Sind zusätzliche Vitamine überflüssig?
Nahrungsergänzungsmittel sind keine Medizin, trotzdem konsumieren viele Menschen sie. Zwei Nördlingerinnen haben unterschiedliche Meinungen zu dem Thema
Vitamin D ist den meisten Eltern ein Begriff, denn ein Mangel führt bei Kindern zu Rachitis. Das Wachstum der Knochen ist gestört. In den vergangenen Jahren sind die Grenzwerte erhöht worden. Die Folge ist, dass mehr Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D erhältlich sind. Im Internet werden sogar Bluttests angeboten. Die Preise liegen zwischen 29 und 40 Euro. Beim Hausarzt kosten sie ungefähr 25 Euro. Der Patient muss sie aber selber zahlen.
Die Nördlinger Allgemeinmedizinerin Dr. Claudia Völkl hat dazu eine klare Meinung: „Das mit dem Vitamin D ist eine Modererscheinung.“Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt sie, dass Sonnenlicht völlig ausreichen würde. Überhaupt sieht sie das ganze Thema Nahrungsergänzungsmittel kritisch. In erster Linie seien diese Pillen und Pulver keine Medizin. Im Gegenteil, viele Menschen würden es damit übertreiben. „Die Leute haben einen unstillbaren Kontrollzwang. Sie meinen, wenn sie solche Mittel nehmen, würden sie Krankheiten vorbeugen. Dem ist nicht so“, betont Völkl. Eine ausgewogene Ernährung decke alle Bedürfnisse ab. „Der Mensch ist extrem anpassungsfähig“, sagt sie. Selbst an geringe Mangelerscheinungen könne sich der Körper gewöhnen. Sie selbst nehme keine Nahrungsergänzungsmittel und hält sie auch für überflüssig. „Diese Mittel nehmen überhand“, sagt sie. Vieles sei nicht erwiesen. Auch seien einige Vitamine in großer Menge auf Dauer krebserregend.
Eine andere Meinung vertritt Astrid Grunert vom Reformhaus Nördlingen. „Es ist ein Trauerspiel. Die Menschen ernähren sich zu unausgewogen“, sagt sie. Viele Kohlenhydrate, viele Fette. Es würden zu viele billige Nahrungsmittel mit schlechter Qualität gegessen, die kaum Spurenelemente oder Mineralstoffe enthalten. Fertigprodukte mit modifizierter Stärke seien ein Grund, warum Menschen zunehmen. Grunert stimmt der Ärztin in dem Punkt zu, dass der Mensch anpassungsfähig sei. Aber irgendwann brauche der Körper bestimmte Vitamine oder Eiweiße, meint sie. Sonst drohen Haarausfall oder Gefäßprobleme. „Fettlösliche Vitamine können sich zwar in der Leber anlagern“, ergänzt Grunert. Trotzdem seien bestimmte Mittel hilfreich.
Was ist mit älteren Menschen oder Menschen, die sich gezielt einseitig ernähren? Veganer sind beispielsweise betroffen. Claudia Völkl rät, zweimal im Jahr das Blut untersuchen zu lassen, um mögliche Mangelerscheinungen zu erkennen. Ältere Menschen, die zum Beispiel bettlägerig sind, fehle eventuell Sonnenlicht. Das sieht Grunert ähnlich, relativiert aber, dass auch gesunde, jüngere Menschen zu wenig Sonnenstrahlen abkriegen. „Leute arbeiten in Büroräumen“, sagt sie. Es drohe Vitamin D-Mangel. Ein weiterer Sonderfall seien Sportler. Ihr Energiebedarf könne über eine normale Ernährung möglicherweise nicht garantiert werden, so Grunert. Sportriegel mit Kohlehydraten, wichtige Fett- und Aminosäuren könnten Mangelerscheinungen vorbeugen. In einem Punkt sind sich Claudia Völkl und Astrid Grunert einig. Eine ausgewogene Ernährung mit hochwertigen Ölen sei für jeden Menschen das Richtige.