Die Bienen schieben „Innendienst“
Imker Heinrich Pfaff muss derzeit zufüttern. Das ist für Mai sehr ungewöhnlich
Heuer ist alles anders. In 20 Jahren habe es das noch nicht gegeben, dass er seine Bienenvölker im Mai füttern müsse, sagt Imker Heinrich Pfaff. Normalerweise wäre jetzt der Höhepunkt im Bienenjahr, denn die Natur hat es so eingerichtet, dass zur Blütezeit auch der Nahrungsbedarf der Bienen besonders groß wird, weil sich ab jetzt die Völker von je rund 10 000 auf etwa 35 000 Insekten vermehren. Ende Mai könnte dann der Imker seinen Honig ernten. Doch jetzt ist es meistens zu kalt für die Bienen, sie fliegen erst ab zehn Grad hinaus. Pfaff und seine Kollegen müssen ihnen mit Zuckerwasser helfen durchzuhalten und Wintervorräte, die sie entnommen haben, um Platz zu schaffen, zum Teil wieder zurückzuhängen.
Eigentlich ist aber heuer doch nichts anders – der Imker muss seine Bienen eben am Leben halten. In Antike und Mittelalter waren Imker noch Räuber, die in die von Bienen übervölkerten Wälder zogen, den Honig aus Baumhöhlen holten und sich nicht weiter um die Tiere kümmerten. Durch die Zivilisation wurde der Lebensraum Wald extrem eingeengt, es gilt, den Bienen beim Überleben zu helfen, konkret mit drei zentralen Aufgaben: Erstens muss der Imker den Bienen ein Zuhause bieten, hauptsächlich in Holzkisten für die einzelnen Völker.
Hundert solcher Kisten hat Heinrich Pfaff am südlichen Riesrand stehen, einige in seinem großen Garten in Ederheim. „Es ist eine gute Gegend für die Imkerei“, sagt er, „nicht zuletzt wegen immer mehr naturgeschützter Flächen, die auch große, unbehelligte Streuobstareale umfassen.“Blüten und Bienen halten sich gegenseitig am Leben, denn die Bestäubung ist für die Pflanzen so existenzwichtig wie der Nektar für die Bienen: „Volkswirtschaftliche Rechnungen haben ergeben, dass der Wert der Bestäubung zehn- mal höher ist, als der der Honigernte“, rechnet Pfaff vor. Generell seien Bienen der Bio-Indikator schlechthin – wo sie leben, ist die Naturlandschaft intakt.
Die zweite große Aufgabe ist die Unterstützung bei der Vermehrung, sprich der Teilung der Völker. Das geschieht zum einen durch Königinnenzucht, wie Heinrich Pfaff sie betreibt, verbunden mit systematischer Ablegerbildung neuer Völker. Zum anderen muss er „den Schwarm einzuschlagen“, wenn er sich selbstständig gemacht hat – ohne Wetterschutz des Imkers könnte er in unserem Klima nicht mehr überleben. Pfaff bekommt dann Anrufe, dass sich beispielsweise in Rollo-Kästen eine Schwarmtraube gebildet hat. Oder er folgt der Wolke aus Bienen – „ein faszinierendes Erlebnis“, schwärmt er. Die dritte große Aufgabe ist der Kampf gegen die Varroa-Milbe, die 1984 in Deutschland eingeschleppt wurde, Brut und ausgewachsene Bienen befällt, sie bei lebendigem Leibe aussaugt und schwächt. Ohne den Kampf der Imker hätte die Milbe die Biene bereits ausgerottet. Heinrich Pfaff, der über die Arbeit bei einem Biobauern zur Imkerei gekommen war, folgte früh dem natürlichen Weg: Ameisensäure. Damit bedampft er im Juli oder August die Waben mitsamt der Völker, so dosiert, dass es die Milben trifft und den Bienen nicht schadet. Danach kehrt lange Zeit Ruhe im Bienenjahr ein – für Heinrich Pfaff bis zum Nördlinger Weihnachtsmarkt, wo er seinen Honig und Wachsprodukte an einem Stand anbietet.
Existenzbedrohende Gefahren wie Milbe und Umwelteinflüsse haben einen rettenden Gegeneffekt erzeugt: „Seit einigen Jahren ist es ein Boom, Bienen zu halten, nicht zuletzt bei sehr erfolgreichen Stadtimkern.“Pfaff gibt deshalb seit fünf Jahren Imker-Kurse an der Volkshochschule Nördlingen, aus denen jährlich acht bis 14 neue aktive Bienenfreunde hervorgehen.