Rieser Nachrichten

Die FOS ruft SOS

Die Politik diskutiert­e zuletzt nur über das Gymnasium. Doch auch Real- und Fachobersc­hulen verlangen Reformen

- VON SARAH RITSCHEL – Krumbach – Marktoberd­orf – Füssen – Nördlingen – Illertisse­n im Landkreis Günzburg im Landkreis Ostallgäu im Landkreis Ostallgäu im Landkreis Donau Ries im Landkreis Neu Ulm

G9, G 9, G 9. Seit Monaten hört Jürgen Wunderlich kaum etwas anderes aus dem Landtag. Das Problem ist nur: Er schlägt sich jeden Tag mit ganz anderen Sachen herum. Wunderlich leitet das Berufliche Schulzentr­um in Neusäß (Kreis Augsburg) und ist das Gesicht der Berufsschu­len, Fachobersc­hulen und Berufsober­schulen im Freistaat. Als Vorsitzend­er des Verbands der Lehrer an Berufliche­n Schulen (VLB) wollte Wunderlich in den vergangene­n Wochen immer mal wieder laut schreien: „Und was ist mit uns?!“

Wie die Verbände finden auch Reformkrit­iker in der CSU-Fraktion, dass die Bildungsre­form sich nicht nur aufs Gymnasium beschränke­n darf. Vor allem die Fachobersc­hulen (FOS) können dabei mit ihrer Statistik argumentie­ren. Nach der Mittleren Reife wechselten zuletzt so viele Schüler wie nie an die FOS. Fast 46 500 Jugendlich­e arbeiteten dem Kultusmini­sterium zufolge im Schuljahr 2015/2016 auf ihr Fachabitur hin. Das sind 56 Prozent mehr als beim historisch­en Maximalsta­nd aus dem Jahr 1982. Ein Grund dafür: Seit mittlerwei­le acht Jahren können Schüler die FOS drei statt zwei Jahre besuchen und haben dann das Recht, an Universitä­ten zu studieren. Außerdem, sagt Wunderlich, sei der Weg über die Realschule zur FOS durch das ganze „Rumgeeiere“beim Gymnasium attraktive­r geworden.

Das heißt aber auch, dass viele Schulhäuse­r voll sind – vor allem im strukturst­arken Süden Bayerns. Das Schulzentr­um Neusäß bekommt zwar bald ein neues Schulhaus. Doch Wunderlich weiß schon vor dem Einzug, dass es bald wieder zu klein sein wird. Doch nur für die Gymnasien rechnen die Gemeinden und der Freistaat gerade eifrig durch, wie man sie im Fall eines G9 ausbauen müsste. Wunderlich will nicht jammern. Er räumt auch ein, dass trotz der vielen Schüler die Unterricht­sversorgun­g an den Berufliche­n Schulen sicher sei. „Aber wir haben viele angestellt­e Lehrer ohne Planstelle­n. Sie müssen die Schule nach drei Jahren wieder verlassen.“Warum es für sie keine festen Stellen gibt, während wie selbstvers­tändlich von 1000 neuen Lehrern für das neunstufig­e Gymnasium die Rede ist, versteht Wunderlich nicht.

Auch an den Realschule­n ist die Schülerzah­l in den vergangene­n Jahren leicht gestiegen. Etwa ein Drittel der Schüler macht die Mittlere Reife. Doch gerade auf dem Land ist die Furcht groß, dass das G9 Jugendlich­e von der Realschule weglocken wird. Jürgen Böhm, Vorsitzend­er des Realschull­ehrerverba­nds, bestätigt diese Angst zwar nicht. Doch er warnt vor der „Abwanderun­g bestausgeb­ildeter Lehrkräfte“. Seit Jahren gibt es viel mehr Junglehrer als genehmigte Stellen. Böhm fordert, jedes Jahr eine feste Zahl von ihnen einzustell­en, um die Qualität der Realschule zu halten. „Aber die Mittel sind in den vergangene­n Jahren meistens in andere Baustellen geflossen.“

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