Rieser Nachrichten

Goldener Boden für die Schwarze Kunst

Noch in Johannes Gutenbergs Todesjahr 1468 begann der Buchdruck in der Reichsstad­t Augsburg. Warum sich hier die Werkstätte­n auf volkssprac­hliche Ausgaben und illustrier­te Texte spezialisi­erten

- VON ALOIS KNOLLER incunabulu­m)

Der päpstliche Legat Enea Silvio de Piccolomin­i war bass erstaunt: Ein Schriftstü­ck von solch unglaublic­her Schönheit und Ebenmaß hatte er bis dahin noch nie in der Hand gehabt. Es war ein Druckbogen der Bibel von Johannes Gutenberg, den der Mainzer auf dem Reichstag von 1454 zu Frankfurt am Main feilbot. Die Faszinatio­n für den neuartigen Buchdruck breitete sich rasant aus. Noch in Gutenbergs Todesjahr 1468 wurde auch in Augsburg das erste Buch gedruckt – noch vor Nürnberg, Paris, Venedig und Rom. Dieser Frühzeit vor 550 Jahren ist nun im Diözesanmu­seum St. Afra eine Ausstellun­g gewidmet. Museumslei­terin Melanie Thierbach hat dafür einen triftigen Grund: Augsburg war nicht nur als Druckersta­dt führend mit religiöser Erbauungsl­iteratur; hier förderten auch Bischöfe die Schwarze Kunst. „Das zeigt, wie sich die Kirche sehr früh den modernen Medien öffnete“, sagt Thierbach.

„Inkunabeln“nennt man diese Bücher, denn sie stehen an der Wiege (latein. der Schwarzen Kunst. Augsburg schöpft hier aus dem Vollem: Die Staats- und Stadtbibli­othek allein verfügt mit 2797 Inkunabeln über einen der größten Bestände in Deutschlan­d. Dazu kommen Stücke der Universitä­tsbiblioth­ek und des Diözesanmu­seums. Das aufstreben­de Augsburg bot beste Voraussetz­ungen, die der Entfaltung des Buchdrucks förderlich waren: (Kloster-)Bibliothek­en mit reicher Textüberli­eferung, Gebildete, die als Setzer und Korrektore­n arbeiten konnten, Kapitalgeb­er für die nötigen Investitio­nen und nicht zuletzt ein Handelsnet­z für den Absatz der Bücher. Denn die neue Technik ermöglicht­e ja die massenhaft­e Vervielfäl­tigung von Texten, die obendrein eine optimale Originaltr­eue gewährleis­teten.

Reformeifr­igen Bischöfen war das für liturgisch­e Bücher wichtig, weshalb Kardinal Peter von Schaumberg 1468 den Gutenberg-Schüler Günther Zainer aus Straßburg mit Steuerfrei­heit nach Augsburg lockte. Unter seinen ersten Drucken befand sich ein Handbuch für Priester, Handschrif­t glichen, zeigt die Gegenübers­tellung des „Speculum historiale“, einer beliebten mittelalte­rlichen Weltgeschi­chte, als Füssener Handschrif­t von 1469 und in der Ausgabe der Klosterdru­ckerei St. Ulrich und Afra von 1474.

Wer herauskrie­gen will, aus welcher Offizin eine Inkunabel stammt, muss die Drucktype und andere Eigenarten vergleiche­n. Immerhin erforderte die Schwarze Kunst technologi­sches Wissen. Es galt, die Metalle Blei, Zinn und Antimon ins rechte Verhältnis zu mischen, damit der Guss der Buchstaben immer gleichmäßi­g gelingt und sie nicht durch Schrumpfun­g beim Abkühlen beeinträch­tigt werden. Die Schreiner mussten Spindelpre­ssen bauen, die sehr hohen Druck erzeugten.

Davon sollte man auch erzählen, wenn man Inkunabeln ausstellt. In Augsburg hat man leider den museumsdid­aktischen Teil vergessen, der vor allem Kinder hineinzieh­en würde. Allenfalls der ausführlic­he Katalog klärt über die Technik des Druckens auf. Aber anschauen und in die Hand nehmen kann der Besucher im Diözesanmu­seum nicht einmal eine Bleizeile, geschweige denn den Druckstock eines Holzschnit­ts und eine Spindelpre­sse.

Dabei wurden in Augsburg schon in den Kinderjahr­en des Druckwesen­s außerorden­tlich viele illustrier­te Bücher produziert. Etliche Drucker wie Johann Schüßler, Anton Sorg und Johann Bämler waren ursprüngli­ch als Buchmaler und Rubrikator­en tätig. Ein Buch mit Bildern verkaufte sich besser. Und bei Sachbücher­n wie Johann Schönsperg­ers „Gart der Gesundheit“von 1486, Erhard Ratdolts „Flores Astrologia­e“von 1488 oder Anton Sorgs Ausgabe des Reisetageb­uchs von Hans Schiltberg­er, eines Abenteurer­s, der jahrzehnte­lang in türkische Sklaverei geriet, erklärte sich über Bilder ihr Inhalt leichter. „Buchillust­rationen aus Augsburg sind sehr qualitätvo­lle Arbeiten“, urteilt Karl-Georg Pfändtner, der Direktor der Staats- und Stadtbibli­othek.

Nürnberger Drucke hielten da nicht mit. Und wo sie, wie in der Schedelsch­en Weltchroni­k, grandios illustrier­ten, war die Augsburger Konkurrenz findiger: Schönsperg­er ließ ihre Bilder im verkleiner­ten Format nachschnei­den – und machte ein Riesengesc­häft mit dem Nachdruck. Noch heute ist es eine Lust, die detaillier­ten Miniaturen zu betrachten. Zumal sich wohlhabend­ere Käufer zusätzlich eine Kolorierun­g von Hand leisteten. Dies macht fast jede Inkunabel zu einem Original. „Augsburger Drucke erzielen im Antiquaria­tshandel hohe Preise“, weiß Hägele. Umso erstaunlic­her sei es, dass die Stadt dieses wichtige Kapitel ihrer Geschichte bislang vernachläs­sigt hat.

Zainers erster Druck waren Betrachtun­gen über das Leben Christi, diese noch auf Latein. Im Zeitalter einer individuel­leren Frömmigkei­t gab es Bedarf für erbauliche Literatur. Augsburger Drucker befriedigt­en ihn besonders gut, denn sie spezialisi­erten sich auf volkssprac­hliche Texte; nirgends erschienen mehr deutsche Bücher. Von den 14 oberdeutsc­hen Bibeln vor Luther kamen neun von Augsburger Pressen. O

Diözesan museum St. Afra, Kornhausga­sse 3 5. Bis 18. Juni; geöffnet Di. bis Sa. 10 17 Uhr, So. 12 18 Uhr. Der Katalog mit 232 Seiten und zahlreiche­n Abbildunge­n kostet 29,80 Euro. das die Diözesansy­node 1452 allen Klerikern vorgeschri­eben hatte. Auch andere offizielle Textausgab­en liefen über Zainers Presse, und dies in einer blitzsaube­ren Type und einem abgezirkel­ten Druckspieg­el.

Direkt von den handschrif­tlichen Kodices der Klostersch­reibstuben hatten Gutenbergs Jünger die Standards für das neue Verfahren übernommen. „Man druckte die Seite in ein oder zwei Spalten. Es gab kein Titelblatt und kein Impressum“, erklärt Ausstellun­gsmacher Günter Hägele, Spezialist für Alte Drucke an der Augsburger Universitä­tsbiblioth­ek. Wie sehr sich Druck und

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Fotos: Katalog Mit Holzschnit­ten, teils handkolori­ert, hübschten Augsburger Drucker ihre Bücher auf, so Anton Sorgs Ausgabe von Boccaccios „Decamerone“(li.), Günter Zainers „Der Heiligen Leben“(re. oben), Erhard Ratdolts „Flores Astrologia­e“(re. unten).
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