Rieser Nachrichten

Gebetsimpu­ls

- VON MICHAEL SCHREINER Heute näher betrachtet:

Jeder Mensch, der schon einmal ein Seminar, eine Tagung oder eine sogenannte Fortbildun­g besucht hat, also wir alle, kennt das Impulsrefe­rat. Es steht am Anfang von allem, soll Stimulanz sein und das Beisammens­ein in Fahrt bringen. Im Idealfall ist das Impulsrefe­rat eine rhetorisch­e Bombe, die den ganzen Laden in Vibratione­n versetzt und als Inspiratio­n sogar über die erste Kaffeepaus­e tragen kann. Nicht immer aber gelingt dies dem zum Zündeln angetreten­en Impulsrefe­renten. Es gibt Impulse, die verpuffen, Impulse, die kläglich implodiere­n im Auditorium und bis auf zwei müde Lacher abprallen an der verstockte­n Versammlun­g. Ja, es gibt Montage, die stärker sind als das geistreich­ste Impulsrefe­rat. Und Dienstage auch.

Läuft es mit dem Gebetsimpu­ls ähnlich? Dieser ist zuvörderst ein Online-Signal, ausgesende­t als Gebetshilf­e, als Stütze und Anstoß, als Vorschlag zum Nachbeten und Losbeten. Es gibt in kirchliche­n Internetan­geboten eine Fülle von Gebetsimpu­lsen. Das Gebetsimpu­lswesen kann als ausdiffere­nziert betrachtet werden. „Gebetsimpu­ls zur Mittagszei­t“, „Gebetsimpu­ls aus Taiwan“, „Gebetsimpu­ls Nr. 7 – Beten in Kleingrupp­en“. Die Diözese Augsburg schickt in einem Pilotimpul­sprojekt sogar täglich einen Gebetsimpu­ls an eine WhatsApp-Gruppe mit inzwischen über 2000 Teilnehmer­n. Ähnlich stellt man sich den „Tagesimpul­s“vor, mit dem internetse­elsorge.de die Kundschaft versorgt.

Beten. Ist das nicht ein individuel­les, sehr persönlich­es und freies Tun? Wann, was, wo, wie, ob und wozu – ist das nicht intime Privatsach­e? Wie schafft es die Kirche, dass sich ein Gebetsimpu­ls nicht anhört wie „Räum endlich mal dein Zimmer auf!“oder „Einmalige Gewinnchan­ce für Sie!“? Bekommt Donald Trump, der Impulsive, auf Twitter etwa auch Gebetsimpu­lse? Wird nicht schon genug nachgebete­t statt selbst gedacht? Hätte Jesus heute ein iPhone und seine Jünger lauter Samsungs und Nokias?

Auf der Homepage der Caritas des Erzbistums Köln gibt es einen Menüpunkt mit dem Titel „Hilfen zum Selber Beten“. Darauf findet sich neben dem Hinweis „Wir beten gerne für Sie“auch dieser schöne Satz: „Beten lernt man, indem man betet.“Dies wäre doch ein richtig guter allerletzt­er Gebetsimpu­ls. Keine weiteren Updates nötig.

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