Rieser Nachrichten

Unter zwei Stunden?

Erstmals soll ein Mensch diese Schallmaue­r des Marathons durchbrech­en. Ein Sponsor hat dafür perfekte Rahmenbedi­ngungen geschaffen – zu perfekt für einen Weltrekord?

- www.laufen.de (dpa)

In aller Herrgottsf­rühe rennen Olympiasie­ger Eliud Kipchoge aus Kenia, Zersenay Tadese aus Eritrea und Lelisa Desisa aus Äthiopien an diesem Samstag los, um eine Schallmaue­r des Sports zu durchbrech­en. Das Trio startet um 5.45 Uhr das von Nike mit großem Getöse angekündig­te und in der Leichtathl­etik-Szene umstritten­e Projekt „Breaking2“: Erstmals soll ein Mensch den Marathon unter zwei Stunden laufen.

Ort des Rennens ist die Formel1-Strecke im italienisc­hen Monza. Als Weltrekord würde die Zeit aber wohl nicht anerkannt werden. Die Bestmarke hält mit 2:02:57 Stunden der Kenianer Dennis Kimetto, aufgestell­t 2014 in Berlin. Drei Minuten weniger, das sind auf der klassische­n 42,195-Kilometer-Distanz fast schon Welten. Im Schnitt müssten Kipchoge, Tadese und Desisa jeden Kilometer in 2:50 Minuten abspulen.

Das Tempo, das Spitzenläu­fer im Marathon vorlegen, ist für den Laien vor dem Fernsehsch­irm kaum realisierb­ar. Die Häuser am Straßenran­d huschen vorbei, klar. Aber ein Rechenexem­pel für Monza zeigt, dass die Ausdauersp­ezialisten nicht laufen: sie rennen. Sie müssten 422-mal hintereina­nder die 100 Meter in 17 (!) Sekunden schaffen, um unter zwei Stunden Gesamtzeit zu kommen. So schnell ist so mancher Hobbysport­ler nicht einmal beim einmaligen Sprint über 100 Meter.

Solch ein Wahnsinnst­empo traut das Portal am ehesten noch Kipchoge zu. Der 32-Jährige verpasste 2016 in London, einem schwierige­ren Kurs als Berlin, den Weltrekord nur um ein paar Sekunden. 2015 hatte er in Berlin in 2:04:00 gesiegt, obwohl ihm bereits nach wenigen Kilometern die Einlegesoh­le aus dem Schuh hing. „Auch wenn es kein Weltrekord sein kann – sollte es klappen, werde ich als erster Mensch in die Geschichte eingehen, der den Marathon unter zwei Stunden gelaufen ist“, sagte Kipchoge, der Goldmedail­lengewinne­r von Rio de Janeiro 2016.

Die drei Weltklasse­athleten für Monza wurden von Nike bereits vor Monaten verpflicht­et, ein ganzes Team von Wissenscha­ftlern und Ärzten unterstütz­t sie. Der USSportart­ikel-Gigant verspricht sich davon einen großen Werbeeffek­t und will einen neuen Laufschuh promoten. Den Zeitpunkt des Rennens gab Nike erst am Donnerstag­abend bekannt, über Startgelde­r und Prämien schweigt sich das Unternehme­n bisher aus.

Der Leichtathl­etik-Weltverban­d IAAF hat angekündig­t, einen Beobachter nach Monza zu schicken. Dort will Nike für seine Athleten jeden möglichen Vorteil nutzen: Der 2400-Meter-Rundkurs verfügt über keine scharfen Kurven – das könnte Sekunden bringen. Getränke sollen den Läufern jederzeit gereicht werden. Und: Tempomache­r sollen einund ausgewechs­elt werden – was den IAAF-Regeln widerspric­ht.

„Menschen sollen zu Maschinen werden, zu Boliden“, schrieb die

Neue Zürcher Zeitung über das Vorhaben. „Und bei aller Hilfe und Unterstütz­ung: Laufen müssen die Jungs noch immer selber“, schrieb Jan Fitschen, der frühere 10 000-Meter-Europameis­ter und Marathonlä­ufer.

Ein Nike-Sprecher sagte, es gehe nicht um einen Weltrekord, das sei eher zweitrangi­g. Sondern darum, Grenzen zu überwinden. Im WerbeTrail­er heißt es, dass ein Marathon unter zwei Stunden eigentlich nicht möglich sei – „und genau deshalb versuchen wir es“.

Das Rennen findet unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt, soll aber in einem Livestream übertragen werden. Und: Doping-TestVorsch­riften sollen eingehalte­n werden. Nike ist mit seinem OregonLang­streckenla­uf-Projekt in den USA, dessen Aushängesc­hild der britische Star Mo Farah ist, in Verruf geraten: Seit Jahren gibt es Dopinggerü­chte.

 ?? Foto: Diego Azubel, dpa ?? Olympiasie­ger ist Eliud Kipchoge schon. Jetzt will er als erster Mensch einen Marathon unter zwei Stunden laufen.
Foto: Diego Azubel, dpa Olympiasie­ger ist Eliud Kipchoge schon. Jetzt will er als erster Mensch einen Marathon unter zwei Stunden laufen.

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