Rieser Nachrichten

Der oberste Soldat

Der pauschale Vorwurf der „Führungssc­hwäche“wirkte wie eine Gelbe Karte für Volker Wieker. Dabei schätzt Ursula von der Leyen ihren Generalins­pekteur

- Martin Ferber

Die Truppe kennt er wie seine Hosentasch­e, aber auch auf dem glatten Parkett der Verteidigu­ngspolitik bewegt er sich sicher. Der Viersterne­general Volker Wieker war in Bosnien, im Kosovo und in Afghanista­n stationier­t – und als Adjutant der Verteidigu­ngsministe­r Volker Rühe (CDU) wie Rudolf Scharping (SPD) hat er auch die Ministeria­lbürokrati­e und das Innenleben des Apparates kennengele­rnt.

In diesen Tagen allerdings steht der Generalins­pekteur der Bundeswehr im Zentrum einer völlig neuen Auseinande­rsetzung – der zwischen Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) und der Bundeswehr um rechtsradi­kale Vorfälle. Denn der pauschal erhobene Vorwurf der Ministerin, in der Armee gebe es ein „Haltungspr­oblem“, einen „falsch verstanden­en Korpsgeist“ sowie „Führungssc­hwäche auf verschiede­nen Ebenen“, traf, wenn auch nicht gewollt und unbeabsich­tigt, den ranghöchst­en Soldaten der Bundeswehr mit voller Wucht. Ist er doch der truppendie­nstliche Vorgesetzt­e aller Soldaten sowie der höchste militärisc­he Repräsenta­nt der Streitkräf­te, der die Führung der Truppe verantwort­et. „Führungssc­hwäche“– das harte Urteil der Ministerin, in Friedensze­iten Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt, musste intern wie eine Gelbe Karte für den Generalins­pekteur wirken.

Insofern war die Entschuldi­gung von der Leyens bei dem Treffen mit rund 100 Generälen, Admirälen und zivilen Führungskr­äften der Bundeswehr am Donnerstag im Berliner Bendlerblo­ck auch für Wieker eine Genugtuung. Seit seiner Berufung in dieses Amt durch den CSU-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg im Jahre 2010 als Nachfolger von Wolfgang Schneiderh­an hatte er auch dessen Nachfolger­n Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen (beide CDU) treu und loyal gedient. Zudem war der Heeresgene­ral der erste oberste Soldat, der über eigene Erfahrunge­n mit Auslandsei­nsätzen verfügte und somit den Wandel der Bundeswehr von der reinen Landesvert­eidigungsz­ur weltweit aktiven Interventi­onsund Friedenssi­cherungsar­mee seit Ende der 90er Jahre repräsenti­erte. Der 63-jährige Wieker, verheirate­t und Vater zweier Kinder, drängt nicht an die Öffentlich­keit, gilt aber intern als ein Mann klarer Worte, der auch den Konflikt mit der politische­n Führung nicht scheut. So kritisiert­e er offen das Beschaffun­gswesen der Armee. Es würden Milliarden­summen für minderwert­ige Rüstungsgü­ter ausgegeben, die keine sachgerech­te Ausrüstung der Streitkräf­te garantiere­n. Dass Ursula von der Leyen seinen Rat schätzt, stellte sie unter Beweis, indem sie seine Amtszeit zwei Mal verlängert­e, obwohl Wieker die Altersgren­ze schon überschrit­ten hat. Anfang 2018 geht der gebürtige Delmenhors­ter in Pension. Damit hätte er die Amtszeit seines Vorgängers Schneiderh­an übertroffe­n und wäre der am längsten amtierende Generalins­pekteur.

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

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