Die älteste Glocke
Jedes Kirchturmläuten ist einzigartig und prägt die Bewohner eines Ortes. Doch wo hängt im Kreis die älteste Glocke? Mithilfe von Lesern begeben sich die RN auf Spurensuche
Die Melodie des Glockenläutens einer Heimatkirche nistet sich ins Gehör. Ein Beweis: Hört man plötzlich andere Kirchenglocken, wirkt das Klingen zunächst befremdlich, immer aufs Neue, bis man sich auch an diese Tonfolge gewöhnt hat. Glockenläuten hat einen enormen Wiedererkennungswert und prägt. Kein Wunder, dass die Menschen stolz auf ihre wuchtigen Instrumente aus Bronze oder Eisen sind, die ein Kirchenleben lang im Glockenstuhl schwingen. Kürzlich war in den Rieser Nachrichten zu lesen, dass in einem der Türme von Sankt Emmeran in Wemding wohl eines der ältesten Instrumentarien des Landkreises hinge. Sie sei aus dem Jahr 1667 und werde in diesem Jahr 350 Jahre alt, schrieb der Autor. Unsere Redaktion erreichten gleich mehrere Zuschriften von Lesern, die freilich wussten, dass es doch in ihrer Kirche eine viel ältere Glocke gab. Doch in welcher Kirche hängt nun tatsächlich die älteste Glocke im Landkreis Donau-Ries?
Die Älteste der drei Läutglocken in der Pfarrkirche Sankt Rufus in Hausen, die zur Pfarreiengemeinschaft Fremdingen gehört, stamme aus dem Jahr 1616. Eine Inschrift bestätige das, schrieb Martha Mayer in ihrem Leserbrief. Daneben sei das Relief eines Muttergottesbildes abgebildet. Sie ist demnach über 50 Jahre älter als die in Wemding. Doch auch wenn sie deren Alter übersteigt, sie ist bei Weitem nicht die älteste Glocke im Kreis.
Eine weitere Spur führt in den Glockenstuhl von St. Martin in Deiningen. Heinz Bengesser schreibt unserer Zeitung, die älteste Glocke dort sei bereits 660 Jahre alt. Immerhin deutlich älter also, als das Instrument in Wemding und auch in Hausen. Sie sei 1357 gegossen worden, habe einen Durchmesser von 106 Zentimeter. Nachzulesen ist das auch in der Buchreihe „Die Kunstdenkmäler von Bayern“, im Band „Bezirksamt Nördlingen“. Ist diese Glocke womöglich die älteste im Landkreis Donau-Ries?
Nein, auch sie wird in ihrem erstaunlichen Alter noch übertroffen. Gleich mehrere Leser haben unserer Zeitung geschrieben, dass sie noch eine Kirche kennen, in der eine sehr alte Glocke hängt. Eine Glocke, die wohl noch länger ihre Dienste er- füllt und die Dorfbewohner unter anderem zum Gottesdienst ruft. Die älteste Glocke im Landkreis DonauRies ist beinahe noch einmal einhundert Jahre älter. Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler bestätigt, dass genau dieses Exemplar in der nördlichsten Gemeinde Schwabens schlägt.
Eine Treppe führt spiralförmig in die Türme der früheren Klosterkirche Auhausen. Je höher, desto abgetretener zeigen sich die Holzstufen. Als hätte sie ein Bachlauf geformt. Um in den Aufgang des Südturms zu gelangen, duckt sich Siegfried Metz unter einem Durchgang und läuft weiter nach oben. Er ist der Vertrauensmann der Kirchengemeinde Auhausen und steigt die letzten Holzbretter auf einer schmalen Treppe nach oben, bis er vor der ältesten Glocke im Landkreis DonauRies steht. Er nimmt den Klöppel und schwingt ihn gegen den Guss aus Bronze.
Insgesamt hängen fünf Glocken in der ehemaligen Klosterkirche. Zwei kleine sind im Nordturm untergebracht, drei hängen im Südturm – die älteste von ihnen stammt aus dem Jahr 1264 und wurde in Worms gegossen. Wenn nicht Siegfried Metz deren Klang außerhalb der Läuteordnung demonstriert, schlägt die älteste Glocke unter anderem jeweils eine halbe Stunde vor Beginn eines Gottesdienstes und wenn dieser startet. Das sei schon früher so gewesen, sagt der Vertrauensmann. Während sie heute elektrisch durch ein Schaltwerk bedient werde, seien die Glocken früher per Hand geschlagen worden. Metz erinnert sich an seine Kindheit. „In der Kirchengemeinde war das die Aufgabe der Schulbuben“, sagt er. Zur viertel-, zur halben, zur dreiviertel und zur vollen Stunde würden die Glocken allerdings erst schlagen, seit dem am Kirchturm auch die Uhrzeit gezeigt werde.
Die älteste Kirchenglocke des Landkreises hing nicht pausenlos in Auhausen. 1924 musste sie beispielsweise wegen eines Risses repariert werden. Der Geschäftsführer des Nördlinger Glockenschweißwerks Thomas Lachenmeyer erzählt davon, wie sein Großvater, Hans Lachenmeyer senior, den Riss wieder zusammengeschweißt hat. Dank seiner Arbeit konnte die Glocke bald wieder im Südturm schwingen. Der Pfarrer brachte sie damals zur Reparatur nach Nördlingen.