Trauer bewältigen, Umgang mit Verlusten „Trauernde müssen beim Verlust eines geliebten Menschen vier Phasen durchlaufen“Trauerbegleiterin Gisela Smith: „So finden Betroffene wieder zu seelischem Gleichgewicht“
In unserer Gesellschaft sind die Themen Sterben und Tod weitgehend aus dem Alltag verbannt. Wir tun alles, um uns nicht damit befassen zu müssen, da uns Verluste Angst machen. Dennoch wird jeder von uns im Laufe seines Lebens irgendwann einmal mit dem Tod eines Angehörigen oder Freundes konfrontiert. Gefühle, die wir bisher nie oder nie in dieser Stärke erlebt haben, bestimmen den Alltag. Gisela Smith aus Nördlingen ist Trauerbegleiterin bei der Hospizgruppe Donau-Ries. Sie weiß, wie Betroffene wieder zu seelischem Gleichgewicht finden können. Was bedeutet Abschied nehmen?
Gisela Smith: Abschied von einem Verstorbenen zu nehmen bedeutet, dass man den Tod annehmen muss. Abschied ist das Bewusstmachen der Trennung von Liebgewonnenem (z.B. Menschen wie Eltern, dem Partner, einem Kind) oder Gewohntem.
Wie kann man die Trauer verarbeiten?
Smith: Mit Hilfe von Ritualen ist es möglich, den Verlust zu verkraften. Helfen kann beispielsweise ein Trauerjahr, das Tragen von schwarzer/dunkler Kleidung, Zurückgezogenheit und Friedhofsbesuche. Durch Gespräche mit der Familie und Freunden können Betroffene wieder Lebensmut gewinnen und den Blick nach vorn richten. Bei professionellen Trauerbegleitern kann man lernen mit Trauer umzugehen und loszulassen. Es können jedoch Monate vergehen, bis man allmählich Abschied nehmen kann. Wie kann man Abschied nehmen?
Smith: Je nach Örtlichkeit – das kann im Krankenhaus, im Altenheim oder zuhause sein – im stillen Gespräch mit dem Verstorbenen. Die kirchliche Aussegnung und der Besuch der Bestattung kann der erste große Schritt sein Abschied zu nehmen. Ein Abschiedsbrief mit Gedanken an den Verstorbenen kann bei der Verarbeitung ebenso helfen. Mit wem kann ich in der Trauer reden?
Smith: Der erste Schritt, um Hilfe bei der Abschiednahme zu erhalten, ist mit Freunden und Angehörigen zu sprechen. Vertraute Personen können gute Gesprächspartner sein, die den Schmerz verstehen oder teilen. Es gibt aber auch Angebote von Selbsthilfegruppen, wie feste Trauergruppen, offener Trauertreff, TrauerWandern, Einzelgespräche von kirchlichen Einrichtungen und örtlichen Pfarreien, Bestattungsinstituten, Hospizvereinen oder Psychotherapeuten. Letztere geben bei besonders erschwerter Trauer und Suizidgedanken professionelle Hilfe. Welche Phasen der Trauerbewältigung gibt es? Smith: Es gibt vier Trauerphasen nach Verena Kast (Psychotherapeutin in der Schweiz). Die erste Phase ist das nicht wahrhaben wollen, also das Gefühl der Betäubung, der Unwirklichkeit, der Empfindungslosigkeit als Schutz vor Überwältigung. Die Zweite ist die Phase der aufbrechende Emotionen. Dann verspürt man den vollen Schmerz und die Verzweiflung, leidet unter Gefühlsschwankungen wie Wut, Angst, Schuldgefühlen und Ruhelosigkeit. Der Körper ist völlig aus dem Gleichgewicht. Dann geht es in die Phase des Suchens – Findens – und SichTrennens. So langsam beginnt man sich wieder nach außen zu orientieren, setzt sich mit dem Verstorbenen auseinander. Der verstorbene Mensch wird gesucht, natürlich in der Erinnerung, aber auch in Träumen und in Gesprächen mit anderen Menschen. In dieser dritten Phase des Trauerns wird die Erinnerung an den verstorbenen Menschen intensiviert, samt dessen, was in der Beziehung möglich war, und gleichzeitig darf der verstorbene Mensch sich auch entfernen. Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs ist die letzte Phase. Beziehungen können endlich sein, geliebte Menschen kann man verlieren, und dann muss man wieder trauern. Gelernt worden ist aber auch, dass Verluste betrauert werden können, dass Trauerarbeit harte Arbeit ist, aber dass sie einen nicht umbringt, sondern im Gegenteil auch in bewussteren Kontakt mit sich selbst und auch in Kontakt mit neuen Seiten von sich selbst bringt. Kann man irgendwann wieder Lebenskraft schöpfen?
Smith: Nach Durchleben obiger Phasen, die nie nach dem Schema streng verlaufen, kann man wieder Lebensmut bzw. -kraft schöpfen und bestenfalls mit Energie in neue Aufgaben und Beziehungen investieren. dil