Vor 80 Jahren feierten sie Hebauf
Bissingen war auf dem besten Weg, ein bekannter Kurort zu werden. Das Kurhaus mit Fremdenzimmern und Badearzt hatte alles zu bieten. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg
80 Jahre ist es her, dass mit dem Kurhaus Auerquelle in Bissingen ein Gebäude errichtet wurde, das bis heute ein wenig von dem Gefühl einer längst vergangenen Zeit vermittelt. Damals galt Bissingen nicht nur als Zentralort des Kesseltales, sondern strebte in den Augen vieler Menschen einer Zukunft als Kurort entgegen. Dazu trugen neben der Auerquelle auch das Kurhaus Stegmühle, das 1935 eingeweihte Schwimmbad mit der ersten 50-Meter-Bahn im Landkreis Dillingen sowie eine ganze Reihe von Pensionen und Gaststätten bei. Das größte Projekt startete vor 80 Jahren: Das schon bestehende Badegebäude der Auerquelle sollte noch größer werden.
Begonnen hatte die Geschichte der Auerquelle schon 1906. Die Initiative hierzu erfolgte durch Apotheker Max Premauer. Nach positiven Gutachten und erfolgreichen Bohrungen in den Jahren 1908 und 1912 wurde eine „Juraquellen-Gesellschaft“gegründet und ein Brunnenhaus errichtet, das auch bereits zwei Badezellen für Gäste enthielt. 1923 verkaufte die Firma „Fürstlich Bissinger Mineralquellen in Bad Mergentheim“diesen Besitz an den Müller Johann Mayr von der Hohenburger Mühle und an Bäckermeister Anton Stegmüller aus Bissingen. Die beiden machten sich in den Aufbaujahren der Weimarer Republik, nach überstandener Inflation, daran, in unmittelbarer Nähe der Quelle einen Saal sowie drei Bäder zu bauen. 1930 wurde das Badehaus neu erstellt, eine Dampfheizung eingebaut, eine Wassertretanlage, ein Aufenthaltsraum und fünf Badekabinen erbaut.
Das „Radiumbad Auerquelle“, wie es sich damals nannte, konnte an Pfingsten 1931 in großem Rahmen das 25. Jubiläum feiern. Nachdem 1935 der Kurpark um die Auerquelle und das nicht weit entfernt liegende Schwimmbad eingeweiht worden waren, nahmen die beiden Besitzer der Auerquelle, Johann Mayr und Anton Stegmüller, ihr bis dato größtes Projekt in Angriff: Sie wollten das Kurgebäude um ein wesentliches Stück erweitern. Schon Anfang April 1937 wurde ein großes Hebauffest gefeiert, an dem auch Oberamtmann Dr. Spengler aus Dillingen und Bürgermeister Kapfer aus Bissingen teilnahmen. Bissingen werde „ein sehr gefälliges und zweckmäßig eingerichtetes Kurhaus erhalten, das sicher dazu beitragen wird, dem Badebetrieb einen neuen Aufschwung zu geben und noch mehr Erholungssuchende in die gastliche Marktgemeinde des Kesseltales zu führen“, schrieb hierzu die vom 10. April 1937.
Neben einer größeren Küche wurden unter anderem 25 Fremdenzimmer, eine große, überdachte Terrasse und eine große Badehalle mit zehn Badekabinen eingebaut. Heute kaum mehr vorstellbar ist, dass dieser Erweiterungsbau in lediglich 75 Arbeitstagen fertiggestellt wurde und das Kurhaus Auerquelle mit dem Badearzt Dr. Braun und dem Badeleiter Bruder Fridolin in der zweiten Junihälfte seine ersten Kurgäste dieser Saison begrüßen konnte.
Natürlich passte die Entwicklung der Auerquelle in diesen Jahren auch zum Zeitgeist, den die herrschenden Nationalsozialisten verbreiteten. Da- rauf weist auch die Rede von Oberamtmann Dr. Spengler hin, der anlässlich des Heimat- und Blumenfestes am 15. August 1937 die Auerquelle als „Gemeingut des gesamten deutschen Volkes“und Bissingen als ein „wahres Volksbad“bezeichnete.
Der Zweite Weltkrieg machte den Bestrebungen Bissingens auf dem Weg zum Heil- und Kurort ein jähes Ende. 1939 konnte der Ort immerhin noch 35000 Übernachtungen verbuchen. Nach dem Ende des Krieges und den Wiederaufbaujahren gab es zwar nochmals ein Neuaufleben des Kurbetriebes in den beiden Kurhäusern Auerquelle und Stegmühle, doch aus dem angestrebten Prädikat „Kurort“wurde nichts.
Dennoch erinnern in Bissingen heute noch nicht nur das Gebäude der Auerquelle, sondern auch mehrere Dienstleister im Gesundheitsbereich an jene Zeit, in der flanierende Kurgäste das Bild des Marktortes prägten.