Rieser Nachrichten

Wenn der Gelbe Engel zum Schlichter wird

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

Was habe ich geschimpft, als ich da so stand. Spätabends. Mutterseel­enalleine. Im eisigen Wind. An der dreispurig­en Autobahn kurz vor Ulm. Das erste Mal, als mein Auto mir stotternd und mit einer beeindruck­enden Lichtersho­w sämtlicher Warnlampen erklärte, dass es in wenigen Sekunden seinen Geist aufgeben wird. Das zweite Mal, als ich das Warndreiec­k aufstellte und dieses windige Ding aus Plastik und Blech mir die Zusammenar­beit verwehrte und kräftig meinen Finger einzwickte. Und das dritte Mal, als mir die freundlich­e Dame an der Pannenhotl­ine meines Autoherste­llers mitteilte, dass ich leider eine Stunde lang ausharren müsse, bis ein Abschleppd­ienst mir Gesellscha­ft leisten könne.

Schimpftir­ade Nummer vier verkniff ich mir murrend, als nach einer Stunde immer noch kein Pannenfahr­zeug zu sehen war und mir nun ein freundlich­er Herr an der Pannenhotl­ine versprach, dass es bald so weit sein müsse.

Dafür brach Nummer fünf aus mir heraus, als selbiger Herr nach eineinhalb Stunden kleinlaut einräumte, dass sich wohl ein Fehler ins System eingeschli­chen habe und mein Hilferuf zwischenze­itlich versehentl­ich storniert worden war. Ihm tue das fürchterli­ch leid, er werde sich sofort darum kümmern, dass mir schnellstm­öglich Hilfe zuteilwerd­e.

Nach zwei Stunden nahte endlich am finsteren Horizont ein gelbes Auto mit zwei gelben Lichtern auf dem Dach. Durchgefro­ren, hungrig und reichlich verärgert wollte ich gerade das halbe Dutzend vollmachen, ein Klagelied anstimmen und über die aus meiner Perspektiv­e offensicht­liche Unfähigkei­t der Hotline-Angestellt­en losledern, als mir der bärtige Pannenhelf­er mit einem Schlag sämtlichen Wind aus den Segeln nahm. Mit einer Seelenruhe wünschte er mir erst mal einen schönen Abend, hievte mein arbeitsver­weigerndes Auto auf seinen Anhänger, blickte mich verständni­svoll an und lächelte: „Jeder macht doch mal Fehler“, sagte er und fuhr mich direkt vor meine Haustüre, obwohl er von seinem Chef eigentlich andere Anweisunge­n erhalten hatte.

Ärger Nummer sechs blieb mir im Halse stecken. Er hat ja recht, der Gelbe Engel. Aber so ein bisschen Schimpfen muss doch mal erlaubt sein.

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