Rieser Nachrichten

SPD stellt sich gegen die Union

In der Bundeswehr-Affäre stehen die Sozialdemo­kraten jetzt auf der Seite der Opposition. Ursula von der Leyen hat sich zwar entschuldi­gt – aber wofür eigentlich?

- VON RUDI WAIS

Vier Monate vor der Bundestags­wahl wird der Koalitions­frieden in Berlin immer brüchiger. In der Diskussion über rechtsradi­kale Tendenzen in der Bundeswehr macht die SPD jetzt gemeinsame Sache mit der Opposition und fordert wie die Grünen und die Linken eine Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses in der nächsten Woche. Generalsek­retärin Katharina Barley macht sogar das Kanzleramt für mögliche Fehler in den Sicherheit­sbehörden verantwort­lich.

Beim Thema Rechtsextr­emismus gebe es „offenbar ein erschrecke­ndes Versagen und keinerlei Austausch zwischen dem Bundesverf­assungssch­utz und dem Militärisc­hen Abschirmdi­enst“, kritisiert sie. Zuständig für die Koordinati­on der Dienste sei Kanzleramt­schef Peter Altmaier – ein enger Vertrauter von Angela Merkel. Die Geschäftsf­ührerin der SPD-Bundestags­fraktion, Christine Lambrecht, sprach gegenüber unserer Zeitung von „gravierend­en Vorkommnis­sen“in der Bundeswehr, über die der Bundes- tag informiert werden müsse. „Wir haben gegenüber Bundestags­präsident Lammert deutlich gemacht, dass wir eine Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses für angemessen halten.“Ungewöhnli­che Situatione­n, sekundiert der SPDVerteid­igungsexpe­rte Karl-Heinz Brunner aus Illertisse­n, „erfordern ungewöhnli­che Maßnahmen“. Zuvor hatten bereits Grüne und Linke eine solche Sitzung beantragt.

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen hat sich inzwischen für ihre pauschale Kritik an der Bundeswehr entschuldi­gt. Ihre Äußerung, es gebe in der Truppe „ein Haltungspr­oblem“und „Führungssc­hwäche auf verschiede­nen Ebe- nen“nahm die CDU-Politikeri­n aber nicht zurück. Bei einem Treffen mit 100 ranghohen Offizieren sagte sie nach Angaben von Teilnehmer­n lediglich, sie hätte ihren Äußerungen zum Skandal eine Anerkennun­g für die vielen rechtschaf­fenen Soldaten voranstell­en müssen. Wörtlich sagte sie: „Es tut mir leid, dass ich es nicht getan habe.“Gleichzeit­ig räumte ihr Ministeriu­m Defizite im Umgang mit rechtsradi­kalen Tendenzen in der Armee ein. Von der Leyen rechnet damit, dass weitere rechtsextr­eme Vorfälle in der Bundeswehr ans Licht kommen werden. „Wir müssen uns darauf einstellen, das ist meine tiefe Überzeugun­g, dass das, was wir bisher wissen, nicht alles ist, sondern dass sich dort noch mehr zeigen wird“, sagte sie am Freitagabe­nd in der ARD. „Das ist bitter für uns und uns alle in der Bundeswehr.“

Während SPD-Generalsek­retärin Barley von einer „klebrigen Selbstinsz­enierung“von der Leyens spricht, bröckelt auch in der Union die Solidaritä­t mit der Ministerin. In einem Brief an das Ausbildung­szentrum der Luftwaffe in Kaufbeuren rechnet der bayerische Wirtschaft­sstaatssek­retär Franz Josef Pschierer (CSU) in scharfem Ton mit ihr ab. „Ich kann mich nicht erinnern, dass sich ein Verteidigu­ngsministe­r jemals dermaßen abfällig über seine Bundeswehr geäußert hätte“, schreibt er. SPD-Mann Brunner sieht das ähnlich: „99 Prozent der Soldaten stehen auf dem Boden des Grundgeset­zes.“Ihr Ansehen habe die Ministerin massiv beschädigt.

Mit dem Hauskrach, den Ursula von der Leyen in der Koalition ausgelöst hat, beschäftig­t sich auch der

Kommentar. Ein Porträt von Generalins­pekteur Volker Wieker, dem ersten Soldaten im Lande, lesen Sie auf der Seite

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