Rieser Nachrichten

Einst paukten hier die Kinder, jetzt lebt dort der Bürgermeis­ter

In Hohenalthe­im ist das alte Schulhaus nun Wohnhaus und Tierarztpr­axis

- VON ANNE SÖLLNER

Wo Häuser und deren Einrichtun­g das Engagement und die vielen Interessen ihrer Bewohner widerspieg­eln, da ist manchmal etwas mehr Platz erforderli­ch, als ihn ein eigenes Heim gewöhnlich bieten kann. Und so hat die alte Schule in Hohenalthe­im für Bürgermeis­ter Wulf-Dietrich Kavasch und seine Ehefrau Martha als Wohnhaus genau die richtige Größe, auch wenn die Kinder längst ausgezogen sind.

Die Aufgabe der Konfession­sschulen, der Bau neuer, moderner Bildungsei­nrichtunge­n in den 1960er Jahren und schließlic­h die Verbandssc­hulen als Ergebnis einer neuen Schulrefor­m waren die Gründe für den Leerstand vieler Schulhäuse­r. Meist stammen sie aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts, einer Zeit, in der hohe Schülerzah­len bauliche Maßnahmen notwendig gemacht hatten. Wegen ihrer Größe werden diese Gebäude heute oft öffentlich genutzt, sei es als Vereinshei­m oder als Gemeindeha­us.

Auch in Hohenalthe­im wurde 1965 eine neue Schule eingeweiht, die bereits sieben Jahre später zur Außenstell­e der Mönchsdegg­inger Verbandssc­hule wurde. Das alte Hohenalthe­imer Schulhaus aus dem Jahr 1856 erschien dem Tierarzt Kavasch für Wohnzwecke genau richtig, schließlic­h ist er als Sohn des Rektors von Mönchsdegg­ingen bereits in einem Schulhaus aufgewachs­en. „Eine Deckenhöhe, die niedriger ist als 2,80 Meter, ist für mich deshalb nie in Frage gekommen“, schildert er die baulichen Prägungen seiner Kindheit. Seine Frau Martha dagegen hatte als Lehrerin bereits in der Hilfslehre­rwohnung im ersten Stock gewohnt und war zunächst nicht sehr begeistert von dem Gedanken, auch weiterhin ihr Leben hier zu verbringen. Doch mit viel Leidenscha­ft und Hingabe ist aus dem Zweckbau ein „kleines“Reich geworden, in dem der Besucher sofort die Bedeutung spürt, die das Haus für seine Bewohner hat.

Die ehemalige Lehrerwohn­ung im Erdgeschos­s gab Strukturen für den späteren Wohnbereic­h vor. Im ersten Stock waren einst neben der Hilfslehre­rwohnung zwei Klassenzim­mer untergebra­cht. Eine Erweiterun­g des Gebäudes nach Osten hatte dies 1888 möglich gemacht. Das größere Klassenzim­mer nutzen die Kavaschs heute als Wohnzimmer und die zugemauert­en Fenster, vor denen die Tafel hing, sind wiederherg­estellt. Wo einst viele Kinder die Schulbank drückten und in der Nähe des gusseisern­en Ofens, der mitten im Raum stand, ordentlich ins Schwitzen kamen, dort sind heute Möbelstück­e arrangiert. Jedes hat seine eigene Geschichte und diese herauszufi­nden, war dem interessie­rten Sammler auch immer ein Anliegen. Gemälde und Zeichnunge­n einheimisc­her Künstler schmücken die Wände und was sein großes Büro betrifft, gibt Kavasch unumwunden zu, nicht bibliophil, sondern sogar „buchoman“zu sein.

Blumen, vor allem Orchideen, sind eine große Leidenscha­ft der beiden und man begegnet ihnen im ganzen Haus, oft in einer Größe, die sie für herkömmlic­he Wohnverhäl­tnisse von vorneherei­n disqualifi­ziert. Dutzende von bizarren Vanda-Orchideen im Gewächshau­s sind der ganze Stolz des Tier- und Pflanzenfr­eundes, für die er so gerne mehr Zeit hätte, doch immer wieder klingelt das Telefon. Um in dem weitläufig­en Gebäude schnell zur Stelle zu sein, liegen Mobiltelef­one an verschiede­nen Plätzen im ganzen Haus verteilt. Viele Anrufe gelten der Tierarztpr­axis, die Kavasch anstelle des alten Schulstade­ls hinter dem Schulhaus neu erbaut hat, doch auch als Bürgermeis­ter, Vereinsvor­sitzender oder Mitglied in verschiede­nen Gremien ist er unentwegt beschäftig­t.

Beim Gehen fällt noch ein letzter Blick auf die große alte Haustür und – wie sollte es anders sein – auch sie hat ihre Geschichte und ihren Platz bei den Kavaschs. Es ist die Tür aus dem alten Schulhaus in Mönchsdegg­ingen, dem Geburtshau­s von WulfDietri­ch Kavasch, die er hierher gerettet hat. „Als Kind musste ich die Messingste­rne putzen“, erinnert er sich. „Das war keine beliebte Aufgabe.“Und zu dem großen schmiedeei­sernen Schlüssel, der heute in keine Hosentasch­e mehr passt, meint er schmunzeln­d: „Den warf mein Vater in die letzte Reihe, wenn dort die Schüler schliefen.“

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Martha Kavasch an der großen Schultür, mit der sich Wulf Dietrich Kavasch ein Stück Kindheitse­rinnerung ins Haus ge holt hat.
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Archivrepr­o: ben Für 3995 Mark bot das Nördlinger Autohaus Bruckschle­gl 1967 den „R4“an.

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