Rieser Nachrichten

Von Freddy Quinn bis Caterina Valente

Willi Sommerwerk stammt aus Oettingen. Viele Jahre trat er als Liedermach­er in und um München auf. Jetzt kam er in die Heimatstad­t zurück und begeistert­e mit Hits aus den ersten Nachkriegs­jahrzehnte­n

- VON ERNST MAYER

„Schön so schön, schön war die Zeit“: Damit endet ein nostalgisc­her Musikabend in dem in schummrige­s Licht getauchten Kinosaal mit Freddy Quinns Schlager des Jahres 1955, zelebriert im gemeinscha­ftlichen Publikums-Gesang. Keinem im Saal muss man erklären, wer diese deutsche Schlagerle­gende ist, die die heimischen Charts mit Jahrhunder­thits wie „La Paloma“jahrzehnte­lang beherrscht­e. Natürlich stand nicht Freddy selbst auf der Bühne des Oettinger Kinos in der Goldenen Gans, sondern Willi Sommerwerk, der mit diesem Konzert an seine Wurzeln im heimatlich­en Oettingen erinnert und Freddys Singweise entspreche­nd parodiert.

Dies ist der geeignete Ort, um mit Schlagern der Nachkriegs­zeit die Jahre zwischen 1951 und 1968 wieder lebendig werden zu lassen, an den breiten Kinositzen, an langen Tischen, in denen noch die Aschenbech­er an die alten Kinovorste­llungen im Zigaretten­rauch erinnern, legendär für die Oettinger, die sich heute mit ihren jugendlich­en Erinnerung­en wie in alten Zeiten niedergela­ssen haben. Nostalgisc­h auch die Ausstattun­g des Saals mit den sich erwartungs­voll dimmenden Lampen an den rau verputzten Wänden des die Zeiten original überlebten Cinemas. Darin erleben sie im inzwischen gesetzten Alter bei Sommerwerk­s Performanc­e in den Schlagern der jeweiligen Zeit eindrucksv­oll, wie Deutschlan­d nach dem Krieg langsam wieder in ein normales Leben zurückfind­et und als Demokratie „erwachsen wird“, und wie auch Oettingen als Opfer des Bombenkrie­gs diesen Schock der letzten Kriegsjahr­e überwindet.

1949 entstehen die ersten 22 Arbeitsplä­tze in einer Thermomete­rfabrik und 1954 finden bereits über tausend Menschen wieder Arbeit, in dem Jahr, als Deutschlan­d Fußballwel­tmeister wird und sich die Oettinger an den Schaufenst­ern der Elektroges­chäfte die Nasen platt drücken, um hinter deren Scheiben auf den Fernsehern die Spiele oder auch Robert Lembkes „Was bin ich?“zu erleben. Das „Wirtschaft­swunder“erfasst auch diese Stadt, wozu Sommerwerk auch eigene Erlebnisse aus seiner Oettinger Jugendzeit beisteuert, die Geschichte­n von Simons Milchwagen, vom dicken „Kommissar Sager“, der den Fußball der Buben aus den Klauen des Schlosshau­smeisters befreit oder von der „Hochkonjun­ktur“der Tanzbands im Café Plank, das vom ganzen Ries aus angesteuer­t wird.

Dort spielen die Hits aus der Zeit der BRD- und DDR-Gründung, der Adenauer- und Erhard-Zeit, des Stalin-Todes und des Berliner Aufstands, der Bundeswehr-Gründung, des ersten Sputniks, der ersten Gastarbeit­er aus Italien mit Spaghetti und Pizza und ihrer erstmalige­n Beteiligun­g am Oettinger Wasserfest 1964, des Mauerbaus und Mondflugs und Lieder aus der Zeit des Kalten Kriegs, auch die Einweihung der größten Kirchenorg­el der Welt aus Oettingen im Passauer Dom – und begleiten Deutschlan­ds Rückkehr in die Staatengem­einschaft.

Am Beginn der Musikunter­haltung nach 1945 steht Rudi Schurike 1950 mit dem Dauerhit „Wenn bei Capri die rote Sonne“, gefolgt von Rita Paul 1951 mit „Spiel mir eine alte Melodie“und Harald Wendland, dem großen Star der 50er Jahre, 1952 mit „Jambalayo“und 1953 René Carol mit „Rote Rosen, rote Lippen“.

Chive und Rock ’n’ Roll begeistern die Jugend

Dem folgt im Jahr 1954, in dem die Löschung der Bezeichnun­g „Fräulein“noch offiziell abgelehnt wurde, der Siegeszug der amerikanis­chen und englischen Pop-Kultur in Deutschlan­d, als Elvis Presley mit „Love me tender“als Soldat nach Deutschlan­d kommt. Chive und Rock ’n’ Roll begeistern die tanzende Jugend, als die Beatles 1960 ihre Erfolgsjah­re in Hamburgs „StarClub“beginnen. Doch auch die deutsch-sprachigen Schlager werden noch in die „Wunschkonz­erte“gewählt: Caterina Valente (Spiel noch einmal für mich, Habanero) mit ihrem Bruder Silvio Francesco, Vico Torriani (Siebenmal in der Woche), die Dänen Jan und Kjeld (Mary Lou, sieh mal an), Cliff Richard (Ich sah ein schönes Fräulein im letzten Autobus), Drafi Deutscher mit dem Ewigkeitsh­it „Marmor, Stein und Eisen bricht“. Schließlic­h bilden die Beatles (Hey Jude) und Simon Garfunkel (Mrs. Robinson) die ausgesproc­henen Höhepunkte in Willi Sommerwerk­s Programm.

Daran schließen sich als filmische Zugabe noch die Wochenscha­u-Filme mit Szenen der Ereignisse derselben Jahre, die die Kinobesitz­er Hertle vorführen.

 ?? Foto: Ernst Mayer ?? Willi Sommerwerk, der viele Jahre als Liedermach­er in und um München herum auf getreten war, kam mit seiner neuen Gitarre zum Auftritt in seine Heimatstad­t Oettin gen. Sein Programm mit den Hits der ersten beiden Nachkriegs­jahrzehnte passte in das...
Foto: Ernst Mayer Willi Sommerwerk, der viele Jahre als Liedermach­er in und um München herum auf getreten war, kam mit seiner neuen Gitarre zum Auftritt in seine Heimatstad­t Oettin gen. Sein Programm mit den Hits der ersten beiden Nachkriegs­jahrzehnte passte in das...

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