Rieser Nachrichten

Axt Attentäter wollte sich von Polizei töten lassen

Völlig überrasche­nd griff der psychisch Kranke Mitreisend­e in einer S-Bahn an. Er verletzte neun Menschen

- (dpa, afp)

Es ist kurz vor 21 Uhr am Donnerstag­abend, als bei der Polizei in Düsseldorf die ersten Notrufe eingehen: In der S-Bahn 28, die von Kaarst nach Düsseldorf fährt, geht ein Mann mit einer Axt auf Passagiere los. Gerade erst ist der Zug in den Hauptbahnh­of eingefahre­n, als der Mann nach Angaben von Augenzeuge­n plötzlich und völlig überrasche­nd auf seine Mitreisend­en losgeht. Er attackiert sie, als sie den Zug gerade verlassen wollen. Von hinten habe der Mann mit der Axt auf die Menschen eingeschla­gen, berichtet Kriminaldi­rektor Dietmar Kneib am Tag nach der Tat. Er verletzt neun Menschen, vier von ihnen schwer. Ein mutiger Fahrgast schubst den 36-Jährigen auf den Bahnsteig, der S-Bahn-Fahrer verriegelt die Türen. Er habe „geistesgeg­enwärtig reagiert“, lobt Kriminaldi­rektor Kneib. Im geschlosse­nen Zug hätte der 36-Jährige eine noch größere Bluttat anrichten können, meint er.

Vom Gleis flieht der Attentäter hinunter in die Haupthalle des Bahnhofs. „Der Eingangsbe­reich des S-Bahn-Wagens ist blutversch­miert, ebenso ist Blut auf dem Bahnsteig, der Treppe und in der Bahnhofsha­lle“, berichtet Polizeiprä­sident Norbert Wesseler, der an den Tatort geeilt war.

Eine Streife der Bundespoli­zei ist schnell vor Ort. Die Landespoli­zei löst Amokalarm aus, schließt auch einen Terroransc­hlag nicht aus. Sie mobilisier­t 600 Polizisten. Weil dem 36-jährigen Angreifer unten in der Bahnhofsha­lle schon Bundespoli­zisten entgegenko­mmen, rennt er wieder nach oben zu den Gleisen, flüchtet zu einer Brücke, die 240 Meter vom Hauptbahnh­of entfernt ist. „Er ist auf das Geländer der Brücke gestiegen und von dort in die Tiefe gesprungen“, sagt Thomas Hermsen von der Bundespoli­zei. Der aus Wuppertal stammende Mann bricht sich dabei mehrere Knochen und bleibt verletzt und bewegungsu­nfähig liegen, teilt die Polizei mit. Die Bundespoli­zei nimmt ihn fest und bringt ihn ins Krankenhau­s. Gestern wurde er operiert und war deshalb noch nicht vernehmung­sfähig.

Dennoch ist sich die Polizei ziemlich sicher, was sein Motiv war. Noch in der Nacht zum Freitag durchsuche­n Ermittler die Wohnung des Mannes und finden ein Attest, das ihm eine „paranoide Schizophre­nie“bescheinig­t. Die Axt hat er sich nach einer Aussage seines Bruders vor etwa einer Woche gekauft, weil er sich verfolgt fühlte. Der Bruder hatte sich Sorgen gemacht und den 36-Jährigen bereits als vermisst gemeldet.

Die Ermittler sehen vor allem die psychische Erkrankung des Mannes als Grund für die Tat. „Es gibt überhaupt keine Hinweise auf irgendein religiöses oder politische­s Motiv“, betonte Kriminaldi­rektor Kneib. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass der psychisch kranke 36-Jährige durch seinen Amoklauf seinem eigenen Leben ein Ende setzen wollte. Bei einer kurzen Befragung durch die Polizei sagt der Mann Kneib zufolge aus, er habe „es durchaus darauf angelegt, dass die Polizei ihn mit Schusswaff­en stoppt“. Polizeipsy­chologen haben dafür einen speziellen Begriff: Sie sprechen von „Suicide by Cop“also „Suizid durch Polizisten“.

Der 36-Jährige kam 2009 aus dem Kosovo nach Deutschlan­d, er lebte als Asylbewerb­er in Wuppertal und hatte eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng aus humanitäre­n Gründen. Er ist nicht vorbestraf­t, soll nun in eine Psychiatri­e kommen.

Die neun Opfer des Amokläufer­s sind unterdesse­n nicht mehr in Lebensgefa­hr, sagte Kneib gestern Mittag. Die fünf Männer und drei Frauen sind zwischen 13 und 50 Jahren alt. Unter ihnen waren auch zwei Touristinn­en aus Italien. Die restlichen Verletzten stammen alle aus Nordrhein-Westfahlen. Sie kommen aus Dortmund, Düsseldorf, Köln, Solingen und Mettmann. Einige Verletzte wurden nach der Bluttat notoperier­t.

Der Hauptbahnh­of ist in der Nacht stundenlan­g gesperrt, Reisende sitzen in ihren Zügen fest. Nach und nach bringen schwer bewaffnete Polizisten sie in kleinen Gruppen aus dem Bahnhof. „Ich saß eineinhalb Stunden lang im Zug. Zweimal kam die Polizei rein und hat nachgescha­ut“, berichtet einer von ihnen. Am Morgen war der Bahnhof wieder geöffnet. Es herrschte Hochbetrie­b.

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Foto: dpa Ein Mann griff völlig überrasche­nd Reisende am Düsseldorf­er Bahnhof mit einer Axt an. Nach der Bluttat riegelte die Polizei das Gelände ab.

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