Vom Abstimmungsgesäß zum Zwetschgenmanderl
Zu seinem 75. Geburtstag beschenkt sich Gerhard Polt mit einem Lexikon – Schmähpotenzial inbegriffen
Ganz klein kommt er daher, der große Polt. Zwar wird der Kabarettist, Filmemacher und Autor zu seinem 75. Geburtstag mit dem Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehpreises ausgezeichnet. Doch das schönste Geburtstagsgeschenk hat er sich und seinen Anhängern selbst gemacht: ein Konversationslexikon im Westentaschenformat. Von A wie Abstimmungsgesäße für „hoch dotierte Parlamentarier“bis Z wie Zwetschgenmanderl für „kleiner, mickriger Kerl“schreibt Polt darin gegen die „Begriffsvermummung“unserer Zeit an, wie er es im Vorwort nennt. Und er will den Leser dazu ermuntern, es ihm nachzumachen und „ins Fettnäpfchen zu treten sowie sein eigenes Schmähpotenzial zu erweitern“.
An diesem Sonntag wird Gerhard Polt 75. Interviews mag er nicht. Lieber steht er abends auf der Bühne, oft zusammen mit den drei WellBrüdern Michael, Karli und Christoph („Stofferl“) von der Musikergroßfamilie, die in verschiedenen Besetzungen seit Jahrzehnten für Furore sorgt. Bei Auftritten wie vor wenigen Tagen in der bayerischen Vertretung in Brüssel begeistern Polt und Co. das Publikum. „Mutterhaus“des kongenialen Kabarettund Musikquartetts sind die Münchner Kammerspiele. Dort knöpfen sich die spaßverliebten Künstler in der Revue „Ekzem Homo“über Nachbarschaftsprobleme schon in der dritten Spielzeit das deutsche Spießbürgertum vor.
„Der größte Feind des Menschen ist der Mensch“, sagt Polt und kommt zu der Erkenntnis: „Es ist erstaunlich, zu welcher Hochform Mensch auflaufen kann, wenn es um die Missgunst gegenüber seinem Nachbarn geht.“Der vielseitig Beschäftigte wuchs – evangelisch getauft – im streng katholischen Altötting und in München auf. Nach dem Abitur studierte er in der bayerischen Landeshauptstadt Politische Wissenschaften, Geschichte und Kunstgeschichte sowie von 1962 an in Göteborg nordische Sprachen. Er lebte vier Jahre in Schweden.
Nach seiner Rückkehr nach München arbeitete Polt als Übersetzer, Lehrer und Dolmetscher. Seit 1971 verheiratet und Vater eines längst erwachsenen Sohnes lebt Polt die meiste Zeit am oberbayerischen Schliersee. 1976 trat er in München zum ersten Mal mit einem kabarettistischen Programm auf, anschließend erhielt er ein Engagement in Berlin. 1979 startete der
„Fast wia im richtigen Leben“. Es folgten Auftritte in Dieter Hildebrandts Fernseh„Scheibenwischer“. Eine bitterböse Satire zum Bau des Rhein-MainDonau-Kanals trieb dem damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß seinerzeit die Zornesröte ins Gesicht.
Polts erster Spielfilm „Kehraus“wurde ebenso ein Erfolg wie regelmäßige Kabarettprogramme an den Münchner Kammerspielen oder am Staatsschauspiel. 1988 kam sein Film „Man spricht deutsh“in die Kinos, in dem er zusammen mit Gisela Schneeberger das deutsche Urlaubsspießertum aufs Korn nimmt. Sein vorerst letzter Film „Und Äktschn!“aus dem Jahr 2013 handelt von einem Provinz-Amateurfilder mer, der mit einem Streifen über das Privatleben Adolf Hitlers nach Überwindung von allerlei Hindernissen einen von der örtlichen Bankfiliale ausgelobten Kulturpreis gewinnt.
Zum Jahreswechsel wird Polt im Münchner Nationaltheater gastieren. Er spielt dann in der JohannStrauß-Operette „Die Fledermaus“den betrunkenen Gefängniswärter Frosch, eine hochkomödiantische Sprechrolle. Die Partie animierte schon Darsteller wie den unvergessenen, 2009 gestorbenen Jörg Hube zu süffisanten Stegreif-Bemerkungen über aktuelle politische Fragen. Polt dürfte sein Publikum nicht enttäuschen, auch wenn er sagt, noch keine Vorstellung darüber zu haben, wie er die Rolle angeht.
Zukunftspläne scheint Polt ohnehin nicht zu haben. „Ich habe noch nicht einmal geplant, was ich morgen frühstücke“, frotzelt der gerade schwer erkältete Kabarettist. „Ich weiß nicht, ob ich ein Marmeladenbrot oder eine Weißwurscht esse.“Und wie feiert er am Sonntag seinen Geburtstag? „Wenn die Bronchitis rechtzeitig vergeht, werd’ ich schon eine Halbe trinken“, meint Polt und fügt achselzuckend hinzu: „Vielleicht trink’ ich zum Frühstück aber auch nur einen Kaffee.“