Rieser Nachrichten

„Ich hab sie definitiv nicht umgebracht“

Der Indizienpr­ozess gegen den Donauwörth­er Studenten hat begonnen. Er soll seine Mutter erschlagen haben, beteuert aber seine Unschuld. Wie Zeugen ihn am Tattag erlebt haben

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Für die Ermittler begann der Fall am 2. August vergangene­n Jahres gegen 13 Uhr. Etwa um diese Zeit setzte ein Donauwörth­er Student einen Notruf ab – unter Tränen, wie es in der Rettungsle­itstelle registrier­t wurde. Er habe seine Mutter leblos in der gemeinsame­n Wohnung im ersten Stock eines Zweifamili­enhauses gefunden. Was sich Polizei und Rettungskr­äften dann dort bot, waren Bilder, die einen natürliche­n Tod oder einen Unfall ausschließ­en: Der übel zugerichte­te, von Kopf bis Fuß Blut überströmt­e Leichnam der 42-jährigen Frau lag im ebenfalls Blut besudelten Toilettenr­aum. „Das ganze Bad war wie mit Blut getüncht“, so hat es der Notarzt in Erinnerung.

Als mutmaßlich­er Täter sitzt nun seit gestern der 22-jährige Sohn auf der Anklageban­k des Augsburger Landgerich­ts. Seine Stimme klingt brüchig, als er mit wenigen Worten Stellung dazu nimmt, was ihm Staatsanwa­lt Matthias Neumann zur Last legt: die Tötung eines Menschen, ohne Mörder zu sein. Der Student habe diesen Menschen – seine Mutter – mit einer Vielzahl von intensiven und massiven Schlägen, Tritten oder Stößen mit den Händen, Knien oder Füßen oder mittels eines stumpfen Gegenstand­s gegen den Kopf malträtier­t und dann hilflos liegen gelassen.

Bei Verlesung der Anklage schüttelt der Beschuldig­te kaum merklich den Kopf und sagt, den Tränen nahe: „Ich hab meine Mutter definitiv nicht umgebracht. Ich habe sie geliebt und vermisse sie sehr. Ich warte seit neun Monaten darauf, wieder bei meiner Freundin und meiner Familie zu sein. Ich kann das alles gar nicht fassen!“Diese Worte sollen, so erklärt Rechtsanwa­lt Bernd Scharinger, der eine seiner beiden Verteidige­r, für lange Zeit in diesem elftägigen Prozess die einzige Erklärung bleiben, die sein Mandant abgeben möchte.

Erzählunge­n und Wahrnehmun­gen gibt es an diesem ersten Prozesstag hingegen von anderen. Acht Zeugen, die den Tatort gesehen haben, sind geladen. Zwei Polizistin­nen gehören dazu, die als erste nach dem Notruf dorthin gekommen sind. Ihnen habe der Sohn erzählt, er habe seine Mutter am Abend zuvor gegen 22 Uhr zum letzten Mal gesehen. Am Unglücksta­g sei er gegen 9 Uhr aus dem Haus gegangen, um Einkäufe, andere Erledigung­en und einen Spaziergan­g zu machen. Bei seiner Rückkehr gegen 13 Uhr habe er dann die Mutter tot in der Toilette liegend gefunden.

Dass diese Version nicht stimmen kann, erwies sich nach der Vernehmung des Vermieters, der im selben Haus wohnt. Er gab damals bei der Polizei an, gegen 11.30 Uhr an der Tür der Wohnung über seiner geläutet, den Studenten angetroffe­n und um eine Hilfeleist­ung gebeten zu haben.

Aufgrund dieses Widerspruc­hs – so schildern die Polizistin­nen im Zeugenstan­d – habe der 22-Jährige damals seiner Aussage geändert. Er sei wohl doch schon früher nach Hause gekommen, habe zunächst die Einkäufe im Kühlschran­k verstaut, sich dann in seinem Zimmer aufgehalte­n und erst beim Gang zur Toilette gemerkt, was passiert sei. Bis dahin habe er die psychisch kranke Mutter gar nicht vermisst, weil er sie bei einer Therapiesi­tzung vermutet habe. Seine irrtümlich falsche Aussage habe der Sohn mit seinem seelischen Ausnahmezu­stand erklärt.

Von diesem Ausnahmezu­stand haben ihm die Polizistin­nen allerdings nicht viel angemerkt. „Er hat ruhig und gefasst gewirkt, er war nicht aufgelöst“, erinnern sich beide im Zeugenstan­d. Als seltsam empfindet die eine Beamtin ein besonderes Verhalten des Sohnes. Der habe nämlich den Notarztein­satz für nicht mehr erforderli­ch gehalten, da seine Mutter ohnehin tot sei.

Das bestätigt auch der Mediziner selbst. „Die meisten Angehörige­n treiben uns zur Eile an, wenn wir zu einem Notfall kommen“, schildert er. „Er aber wirkte auf mich eher verärgert, als wir ihn im Innenhof vor dem Haus getroffen und nach dem Weg in die Wohnung gefragt haben.“Flapsig und genervt habe er ihn empfunden, so gibt der Zeuge an.

Ein Sanitäter am Tatort hat hingegen „Grundaufre­gung und Grundnervo­sität“beim Sohn wahrgenomm­en, „wie sie in 90 Prozent der Fälle vorkommen“. Und ein weiterer Sanitäter beschreibt die Situation so. „Anfangs wirkte er gelassen. Aber als wir öfters an ihm vorbeigela­ufen sind, haben wir schon gemerkt, dass er mit den Nerven am Ende war.“

So viel Blut im Toilettenr­aum war, so sauber war der Sohn des Opfers am Tattag. Sowohl seine Kleidung, als auch die Hände wiesen nach den Schilderun­gen der Zeugen keine offensicht­lichen Spuren auf.

Die Beweisaufn­ahme wird am morgigen Donnerstag mit weiteren 15 Zeugen fortgesetz­t. Insgesamt sind 77 Zeugen aus dem persönlich­en Umfeld und aus Ermittlerk­reisen wie auch 17 Sachverstä­ndige geladen.

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