Rieser Nachrichten

Geteiltes Miteinande­r

Im Oettinger Heimatmuse­um ist eine neue Sonderauss­tellung zu sehen

- VON PETER URBAN

Oettingen Es ist für uns heute eher unvorstell­bar, wie noch vor zwei Generation­en die Religion, die Konfession, den Alltag der Menschen dominierte. „Du wirst mir doch nicht mit einem Katholiken heimkommen“, war nicht selten der Ausspruch manch evangelisc­her Mutter (und umgekehrt natürlich), wenn sich Sohn oder Tochter „falsch“verliebt hatten – eben in ein Mitglied „der anderen“. Nicht nur durch Oettingen ging eine unsichtbar­e Grenze – auf der einen Seite Katholiken, auf der anderen Protestant­en. Die Bikonfessi­onalität prägte die Mentalität und kennzeichn­ete das Leben auch in vielen anderen Rieser Gemeinden.

Dr. Petra Ostenriede­r und ihrem Team ist es gelungen, aus diesem Zwiespalt eine lehrreiche und sehenswert­e Schau zu machen. Von den Ursprüngen, als vor mehr als 500 Jahren zwei Linien der Grafen zu Oettingen Land und Untertanen aufteilten, über geteilte Heilige und getrennte Kirchen, Taufen, Hochzeiten und Beerdigung­en. Schulen und Häuser waren klar geschieden, bis ins Jahr 1700 sogar die Kalender. Im Alltag regelte ein ausgeklüge­ltes paritätisc­hes System die Besetzung von Ämtern und Diensten. Nicht nur Nachtwächt­er, Hebammen oder Musiker gab es jeweils katholisch und evangelisc­h. Da mussten für den labilen inneren Frieden schon obrigkeitl­iche Maßnahmen her. Zum Beispiel war das Diskutiere­n über Religion in den (übrigens unglaublic­h zahlreiche­n) Wirtshäuse­rn verboten.

Augenzwink­ernd und spielerisc­h

Gerade die Diskussion über dieses getrennte Miteinande­r will die Ausstellun­g, die bis zum 1. November zu sehen sein wird, anregen. Und augenzwink­ernd und spielerisc­h darüber nachdenken lassen, was es heute noch an Trennendem gibt. Nicht nur beim Kirchgang war zu sehen, wer wohin gehörte. Der Oettinger Marktplatz ist heute noch beredtes Zeugnis davon, dort stehen sich die ehemaligen Fronten gegenüber: Fachwerk auf der Westseite, Barockgieb­el auf der Ostseite. Hinter den barocken Fassaden wohnten die vermeintli­ch so asketische­n Protestant­en, die sprichwört­liche barocke Lebensfreu­de der Katholiken verschanzt­e sich hinter Fachwerk. Typisch? Viele so vermeintli­ch typische Widersprüc­he hat die Ausstellun­g gesammelt und räumt dann doch mit einigen immer noch bestehende­n Vorurteile­n auf: Katholisch bedeute, das Leben lockerer und prunkvolle­r zu leben, während das Protestant­ische weniger farbenfroh und streng sei. Und sie erzählt auch viel Kurioses: Sogar das kulinarisc­he „Nationalhe­iligtum“, die berühmte Rieser Bauerntort­e, gab es in verschiede­n Versionen, also katholisch und evangelisc­h. Abgrenzung war wichtig und für viele neu Hinzukomme­nde – und aus heutiger Sicht – nur schwer zu begreifen. Noch vor wenigen Jahren wurde eine Pfarrersga­ttin belehrt, dass sie im falschen, weil katholisch­en Laden eingekauft hätte …

Die Ausstellun­g greift viele dieser Aspekte des Zusammenle­bens auf und thematisie­rt am regionalen Beispiel „Katholisch­es“und „Evangelisc­hes“sowie den Wandel durch die Jahrhunder­te und lässt über manches Gehörte und Erzählte zum konfession­ellen Mit- und Gegeneinan­der schmunzeln.

Zum „Geteilten Miteinande­r, zwei Konfession­en eine Stadt“, kann es nur eine Meinung geben: Ansehen.

Öffnungsze­iten: Geteiltes Miteinan der. Sonderauss­tellung, 7. Mai bis zum 1. November, Mittwoch bis Sonntag, 14 17 Uhr. Mehr unter www.heimatmu seum oettingen.de

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Fotos: Szilvia Izsó Im Oettinger Heimatmuse­um ist eine neue Ausstellun­g zu sehen. „Geteiltes Miteinande­r“zeigt, wie die beiden Konfession­en einst im Ries neben und miteinande­r lebten.
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Dieses Foto zeigt ein altes lateinisch­es Messbuch. Aufgeschla­gen ist genau die Seite mit dem Text, der zum Tag des heiligen Se bastians gelesen wurde.
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Auch evangelisc­her Wandschmuc­k aus Oettinger Häusern ist in der Ausstellun­g zu se hen.
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Diese Installati­on zeigt die Teilung der Grafschaft Oettingen – die herrschaft­liche und darauffolg­ende kirchliche. Auf den Tellern davor ist zu sehen, was an Trennendem im Leben der Oettinger wie lange Bestand hatte.
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In dieser schönen Monstranz wird eine Reliquie präsentier­t.
 ??  ?? Dr. Petra Ostenriede­r hat mit ihrem Team die Ausstellun­g, die 500 Jahre Geschichte zeigt, konzipiert.
Dr. Petra Ostenriede­r hat mit ihrem Team die Ausstellun­g, die 500 Jahre Geschichte zeigt, konzipiert.
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In einer Vitrine werden neben diesen Kreuzen Gebete vorgestell­t.
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Dieser Christusko­pf gehört zum Altbe stand des Heimatmuse­ums.
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Dieser Leuchter Engel stammt aus der Entstehung­szeit der Sebastians­kirche.

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