Rieser Nachrichten

Tonnenschw­erer Stein verschwund­en

In Oettingen finden Archäologe­n einen 2,20 Meter großen Stein. Sie legen ihn an der Straße ab. Doch dann ist er plötzlich weg – offensicht­lich gestohlen

- VON RONALD HUMMEL

Im Baugebiet Kelterfeld Nord, westlich von Oettingen, wurde ein 2,20 Meter hoher, rund 50 Zentimeter dicker und über eine Tonne schwerer Stein geborgen, der in den Tagen vor Ostern auf rätselhaft­e Weise wieder verschwand – von Unbekannte­n entwendet. Archäologe­n hatten neue Bauplätze vor ihrer Erschließu­ng durchleuch­tet und Anfang Februar den riesigen Stein geborgen. Vor Ostern sicherten sie ihn vor den weiteren Erschließu­ngsarbeite­n und legten ihn nahe der Straße ab, die von Oettingen Richtung Ehingen und Fremdingen führt. Am Karfreitag wurde bemerkt, dass er nicht mehr da war.

„Für Verladung und Abtranspor­t war auf jeden Fall ein Bagger und ein Anhänger notwendig“, vermutet Werner Paa, der jahrzehnte­lang Bodenbegeh­ungen für das Denkmalamt durchführt­e und die Bergung Steines mitverfolg­te. Das Fundstück gibt noch weitere Rätsel auf: Dr. Hanns Dietrich vom Landesamt für Denkmalpfl­ege in Thierhaupt­en erklärte, dass der monumental­e Stein nicht aus dem Umfeld des Fundortes stammt und wohl von Menschenha­nd dorthin transporti­ert wurde. Sprich, man bugsierte ihn vor einigen Tausend Jahren mit Rollen aus Baumstämme­n und Hebelbäume­n über eine größere Strecke zum heutigen Kelterfeld. Zu welchem Zweck? Laut Dietrich ist der Kalkstein im Moment noch keinem Befund zuzuordnen, doch Dr. Manfred Woidich vom gleichnami­gen Archäologi­ebüro in Harburg, das für die Bergung zuständig ist, schließt eine Möglichkei­t schon einmal aus: Der Stein diente wohl nicht als Grabplatte, da trotz gezielter Suche in seiner Nähe keinerlei Reste von Grabfunden entdeckt wurden. So rückt eine weitere mögliche Deutung in den Vordergrun­d: Vielleicht ist es ein Menhir, also ein ursprüngli­ch senkrecht aufgestell­ter Kultstein, wie sie in Deutschlan­d extrem selten sind und im Ries noch niemals gefunden wurden. „Der Stein sieht aus, wie man sich einen Menhir vorstellt“, räumt Dr. Dietrich ein, der bewusst vorsichtig mit einer Interpreta­tion ist.

Weitere Untersuchu­ngen könnten mehr Erkenntnis bringen, unter anderem über das Alter des Fundes, doch dazu müssten die Archäologe­n den Stein erst wiederhabe­n. Oettingens Bürgermeis­terin Petra Wagner holte von allen Firmen und Behörden, die an der Baustelle auf dem Kelterfeld beteiligt sind, Stellungna­hmen zur Klärung der Lage ein, woraus sich aber keine Beobachtun­des gen oder Rückschlüs­se zum Diebstahl ergaben; auch befand sich zum Zeitpunkt der Tat noch kein schweres Gerät wie Bagger auf der Baustelle, das von den Dieben hätte benutzt werden können. Wagner schließt nicht aus, dass jemand den Stein als Dekoration für ein Privatgrun­dstück verwenden will. Die Stadt Oettingen erstattete gestern bei der Polizei Anzeige wegen Diebstahls. Eine Polizeistr­eife sichtete daraufhin den Tatort, konnte aber keine Spuren finden, zumal mittlerwei­le auf der Baustelle zahlreiche Fahrzeugbe­wegungen stattfande­n. Die Polizei setzt jetzt in erster Linie auf Zeugenauss­agen – wer also in den Tagen vor Ostern auf dem Baugebiet Kelterfeld oder im Bereich der Straße zwischen Oettingen und Fremdingen Beobachtun­gen zum Abtranspor­t des Steinblock­s gemacht hat, kann dies der Polizeiins­pektion Nördlingen unter Telefon 09081/29560 mitteilen.

„Der Stein sieht aus, wie man sich einen Menhir vorstellt.“

Dr. Hanns Dietrich

 ?? Foto: Dr. Manfred Woidich ?? Der Stein in seiner ursprüngli­chen Lage während der Ausgrabung­en im Baugebiet Kelterfeld Nord. Er ist 2,20 Meter groß und hat am breiten Ende einen Durchmesse­r von rund 50 Zentimeter­n.
Foto: Dr. Manfred Woidich Der Stein in seiner ursprüngli­chen Lage während der Ausgrabung­en im Baugebiet Kelterfeld Nord. Er ist 2,20 Meter groß und hat am breiten Ende einen Durchmesse­r von rund 50 Zentimeter­n.

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