„Ich hab sie definitiv nicht umgebracht“
Der Indizienprozess gegen den Donauwörther Studenten hat begonnen. Er soll seine Mutter erschlagen haben, beteuert aber seine Unschuld. Wie Zeugen ihn am Tattag erlebt haben
Für die Ermittler begann der Fall am 2. August vergangenen Jahres gegen 13 Uhr. Etwa um diese Zeit setzte ein Donauwörther Student einen Notruf ab – unter Tränen, wie es in der Rettungsleitstelle registriert wurde. Er habe seine Mutter leblos in der gemeinsamen Wohnung im ersten Stock eines Zweifamilienhauses gefunden. Was sich Polizei und Rettungskräften dann dort bot, waren Bilder, die einen natürlichen Tod oder einen Unfall ausschließen: Der übel zugerichtete, von Kopf bis Fuß Blut überströmte Leichnam der 42-jährigen Frau lag im ebenfalls Blut besudelten Toilettenraum. „Das ganze Bad war wie mit Blut getüncht“, so hat es der Notarzt in Erinnerung.
Als mutmaßlicher Täter sitzt nun seit gestern der 22-jährige Sohn auf der Anklagebank des Augsburger Landgerichts. Seine Stimme klingt brüchig, als er mit wenigen Worten Stellung dazu nimmt, was ihm Staatsanwalt Matthias Neumann zur Last legt: die Tötung eines Menschen, ohne Mörder zu sein. Der Student habe diesen Menschen – seine Mutter – mit einer Vielzahl von intensiven und massiven Schlägen, Tritten oder Stößen mit den Händen, Knien oder Füßen oder mittels eines stumpfen Gegenstands gegen den Kopf malträtiert und dann hilflos liegen gelassen.
Bei Verlesung der Anklage schüttelt der Beschuldigte kaum merklich den Kopf und sagt, den Tränen nahe: „Ich hab meine Mutter definitiv nicht umgebracht. Ich habe sie geliebt und vermisse sie sehr. Ich warte seit neun Monaten darauf, wieder bei meiner Freundin und meiner Familie zu sein. Ich kann das alles gar nicht fassen!“Diese Worte sollen, so erklärt Rechtsanwalt Bernd Scharinger, der eine seiner beiden Verteidiger, für lange Zeit in diesem elftägigen Prozess die einzige Erklärung bleiben, die sein Mandant abgeben möchte.
Erzählungen und Wahrnehmungen gibt es an diesem ersten Prozesstag hingegen von anderen. Acht Zeugen, die den Tatort gesehen haben, sind geladen. Zwei Polizistinnen gehören dazu, die als erste nach dem Notruf dorthin gekommen sind. Ihnen habe der Sohn erzählt, er habe seine Mutter am Abend zuvor gegen 22 Uhr zum letzten Mal gesehen. Am Unglückstag sei er gegen 9 Uhr aus dem Haus gegangen, um Einkäufe, andere Erledigungen und einen Spaziergang zu machen. Bei seiner Rückkehr gegen 13 Uhr habe er dann die Mutter tot in der Toilette liegend gefunden.
Dass diese Version nicht stimmen kann, erwies sich nach der Vernehmung des Vermieters, der im selben Haus wohnt. Er gab damals bei der Polizei an, gegen 11.30 Uhr an der Tür der Wohnung über seiner geläutet, den Studenten angetroffen und um eine Hilfeleistung gebeten zu haben.
Aufgrund dieses Widerspruchs – so schildern die Polizistinnen im Zeugenstand – habe der 22-Jährige damals seiner Aussage geändert. Er sei wohl doch schon früher nach Hause gekommen, habe zunächst die Einkäufe im Kühlschrank verstaut, sich dann in seinem Zimmer aufgehalten und erst beim Gang zur Toilette gemerkt, was passiert sei. Bis dahin habe er die psychisch kranke Mutter gar nicht vermisst, weil er sie bei einer Therapiesitzung vermutet habe. Seine irrtümlich falsche Aussage habe der Sohn mit seinem seelischen Ausnahmezustand erklärt.
Von diesem Ausnahmezustand haben ihm die Polizistinnen allerdings nicht viel angemerkt. „Er hat ruhig und gefasst gewirkt, er war nicht aufgelöst“, erinnern sich beide im Zeugenstand. Als seltsam empfindet die eine Beamtin ein besonderes Verhalten des Sohnes. Der habe nämlich den Notarzteinsatz für nicht mehr erforderlich gehalten, da seine Mutter ohnehin tot sei.
Das bestätigt auch der Mediziner selbst. „Die meisten Angehörigen treiben uns zur Eile an, wenn wir zu einem Notfall kommen“, schildert er. „Er aber wirkte auf mich eher verärgert, als wir ihn im Innenhof vor dem Haus getroffen und nach dem Weg in die Wohnung gefragt haben.“Flapsig und genervt habe er ihn empfunden, so gibt der Zeuge an.
Ein Sanitäter am Tatort hat hingegen „Grundaufregung und Grundnervosität“beim Sohn wahrgenommen, „wie sie in 90 Prozent der Fälle vorkommen“. Und ein weiterer Sanitäter beschreibt die Situation so. „Anfangs wirkte er gelassen. Aber als wir öfters an ihm vorbeigelaufen sind, haben wir schon gemerkt, dass er mit den Nerven am Ende war.“
So viel Blut im Toilettenraum war, so sauber war der Sohn des Opfers am Tattag. Sowohl seine Kleidung, als auch die Hände wiesen nach den Schilderungen der Zeugen keine offensichtlichen Spuren auf.
Die Beweisaufnahme wird am morgigen Donnerstag mit weiteren 15 Zeugen fortgesetzt. Insgesamt sind 77 Zeugen aus dem persönlichen Umfeld und aus Ermittlerkreisen wie auch 17 Sachverständige geladen.