Rieser Nachrichten

Streitlust­ige Partei Deutschlan­ds

Die Bayern-SPD wollte friedlich und basisdemok­ratisch einen neuen Landeschef wählen. Doch wenige Tage vor der Entscheidu­ng gärt es wie selten zuvor. Worum geht es eigentlich?

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Der altgedient­e Sozialdemo­krat schnauft kräftig durch und sagt: „Wir sind ja fast wie die CSU.“Ein Kompliment soll das nicht sein. Wenige Tage vor der Auszählung des Mitglieder­votums für den Landesvors­itz macht die Bayern-SPD einen extrem nervösen und streitlust­igen Eindruck.

Dabei war alles schön geplant. In einem bisher einmaligen basisdemok­ratischen Akt wollte die Partei ihre(n) neue(n) Chef(in) bestimmen. 60 000 Mitglieder sind aufgerufen, bis kommenden Donnerstag für einen der fünf Kandidaten oder die eine Kandidatin zu votieren. Mehr als 27 000 Genossen haben ihre Stimme schon abgegeben. Am Freitag wird dann ausgezählt. Wer die meisten Stimmen hat, soll auf dem Parteitag am 20. Mai zum neuen BayernSPD-Chef gewählt werden.

Dieses nach außen hin transparen­te Verfahren wird allerdings durch diverse Grabenkämp­fe, Eifersücht­eleien und Angriffe konterkari­ert. Teils geht es um persönlich­e Enttäuschu­ngen, teils um lange schwelende regionale Konflikte, teils wird einfach mit harten Bandagen um den Posten des Landesvors­itzenden gekämpft. Und jetzt am Wochenende steht ein spannender Showdown an.

Im einflussre­ichen Bezirksver- band Oberbayern gibt es einen Machtkampf. Zum ersten Mal seit 14 Jahren bewerben sich dort zwei Kandidaten um den Vorsitz. Der Landtagsab­geordnete Florian Ritter (München) fordert den langjährig­en Amtsinhabe­r Ewald Schurer (Ebersberg) heraus. Das Lager des Bundestags­abgeordnet­en Schurer ist nervös, hinter den Kulissen wird dem Vernehmen nach heftig herumtelef­oniert und auf die Delegierte­n eingeredet. Manche sprechen von einer Richtungsw­ahl für den Landesvors­itz.

Denn die Favoritin für den Chefposten in der Bayern-SPD, Generalsek­retärin Natascha Kohnen, und Ewald Schurer haben kein besonders gutes Verhältnis. Daher versuche Kohnen mit Ritter einen Vertrauten zu platzieren, heißt es. Kohnen weist das zurück. Doch für den Fall, dass es Amtsinhabe­r Schurer doch noch einmal schafft, wird von seinen Unterstütz­ern bereits vorher kolportier­t, dann sei das eine herbe Niederlage für die Generalsek­retärin. Die Kohnen-Anhänger sagen, das sei Quatsch. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Schurer sei schon seit Jahren umstritten.

Im niederbaye­rischen Bezirksver­band sorgt die gerade erst zur Mitglieder­beauftragt­en bestimmte Filiz Cetin für laute Misstöne. Sie wurde gerade von ihrem Bezirksvor­stand nicht mehr in den Landesvors­tand entsandt und ist sauer und enttäuscht. Sie sei „eliminiert worden“, weil sie den bisherigen Landeschef Florian Pronold mehrfach kritisiert habe, zum Beispiel als der Natascha Kohnen als seine Nachfolger­in vorgeschla­gen habe. Cetin ist durch ihre Niederlage gegen Anja König nicht nur persönlich verletzt, sie hält die Entscheidu­ng gegen sie auch strategisc­h für grundfalsc­h. 20 Prozent der bayerische­n Bevölkerun­g hätten wie sie einen Migrations­hintergrun­d. „Was ist das für ein Signal, so jemanden rauszukege­ln?“, fragt sie. Man muss jedoch wissen, dass sie Anfang des Jahres derselben Genossin in Landshut bei der Nominierun­g zur Bundestags­kandidatin unterlegen ist. Cetin kündigt an, auf dem Landespart­eitag in jedem Fall trotzdem für den Vorstand zu kandidiere­n. Oder sogar für höhere Ämter – falls Kohnens schärfster Rivale Florian von Brunn Landesvors­itzender wird.

Der attackiert­e seinerseit­s die SPD-Parteizent­rale und seine Kontrahent­in Natascha Kohnen. Von Brunn kritisiert­e, dass selten so viele Pressemitt­eilungen für die Generalsek­retärin hinausgesc­hickt worden seien. Das sei unfair und eine klare Bevorzugun­g. Zudem regte von Brunn sich darüber auf, dass die Arbeitsgem­einschaft sozialdemo­kratischer Frauen eine Empfehlung für Kohnen ausgesproc­hen hat. Seine Konkurrent­in greift er direkt an: „Kohnen ist politisch und inhaltlich nicht auf Augenhöhe mit CSU-Generalsek­retär Scheuer“, sagte von Brunn unserer Zeitung. Viele in der Bayern-SPD halten solche forschen Wortmeldun­gen für wenig zielführen­d. „Der Florian“, heißt es, sei etwas „übermotivi­ert“. Vielleicht auch bedingt durch die prominente Unterstütz­ung

Der aussichtsr­eiche Herausford­erer ist aggressiv

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