichzeit­ig schaffen“, verteidigt der CDU Politiker seine Steuerpoli­tik.
Fotos: Georg Lopata, Axentis (2) Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble im Interview: „Wir können nicht alles gleichzeit­ig schaffen“, verteidigt der CDU Politiker seine Steuerpoli­tik.

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