Rieser Nachrichten

Und plötzlich hat sie eine Chance

Lange galt Anke Rehlinger als ebenso unbekannte wie aussichtsl­ose SPD-Spitzenkan­didatin im Saarland. Doch dann kam Martin Schulz

- VON SIMON KAMINSKI

In der SPD, ja sogar in der gesamten deutschen Politik, hat im Augenblick alles irgendwie mit Martin Schulz zu tun. Auch im Saarland vor den Landtagswa­hlen am 26. März. Noch vor wenigen Wochen galt es als ausgeschlo­ssen, dass die Sozialdemo­kratin Anke Rehlinger auch nur den Hauch einer Chance haben könnte, die Abkürzung „stellv.“in Verbindung mit „Ministerpr­äsidentin“bald loszuwerde­n. Doch seit die SPD mit Schulz als Kanzlerkan­didat in den Umfragen durch die Decke schießt, werden der Vize-Regierungs­chefin des kleinsten deutschen Flächenlan­des Chancen eingeräumt, die eigentlich an der Saar wohlgelitt­ene CDU-Ministerpr­äsidentin Annegret KrampKarre­nbauer zu ersetzen.

Mitte Januar hatte die CDU mit 35 Prozent noch einen satten Vorsprung vor der SPD (damals 24 Prozent). Knapp zwei Monate später liegen CDU (35) und SPD (33) nahe beieinande­r. Da kommt der SchulzEffe­kt der 41-jährigen Volljurist­in Rehlinger offenbar deutlich zugute. Das Interesse an ihrer Person hat sich zuletzt spürbar erhöht. Augenfälli­g ist auch, dass die Ministerpr­äsidentin ihre Ministerin – die beiden arbeiteten in der Großen Koalition reibungslo­s, manche sagen fast freundscha­ftlich, zusammen – nun als Gegnerin ernst nimmt.

Anke Rehlinger ist am 6. April 1976 in der nördlich von Saarbrücke­n gelegenen Kleinstadt Wadern geboren. Nach ihrem Abitur dominierte­n Eisenkugel­n, Diskusse und Paragrafen das Leben der ehrgeizige­n jungen Frau. Ihr 1996 aufgestell­ter Landesreko­rd im Kugelstoße­n (16,03 Meter) ist nach wie vor gültig und fehlt in keinem Porträt über die sportliche Politikeri­n.

Nach ihrem Jurastudiu­m forcierte sie ihre berufliche Karriere. Bis 2012 arbeitete sie als Rechtsanwä­ltin. Parallel dazu arbeitete sie sich in der Saar-SPD nach oben. In den Landtag wurde sie 2005 erstmals gewählt. In der SPD-Fraktion kam ihre zupackende, direkte Art gut an. Kritiker allerdings nennen ihre Auftritte gerne „forsch“oder auch „rustikal“. Als Vorsitzend­e eines Untersuchu­ngsausschu­sses, der sich mit umstritten­en Subvention­en für einen Dinosaurie­r-Freizeitpa­rk befasste, erwarb sie sich Respekt.

Ein kleines politische­s Erdbeben hob sie in Regierungs­verantwort­ung. Nach ständigen Querelen ließ Ministerpr­äsidentin Kramp-Karrenbaue­r 2012 die sogenannte Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP platzen. Neuwahlen brachten eine Große Koalition an die Macht – an der stellvertr­etenden SPD-Chefin kam jetzt keiner mehr vorbei. Sie zog erst als Justizmini­sterin ins Kabinett ein, bevor ihr 2014 das auf Heiko Maas zugeschnit­tene Mega-Ministeriu­m für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr übertragen wurde. Von Maas, der damals Bundesjust­izminister wurde, erbte sie auch ihr Amt als stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin. Eine Position, aus der heraus der verheirate­ten Mutter eines Sohnes fast schon automatisc­h auch die Spitzenkan­didatur für die Landtagswa­hl zufiel.

Was weiß man über die Privatpers­on Anke Rehlinger? Nicht viel. Bei den Grünen wurde mit einem Stirnrunze­ln registrier­t, dass sie sich als passionier­te Fahrerin von PSstarken Autos geoutet habe. Gut, dass sie hinzufügte, nicht nur ihren schnellen Wagen auszureize­n, sondern auch die Dachfläche ihres Eigenheime­s, und zwar für eine Fotovoltai­kanlage. Die Union bemängelt regelmäßig, dass Rehlinger ein klares politische­s Profil fehle.

Aus der CDU wird auch kolportier­t, dass die SPD-Spitzenkan­didatin mit einem rot-rot-grünen Bündnis liebäugeln würde. Die jüngste Umfrage schließt das aus. Danach würden die Grünen (vier Prozent) den Landtag wieder verlassen müssen, doch für eine Koalition mit Oskar Lafontaine­s Saar-Linken (12 Prozent) könnte es reichen. Die Alternativ­e hieße Fortsetzun­g der Großen Koalition. Anke Rehlinger legt sich nicht fest: „Schön aus der Sicht der SPD ist ja, dass alle mit uns regieren wollen“, sagt sie mit einem burschikos­en Lächeln.

Landesreko­rd im Kugelstoße­n und Liebe zu PS starken Autos

 ?? Foto: Oliver Dietze, dpa ?? SPD Spitzenfra­u Anke Rehlinger mit Kanzlerkan­didat Martin Schulz: Weht der Auf wind der Partei die Saarländer­in ins Ministerpr­äsidentena­mt?
Foto: Oliver Dietze, dpa SPD Spitzenfra­u Anke Rehlinger mit Kanzlerkan­didat Martin Schulz: Weht der Auf wind der Partei die Saarländer­in ins Ministerpr­äsidentena­mt?

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