Wie kommt die DNA an den Leichnam?
Am gestrigen Verhandlungstag gegen den Donauwörther Studenten kam die Rechtsmedizin zur Spurenauswertung zu Wort. Und auch der Ex-Verlobte der Mutter war im Zeugenstand
Im Totschlags-Prozess gegen den Donauwörther Studenten werden weiter Indizien um Indizien zusammengetragen. Wie mehrfach berichtet, soll der 22-Jährige seine Mutter erschlagen haben. Es sind vor allem Tatort-Spuren, Aussagen von Nachbarn, Erinnerungen Nahestehender sowie Auswertungen kriminaltechnischer und rechtsmedizinischer Experten, die auch am gestrigen Donnerstag den Ablauf im Landgerichtssaal in Augsburg bestimmt haben. Ähnlich einem Puzzle sollen sie in der Summe der Einzelteile letztlich ein Gesamtbild dessen ergeben, was sich am Vormittag des 2. August 2016 in der Berger Vorstadt zugetragen hat.
Hat der Ex-Verlobte des Opfers etwas mit der Tat zu tun? Sein Alibi war unter anderem Thema der Zeugenbefragung. Doch wie schon am Prozesstag zuvor wurde klar, dass ihn zu relevanter Zeit eine Überwachungskamera an seinem Wohnort Erlangen gefilmt hat und der Weg nach Donauwörth einfach zu weit ist, um den 34-Jährigen ernsthaft in Verdacht zu bringen.
Der Mann war von 2011 bis 2015 mit dem Opfer liiert gewesen, zum Schluss sogar verlobt. Die beiden hatten sich bei einem Klinikaufenthalt kennengelernt. Die Trennung ging letztlich auf seine Initiative zurück, wie er dem Gericht schilderte. Man sei nicht im Streit auseinander gegangen. Allerdings stand die 42-jährige Ex-Verlobte noch mit 800 Euro Schulden bei ihm in der Kreide. Im Januar 2016 hatte es den letzten Kontakt zwischen ihnen gegeben.
Wie schon ein Nachbar von Mutter und Sohn, so brachte auch der Erlanger den Vater des Angeklagten ins Spiel. Seine Ex-Freundin habe ihm von einer Bedrohung erzählt. Demnach soll deren Ex-Mann gesagt haben, „dass er eines Tages nach Donauwörth kommen, sie ans Kreuz nageln und dann anzünden werde“. Spuren von ihm gibt es jedoch am Tatort keine.
Den jetzt 22-jährigen Angeklagten beschrieb der Erlanger als nett, aufgeschlossen, überhaupt nicht aggressiv und ein bisschen verschlossen. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn sei gut bis sehr gut gewesen, sehr freundschaftlich und fürsorglich. Die Mutter habe den Sohn auch nicht zu sehr vereinnahmt oder habe etwa „geklammert“. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas gemacht hat“, sagte der Zeuge mit Blick auf den Beschuldigten.
Donauwörths Stadtpfarrer Robert Neuner kennt den Studenten erst seit dieser in Untersuchungshaft sitzt. Doch auch er legte im Zeugenstand ein äußerst positives Leumundszeugnis für ihn ab. Schon früher seien Mutter und Sohn engagierte und an- gesehene Gemeindemitglieder der Münsterpfarrei gewesen und auch jetzt arbeite der 22-Jährige im Gefängnis bei der Gottesdienstgestaltung mit. Über den Tattag haben der Geistliche und der Angeklagt nur so viel geredet: „Es beschäftigt ihn, dass der, der es getan hat, draußen herumläuft“, sagte Pfarrer Neuner, „denn er sei es nicht gewesen.“
Auch der Vermieter, der einen Stock unter der Tatwohnung lebt, kann nur Gutes über den Studenten sagen: „Anständig, fleißig und hilfsbereit“waren die Worte, die er für den 22-Jährigen fand. Zur Mutter hatte der Wohnungseigentümer nur wenig Kontakt. Von einem eventuellen Streit zwischen den beiden habe er nie etwas mitbekommen.
Da der 84-Jährige schwerhörig ist, sein Hörgerät aber in der fraglichen Zeit lediglich zum Fernsehen benutzt hatte, kam er auch als etwaiger Ohrenzeuge für den Vormittag, als die Tat passierte, nicht in Betracht. Er hatte schlichtweg keinerlei Geräusche aus der Wohnung über der seinen wahrgenommen. Stattdessen hatte er eine Begegnung mit dem jetzt angeklagten Sohn. Er hatte ihn gebeten, ihm den Rollladen im Wohnzimmer raufzuziehen. Zur Uhrzeit, wann dies war, hatte er zunächst widersprüchliche Angaben bei der Polizei gemacht. Einmal hieß es 9 Uhr, ein anderes Mal 11.30 Uhr.
Gestern nun gab er auf Nachfragen der Prozessbeteiligten an, um 8 Uhr den Pflegedienst empfangen und sich dann bis gegen 11 Uhr ausschließlich in der Küche aufgehalten zu haben. Der 22-jährige Sohn seiner Mieterin habe danach auf sein Klingeln sofort reagiert und sei ihm ebenso unverzüglich zur Hilfe gekommen. Zudem sei er normal und unauffällig gekleidet gewesen.
Interessante Ergebnisse hat die Spurenauswertung ergeben. Polizeilicher Erkennungsdienst, die Rechtsmedizin der Uni München und andere Stellen haben eine Vielzahl von Blut- und DNA-Spuren akribisch gesichert und analysiert. Logischerweise haben sich in der gesamten Wohnung an Gebrauchsgegenständen aller Art Spuren von Mutter und Sohn gefunden. Darüber hinaus aber auch am Leichnam. Die Verteidigung zieht daraus den Rückschluss, dass es sich dabei um Anhaftungen einer so genannten Sekundärübertragung handeln kann, die etwa immer dann passiert, wenn Menschen, die in einer gemeinsamen Wohnung leben, sich Gegenstände wie Handtücher, Waschlappen und mehr teilen. Immerhin wurde auf dem Oberschenkel der Toten ja auch die DNA der Freundin des Sohnes gefunden. Und die war zur Tatzeit weit weg im Spanien-Urlaub. Die Anklage hingegen sieht die Ausprägung der DNASpuren des Sohnes am Opfer – vor allem in Gesicht, an Hals, Oberschenkel und unter den Fingernägeln – als zu intensiv an. Das sei mit normaler Sekundärübertragung nicht mehr in Einklang zu bringen.
An der Kleidung des Sohnes wurde keinerlei Blut der Mutter festgestellt, auch nicht an seinen Händen. Und ebenso wenig wurden sonstige belastende Spuren gefunden. Allerdings liegen Hinweise dafür vor, dass der Tatort gereinigt wurde.
Ominös ist ein anonymes Schreiben, das jetzt im Gericht eingegangen ist. Darin wirft ein Unbekannter vor, es handle sich beim Obduktionsgutachten, das am kommenden Montag zur Sprache kommen soll, um ein Gefälligkeitsgutachten. Das Gericht misst diesem Schreiben keine weitere Bedeutung bei.