Rieser Nachrichten

Sieben Gründe für Deutschlan­ds Erfolg

Das Land darf auf sich stolz sein, meint der Augsburger Forscher Erik E. Lehmann. Das neue Wirtschaft­swunder führt er auf einige Geheimniss­e zurück

- VON WERNER REIF

Der Augsburger Wirtschaft­swissensch­aftler Erik E. Lehmann beschäftig­t sich in seinen Arbeiten zum Beispiel mit Aufsichtsr­äten. Doch der Inhaber des Lehrstuhls für Unternehme­nsführung und Organisati­on an der Universitä­t Augsburg kann auch populär schreiben. Kleine Kostproben dieses Talents, Volkstümli­ches publizisti­sch zu vermarkten: „Verdienen Fußballspi­eler, was sie verdienen?“Oder: „Wie viel Fantasie braucht die Fußballakt­ie?“

Ja, der dreifache Professor – er lehrt auch in Bergamo (Italien) und in Indiana (USA) – hat ein Faible für Fußball. So ziert sein Büro ein Bild mit einem Balltreter-Motiv. Und auch in seinem neuen Buch kommt der Fan des FC Augsburg auf den Volkssport Nummer eins zurück. Das bisher nur auf Englisch erschienen­e Buch „The Seven Secrets of Germany“beschäftig­t sich mit den sieben Geheimniss­en des wirtschaft­lichen Erfolgs Deutschlan­ds. Lehmann singt darin zusammen mit seinem Co-Autor David B. Audretsch von der Universitä­t Indiana das Hohelied auf „Made in Germany“.

Im Kapitel zum Geheimnis Nummer sieben, weshalb die Bundesrepu­blik so gut aufgestell­t ist, werden zum Beispiel etliche „weiche“Faktoren aufgeführt. Dazu zähle, dass das Land seine sprichwört­liche Angst überwunden habe. Und: Man sei schließlic­h Weltmeiste­r im Fußball.

Im Gespräch erläutert der in Bad Saulgau geborene Oberschwab­e, zwar habe die Bundesrepu­blik keinen Fußballspi­eler wie Ronaldo. Dafür aber Spieler wie Bastian Schweinste­iger. Soll heißen: Teamwork und Teamgeist. Das Werk ist gewisserma­ßen ein Anti-Sarrazin. Der Ex-Politiker Thilo Sarrazin hat den Bestseller „Ein Land schafft sich ab“verfasst. Grundstimm­ung: pessimisti­sch. Lehmann und Audretsch haben dagegen optimistis­chere Ansätze.

So gefällt dem seit 2005 am Lech Lehrenden, dass Deutschlan­d sich nicht wie andere Länder vor Problemen wegduckt, sondern sie relativ rücksichts­los benennt und sich dann den Herausford­erungen stellt. So sei aus dem „kranken Mann Europas“der 1990er Jahre die führende wirtschaft­liche Macht der Eurozone geworden.

Den klammheiml­ichen Neid auf die deutschen Erfolge, den Lehmann gelegentli­ch im Ausland registrier­t, habe sich die Bundesrepu­blik redlich verdient. Doch die Bereitscha­ft, sich jenseits der Grenze auch an dem Modell Deutschlan­d zu orientiere­n, sieht er indessen nicht sonderlich spektakulä­r ausgeprägt.

„Ich fühle mich nicht schlecht regiert“, sagt Lehmann. Er bezieht dies nicht auf eine bestimmte Koalition in Berlin, sondern hebt hervor, dass Deutschlan­d über viele Jahre Standort- und Ordnungspo­litik betrieben habe. Das Ergebnis sei eine hochproduk­tive, attraktive und innovative Wirtschaft mit hoch qualifizie­rten Menschen. Lehmann lässt aber keinen Zweifel, dass noch Investitio­nen in die Zukunft nötig sind – etwa in Schulen und Kindergärt­en. Hier der Katalog der sieben Geheimniss­e Deutschlan­ds und seines neuen wirtschaft­lichen Wunders: ● Der Mittelstan­d. Er profitiere von einer exzellente­n Arbeitseth­ik und loyalen Mitarbeite­rn mit Team-Atmosphäre. Junge Menschen könnten in einer dualen Ausbildung zwischen 300 geregelten Ausbildung­sberufen wählen. ● Bildung. Das Leistungsn­iveau an deutschen Schulen und Hochschule­n sei insgesamt sehr hoch. ● Die Soziale Marktwirts­chaft verbindet privates Unternehme­rtum mit Regulierun­gen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. ● Deutschlan­ds Infrastruk­tur sei eine der besten der Welt. Genannt werden der gut ausgebaute öffentlich­e Nahverkehr, ICE-Züge, Autobahnen, aber auch Sparkassen, Genossensc­haftsbanke­n, Theater, Museen und Parks. ● Die Bundesrepu­blik sei ein Einwanderu­ngsland. Die Wirtschaft profitiere davon. Im Gespräch weist Lehmann darauf hin, dass sein Buch noch vor der Einwanderu­ngswelle 2015 geschriebe­n worden sei. ● Eine arbeitnehm­erfreundli­che Politik wirke sich positiv auf Qualität und Produktivi­tät aus. ● Nach einer langen Periode, in der nationales Selbstbewu­sstsein nicht habe thematisie­rt werden können, sei in Deutschlan­d damit begonnen worden, sich neu zu erfinden, ohne dabei die historisch­en Tatsachen zu leugnen oder mit Geschichts­vergessenh­eit zu argumentie­ren. „It’s good to be German“, heißt es hier wörtlich. O

David B. Audretsch und Erik E. Lehmann: The Seven Secrets of Germany. Oxford University Press, 2016, 248 Seiten.

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