Geteiltes Miteinander
Im Oettinger Heimatmuseum ist eine neue Sonderausstellung zu sehen
Oettingen Es ist für uns heute eher unvorstellbar, wie noch vor zwei Generationen die Religion, die Konfession, den Alltag der Menschen dominierte. „Du wirst mir doch nicht mit einem Katholiken heimkommen“, war nicht selten der Ausspruch manch evangelischer Mutter (und umgekehrt natürlich), wenn sich Sohn oder Tochter „falsch“verliebt hatten – eben in ein Mitglied „der anderen“. Nicht nur durch Oettingen ging eine unsichtbare Grenze – auf der einen Seite Katholiken, auf der anderen Protestanten. Die Bikonfessionalität prägte die Mentalität und kennzeichnete das Leben auch in vielen anderen Rieser Gemeinden.
Dr. Petra Ostenrieder und ihrem Team ist es gelungen, aus diesem Zwiespalt eine lehrreiche und sehenswerte Schau zu machen. Von den Ursprüngen, als vor mehr als 500 Jahren zwei Linien der Grafen zu Oettingen Land und Untertanen aufteilten, über geteilte Heilige und getrennte Kirchen, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Schulen und Häuser waren klar geschieden, bis ins Jahr 1700 sogar die Kalender. Im Alltag regelte ein ausgeklügeltes paritätisches System die Besetzung von Ämtern und Diensten. Nicht nur Nachtwächter, Hebammen oder Musiker gab es jeweils katholisch und evangelisch. Da mussten für den labilen inneren Frieden schon obrigkeitliche Maßnahmen her. Zum Beispiel war das Diskutieren über Religion in den (übrigens unglaublich zahlreichen) Wirtshäusern verboten.
Augenzwinkernd und spielerisch
Gerade die Diskussion über dieses getrennte Miteinander will die Ausstellung, die bis zum 1. November zu sehen sein wird, anregen. Und augenzwinkernd und spielerisch darüber nachdenken lassen, was es heute noch an Trennendem gibt. Nicht nur beim Kirchgang war zu sehen, wer wohin gehörte. Der Oettinger Marktplatz ist heute noch beredtes Zeugnis davon, dort stehen sich die ehemaligen Fronten gegenüber: Fachwerk auf der Westseite, Barockgiebel auf der Ostseite. Hinter den barocken Fassaden wohnten die vermeintlich so asketischen Protestanten, die sprichwörtliche barocke Lebensfreude der Katholiken verschanzte sich hinter Fachwerk. Typisch? Viele so vermeintlich typische Widersprüche hat die Ausstellung gesammelt und räumt dann doch mit einigen immer noch bestehenden Vorurteilen auf: Katholisch bedeute, das Leben lockerer und prunkvoller zu leben, während das Protestantische weniger farbenfroh und streng sei. Und sie erzählt auch viel Kurioses: Sogar das kulinarische „Nationalheiligtum“, die berühmte Rieser Bauerntorte, gab es in verschieden Versionen, also katholisch und evangelisch. Abgrenzung war wichtig und für viele neu Hinzukommende – und aus heutiger Sicht – nur schwer zu begreifen. Noch vor wenigen Jahren wurde eine Pfarrersgattin belehrt, dass sie im falschen, weil katholischen Laden eingekauft hätte …
Die Ausstellung greift viele dieser Aspekte des Zusammenlebens auf und thematisiert am regionalen Beispiel „Katholisches“und „Evangelisches“sowie den Wandel durch die Jahrhunderte und lässt über manches Gehörte und Erzählte zum konfessionellen Mit- und Gegeneinander schmunzeln.
Zum „Geteilten Miteinander, zwei Konfessionen eine Stadt“, kann es nur eine Meinung geben: Ansehen.
Öffnungszeiten: Geteiltes Miteinan der. Sonderausstellung, 7. Mai bis zum 1. November, Mittwoch bis Sonntag, 14 17 Uhr. Mehr unter www.heimatmu seum oettingen.de