Rieser Nachrichten

Jubelt die FDP auch im September?

Die Liberalen sind nach der Wahl das Zünglein an der Waage in NRW. Schon wird spekuliert, ob Schwarz-Gelb auch im Bund denkbar sein könnte. Während die AfD den Bundestag fest im Blick hat, überwiegt bei Grünen und Linken Tristesse

- VON SIMON KAMINSKI Deutschlan­dfunk

Nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen gibt es mit Blick auf die Bundestags­wahlen im September eine Gewissheit weniger: Eine Große Koalition ist möglicherw­eise doch nicht die einzige Zwei– Parteien-Konstellat­ion, die für eine Regierungs­mehrheit noch in Frage kommt. Diese Einsicht ist der FDP und insbesonde­re ihrem Parteichef Christian Lindner, dem zurzeit alles zu gelingen scheint, zu verdanken.

Denn die Liberalen haben nach beeindruck­enden 11,5 Prozent in Schleswig-Holstein jetzt mit fulminante­n 12,6 Prozent in NRW dafür gesorgt, dass Schwarz-Gelb plötzlich auch im Bund für möglich gehalten wird. Tatsächlic­h hatte ja Kanzlerin Angela Merkel immer mal wieder angemerkt, dass sie die FDP als Wunschpart­ner nicht aufgegeben hat. Doch wer hat ihr schon zugehört? Die Partei war ja nicht einmal im Bundestag vertreten.

Christian Lindner aber, der der darniederl­iegenden FDP in mühevoller Kleinarbei­t fast im Alleingang wieder Selbstbewu­sstsein zurückgege­ben hat, gibt sich auffallend zu- rückhalten­d, wenn er über eine mögliche schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf spricht. Fürchtet er, dass eine solche Konstellat­ion der SPD bei der Bundestags­wahl die Chance bieten würde, ihre Kampagne gegen eine „Koalition der sozialen Kälte“zu reanimiere­n? Oder wird Lindner die Euphorie in der FDP unheimlich. Schließlic­h lag seine Partei bundesweit in den Umfragen vor der NRW-Wahl bei rund sechs Prozent. Das dürfte zu wenig sein für Schwarz-Gelb in Berlin.

Zu wenig – dieses Stichwort dürfte die Gemütslage der Grünen nach der Wahl vom Sonntag ganz gut treffen. Zeigen die tristen 6,4 Prozent doch, was viele in der Partei befürchtet haben: Die stolzen 12,9 Prozent im hohen Norden sind auf eine Sonderkonj­unktur zurückzufü­hren, die mit einem Namen eng verbunden ist: Robert Habeck.

Als unorthodox­er Vize-Regierungs­chef und Umweltmini­ster stieg der 48-Jährige zu einem der beliebtest­en Politiker im konservati­ven Schleswig-Holstein auf. Ein Querdenker, der gerne auch mal in der eigenen Partei aneckt. So einen könnten die Grünen im Bundestags- wahlkampf bestens gebrauchen. Doch die Basis gab denkbar knapp Cem Özdemir den Vorzug. Das dürften nicht wenige Mitglieder heute bitter bereuen. Und Özdemir? Der sinnierte im nach dem Desaster in NRW, dass man manchmal vielleicht „etwas populistis­cher sein müsste“und weniger auf Kontinuitä­t setzen sollte. Das wird jetzt schwierig mit Özdemir und Katrin Göring-Eckardt.

Kontinuitä­t kann man der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) nun gewiss nicht vorwerfen. Mit wenigen Unterbrech­ungen befindet sich die junge Partei auf einer schier endlosen Achterbahn­fahrt. Zuletzt ging es allerdings meist in enge Rechtskurv­en. Dennoch: Nach der Generalabr­echnung der Partei mit Frauke Petry, Rechtsextr­emismus-Vorwürfen gegen Björn Höcke und parteiinte­rnen Scharmütze­ln und Rangeleien spricht alles dafür, dass die Rechtspopu­listen dem nächsten Bundestag angehören. Auch wenn die ganz großen Höhenflüge – AfDPolitik­er nannten über 20 Prozent im Bund als Ziel – längst vom Tisch sind. Interne Streiterei­en und die zuletzt deutlich abnehmende Zahl von Flüchtling­en zeigen Wirkung.

Die Linke erfährt nun auch in NRW, dass ihnen ein großer Teil der Bevölkerun­g in den alten Bundesländ­ern nach wie vor misstraut. Doch das musste schließlic­h auch der SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz zuletzt im Saarland lernen. Nach den drei verlorenen Landtagswa­hlen redet bei den Sozialdemo­kraten kaum noch jemand von RotRot-Grün.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany