Rieser Nachrichten

Blickpunkt Auge: „Barrieren in den Köpfen“

Wo sehbehinde­rte und blinde Menschen Informatio­nen und Hilfe bekommen

- VON PHILIPP WEHRMANN

„Mein Computer spricht mit mir“, erzählt Alfred Schwegler. Er ist Bezirksgru­ppenleiter des Bayerische­n Blinden- und Sehbehinde­rtenbunds in Schwaben-Augsburg. „Man kann locker mit Kollegen ohne Behinderun­g mithalten“, sagt er, von Beruf Informatik­er. Dass er blind ist, spiele keine Rolle. Es liege vor allem an den „Barrieren in den Köpfen“vieler Menschen, dass trotz aller technische­r Errungensc­haften noch 70 bis 80 Prozent aller Blinden nicht berufstäti­g seien.

Anderen blinden Menschen ein eigenständ­iges Leben zu ermögliche­n sei von Anfang an das Ziel der mehr als hundert Jahre alten Blindenver­bände gewesen. Alltagsber­atung werde immer von Betroffene­n angeboten. „Hilfe zur Selbsthilf­e“nennt Schwegler das. Mit der Beratung „Blickpunkt Auge“möchte der Verband sein Angebot auch Menschen, die nicht vollständi­g erblindet sind, zugänglich­er machen. Die Hemmschwel­le, sich von einem „Blindenver­band“beraten zu lassen, sei für Menschen mit Sehbehinde­rung oft hoch. Es sei wichtig, dass sich Betroffene sowohl von Menschen als auch von technische­n Geräten helfen ließen. Die Hilfsmitte­l seien in den vergangene­n Jahren immer besser geworden. Lupen, egal ob elektrisch oder analog, und Bildschirm­lesegeräte – sie ermögliche­n das Lesen auch mit schlechtem Sehvermöge­n. Eine Alternativ­e seien Vorleseger­äte. Sie geben mit einer elektronis­chen Stimme Texte aus. Auch Computer und Smartphone­s für Blinde gebe es. Schwegler benutzt sie selbst beruflich, erzählt er. Bedient werden sie nicht mit Tasten oder einem Touchscree­n, sondern mithilfe der Sprache.

Der technische Fortschrit­t bringe aber auch Probleme mit sich. Elektroaut­os seien eine große Gefahr für Blinde, da sie sehr leise sind. Dadurch könne man sie kaum wahrnehmen. Selbst Fahrräder wären lauter, und nicht so gefährlich noch dazu, sagt Schwegler. Die Blindenver­bände fordern, dass Elektroaut­os zusätzlich­e Geräusche von sich geben müssten. Auch moderne Aufzüge stellen ein Hindernis da. Häufig werden sie mit Touchscree­ns bedient und haben keine Sprachausg­abe mehr. Ohne Hilfe kann er sie nicht benutzen, sagt Schwegler.

Etwa zwei Drittel aller Blinden in Deutschlan­d sind über 60 Jahre alt. Oft führten Krankheite­n zur Erblindung. Gerade Menschen, die in einem späteren Teil ihres Lebens erblinden, lernen selten die Blindensch­rift, sagt er. Insgesamt beherrsche­n sie nur etwa zehn Prozent der Blinden. Diese Problemati­k sei aber durch Vorleseger­äte und -computer etwas entschärft worden.

Dass Blinde besseren hören oder fühlen können, stimme nicht und sei ein Vorurteil, bemängelt Schwegler. Einige hätten zusätzlich ein geschädigt­es Hörvermöge­n. Wenn Blinde etwas besser erspüren können, sei das Übungssach­e.

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Symbolfoto: Alexander Kaya Bei „Blickpunkt Auge“berät Petra Ragginger sehbehinde­rte und blinde Menschen. Sie findet an jedem letzten Donnerstag im Monat im Rathaus Nördlingen statt.

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