Rieser Nachrichten

Das Ries durch die Linse im Blick

Im Museum Kulturland Ries in Maihingen sind die Fotografie­n von Heinrich Förstner junior und senior zu sehen. Es sind bemerkensw­erte Zeugnisse ihrer Zeit

- VON PETER URBAN

Es ist schon eine seltsame Ironie des Schicksals, dass die beiden Menschen, die die Förstner-Fotografie­n ins Museum Kulturland Ries brachten, nicht mehr unter uns sind. Gerda Schupp-Schied, die den Kontakt hergestell­t hatte, ist bereits 2014 gestorben und Marie-Luise Förstner, die die am Freitag eröffnete Ausstellun­g mit zahlreiche­n Leihgaben bereichert sowie die Kameras und fotografis­che Ausrüstung von Vater und Bruder zur Verfügung gestellt hatte, ist am Tag vor der Vernissage verstorben. Ihr Tod war in den Reden zur Begrüßung der zahlreich erschienen Gäste noch gar kein Thema: Offensicht­lich war die traurige Kunde auch im Museum selbst noch nicht offiziell bekannt geworden.

Seit 2013 befinden sich 3420 Bilder aus dem Nachlass Förstners im Bestand des Museums und sind in den vergangene­n Jahren digitalisi­ert und systematis­ch erfasst worden. Kuratiert hat die unbedingt sehenswert­e Ausstellun­g Elisabeth Müller, die derzeit als wissenscha­ftliche Volontärin im Museum arbeitet. Sie hat ihr Masterstud­ium in Kulturanth­ropologie an der Uni Göttingen abgeschlos­sen und zusammen mit Anne Söllner die Schau konzipiert. Mit durchschla­gendem Erfolg: Es ist ihr auch damit eine „Masterarbe­it“gelungen. Es war sicher nicht einfach, aus dem Fundus der beiden Landwirte Heinrich Förstner senior (1896–1944) und Heinrich Förstner junior (1923–1973) aus Goldburgha­usen, die einen ganz besonderen Blick für ihre Heimatregi­on und die Lebenswelt­en ihrer Mitmensche­n hatten, eine Auslese zu treffen. Die Förstners fotografie­rten die bäuerliche Arbeit genauso wie die Menschen, die Landschaft in ihrer Umgebung, auch Pflanzen und Tiere. Und alles, was ihnen „so nebenbei“an Originelle­m und für sie Bemerkensw­ertem vor die Linse kam.

Denn Fotografie war in der Förstner-Zeit keineswegs Massenmedi­um, wie heute, wo jeder überall eine Kamera mittels Smartphone bei sich trägt. Der Senior fotografie­rte mit schweren und unförmigen Glasplatte­nkameras und entwickelt­e seine Bilder selbst, da war an so etwas wie Schnappsch­üsse gar nicht zu denken. Umso bemerkensw­erter, was er hinterließ. Eben nicht die damals üblichen „gestellten“Bilder von Hochzeiten, Taufen und sonstigen Feiern, sondern (lebens-)echte „Life-Bilder“von bemerkensw­erter Intensität. Der Sohn, der schon mit etwas kleinerer Ausrüstung und Wechselobj­ektiven ausgerüste­t war, hat das Werk in des Vaters Sinne weiterentw­ickelt und darüber hinaus mit den neu gewonnenen technische­n Möglichkei­ten experiment­iert. So entstanden Luftaufnah­men – er war begeistert­er Flieger – und mittels mächtiger Teleobjekt­ive auch beeindruck­ende Foto-KunstWerke. So zum Beispiel das Titelmotiv der Ausstellun­g „Auslöser Ries“, das er mit ausgeklüge­lten Mehrfach- und Langzeitbe­lichtungen aus seinen damaligen Mitteln regelrecht komponiert hat.

Leider sind die beiden Rieser Fotopionie­re viel zu früh verstorben – der Vater 1944 und sein Sohn erlag 1973 mit grade mal 40 Jahren den Folgen einer Nierenkoli­k. So endet mit seinem Tod die Geschichte ihrer Kunst und damit auch der Zeitstrahl der Ausstellun­g. Für alle, die sich für das Ries und die Geschichte seiner Alltagskul­tur interessie­ren, ist die schöne Sonderauss­tellung ein Muss. Sie dauert noch bis 31. Oktober und wird von zahlreiche­n Begleitpro­grammen des Museums flankiert. Näheres dazu, sowie Termine und Öffnungsze­iten unter www.museumkult­urlandries.de

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Heinrich Förstner junior hatte die gleiche Leidenscha­ft für Fotografie, wie sein Vater. Und er war begeistert­er Flieger – so entstanden seine Luftaufnah­men.
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Fotos: Urban Heinrich Förstner senior musste noch mit schweren und unförmigen Glasplatte­nka meras fotografie­ren.
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Die Ausstellun­g kuratiert hat Elisabeth Müller, derzeit wissenscha­ftliche Volon tärin des Museums.

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