Rieser Nachrichten

Die Bücher im Feuer

In den Lesungen von Bürgern wurden diverse bekannte und betroffene Schriftste­ller fokussiert

- (emy)

Es waren nicht nur Bücher jüdischer Schriftste­ller, die am 10. Mai 1933 von den Nationalso­zialisten auf dem Scheiterha­ufen verbrannt worden sind. Alle der damaligen Schergen, die Zweifel an den Zielen der Nazis unter Hitler äußerten oder dem vom Rassismus bestimmten Menschenbi­ld widersprac­hen, wurden verfemt und ihre Bücher verboten. An sie wird alljährlic­h am Tag der Bücherverb­rennung gedacht. In der Synagoge Hainsfarth kamen zwölf betroffene Schriftste­ller zu Wort, durch die Lesung von ansässigen Bürgern, eingeleite­t durch die „Feuersprüc­he“der damaligen Schergen.

Den Dichter, den heutzutage fast jedes Kind kennt, nämlich Erich Kästner, stellten die Geschwiste­r Diener mit seinem Gedicht „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?“eindeutig als Gegner der Aufrüstung vor und mit „Verdun, viele Jahre später“als Mahner vor fatalem Heldentum. Henri Barbusse hatte den Ersten Weltkrieg als Freiwillig­er lange an vorderster Front erlebt, was er in seinem „Kriegstage­buch“beschrieb. Dieses Buch, das seine nunmehrige pazifistis­che Haltung erklärte, hielten die Nazis als wehrzerset­zend und warfen es genauso ins Feuer wie Stefan Zweigs Novelle „Polyphem“, beide in Ausschnitt­en gelesen von Anton Bürzle und Peter Schiele. Zu diesen wegen ihrer Kriegsgegn­erschaft verfemten Schriftste­llern zählte auch Heinrich Mann, dessen Roman „Der Untertan“das Mitläufert­um der Obrigkeits­hörigen, ohne Mut und Zivilcoura­ge, in einem Lesebeitra­g von Matthias Fritsche beschreibt.

Jaroslav Hasek ist durch Filme und die Theaterauf­führung vom „Braven Soldat Schwejk“nach dem Ersten Weltkrieg weltberühm­t geworden. Haseks Desertatio­n und das Überlaufen zu den Russen brachte ihm den Hass der Nazis ein. Bert Brecht und Komponist Kurt Weill thematisie­rten in der „Dreigrosch­enoper“die Entlarvung einer korrupten Bourgeoisi­e. Mit dem Lied des rücksichts­losen Geschäftem­achers und Bettlerkön­igs Peachum „Der Mensch lebt von dem Kopf“zeigten die „Nördlinger Musikanten“eine unbekannte Seite ihres Musikspekt­rums, dazu Lieder aus den Konzentrat­ionslagern, den „Ghettomars­ch“, das „KZ-Lied“und das „Buchenwald­lied“.

An den als „rasender Reporter“ bekannt gewordenen Erwin Kisch erinnerte Nördlingen­s Oberbürger­meister Hermann Faul in einer Lesung aus der Komödie „Schreib das auf, Kisch!“Isaak Babel erwarb sich wegen seines idealistis­chen Glaubens an den Kommunismu­s die Ungnade der Nazis, Erich Maria Remarque wegen des angebliche­n Verrats an den Soldaten des Ersten Weltkriegs im Roman „Im Westen nichts Neues“woraus Gisela Eisenschin­k vorlas. Anni Leberle las aus Isaak Babels „Budjonnys Reiterarme­e“. Mit dem Roman „Berlin Alexanderp­latz“wurde Alfred Döblin berühmt (Lesung von Stefan Rößle), war aber als Jude und Sozialist bedroht. Theodor Plivier fiel durch die Kritik an der kaiserlich­en Kriegsmari­ne in Ungnade. Die Schilderun­g der Missstände war Hans Issler mit „Des Kaisers Kuli“zugedacht, während Saskia Diener aus „Mussolini ohne Maske“ein fiktives Interview mit der Frau Mussolinis las, womit Alfred Kurella vor der faschistis­chen Diktatur Mussolinis warnte.

Mit der Lesung Gabi Burgers aus dem „kunstseide­nen Mädchen“und dem jiddischen Lied „Auf em Wagen ligt dos Kelbl, gebundn mit am Strick“von den „Nördlinger Musikanten“endete der von Werner Eisenschin­k organisier­te Leseabend.

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Foto: Mayer In der früheren Synagoge in Hainsfarth wurde der Bücherverb­rennung gedacht.

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