Rieser Nachrichten

Ein Garten für Jedermann

Das steckt hinter dem Integratio­nsgarten für Flüchtling­e und Einheimisc­he

- VON PHILIPP WEHRMANN

In seinem Beet baut er Kartoffeln, Tomaten und Erdbeeren an, erzählt Noorali. Seit 15 Monaten lebt der Afghane in Oettingen, davor war er in München, später in Ulm. In den Zimmern des Heims, in dem er wohnt, leben bis zu vier Personen. „Es ist sehr eng“, sagt er. Manchmal sei deshalb die Stimmung auch hitzig. Im Integratio­nsgarten dagegen könne man herunterko­mmen und sich beschäftig­en. Vergangene Woche haben unter anderem er, drei Freunde und Ernst Christ, den sie ihren „Chef“nennen, die Beete gepflanzt. Auch viele Deutsche seien dabei gewesen, sagt Noorali. Ernst Christ ist der Vorsitzend­e des Obst- und Gartenbauv­ereins Oettingen und hat zuvor gemeinsam mit den Asylbewerb­ern einen Wildschutz­zaun um den neuen Integratio­nsgarten gebaut.

Unter einem Pavillon verweilen einige Frauen mit Kopftuch. Kleine Kinder sitzen auf ihren Schößen, einige Meter weiter rennen die etwas älteren umher. Eine der Frauen Narges. Sie ist 22 Jahre alt und kommt ebenfalls aus Afghanista­n. Deutsch zu sprechen scheint ihr noch schwer zu fallen. Angesichts ihres vermutlich ersten Zeitungsin­terviews wirkt sie etwas aufgeregt. Ab und zu fragt sie ihre Freundin, die neben ihr sitzt, wenn sie etwas nicht verstanden hat. Sie erzählt, dass sie oft hier ist und sich freut, dass es jetzt einen Garten gibt, in dem die Kinder Platz haben und spielen können.

Die Zusammenar­beit zwischen der „Sozialen Stadt“und dem Obstund Gartenbauv­erein habe sich durch Zufall ergeben, erzählt Sabine Koloska, die Projektman­agerin der „Sozialen Stadt“Oettingen. Sie suchte vergangene­s Jahr ein Grundstück für ein Integratio­nsprojekt, erzählt sie. Christ habe ebenfalls nach einem Grundstück für seinen Verein Ausschau gehalten, um dort Beete anzulegen. Das Grundstück, das links der Straße am Oettinger Ortsausgan­g Richtung Lehmingen liegt, habe sich für das Gemeinscha­ftsprojekt angeboten. Es sei bereits im Besitz der Stadt und bisher eine Grünfläche gewesen, etwa 800 Quadratmet­er groß. Bei der Aufteilung habe man sämtliche Wünsche berücksich­tigen können: Das Beet besteht aus 40 Parzellen, die sich die Flüchtling­e, Mitglieder des Vereins und Oettinger ohne Vereinsmit­gliedschaf­t teilen. Das entspreche der Grundidee des Projekts: Der Garten solle eine Begegnungs­stätte für Flüchtling­e und Einheimisc­he schaffen und ihnen die Möglichkei­t geben, ihre eigenen Beete zu pflegen, sagt Koloska. Einige Flüchtling­e würden das aus ihrer Heimat bereits kennen.

Als die beiden die Idee bei einem Treffen des Gartenbauv­ereins das erste Mal vorgestell­t haben, habe es anfangs durchaus Bedenken gegeben, sagt Christ. Obwohl bisher alles recht gut geklappt habe, seien diese auch jetzt nicht vollständi­g abgebaut: „Es wird hier wohl nicht immer in dieser Harmonie zugehen“, sagt Christ. Das sei ja aber schließlic­h meistens so, wenn sich einige Menschen ein Grundstück teilen, wendet Koloska ein, noch dazu, wenn sie aus verschiede­nen Kulturheiß­t kreisen stammten. Man habe außerdem unter den geplanten Kosten von 5000 Euro bleiben können, sagt Koloska.

Die Asylbewerb­er seien mit Begeisteru­ng dabei gewesen und kämen stets pünktlich. „Bei der Umsetzung hat jeder seinen Teil beigetrage­n“, sagt Christ. Sowohl die Vereinsmit­glieder als auch die Flüchtling­e können sich in dem Garten aufhalten, wann sie möchten. Ab und an säße man abends dann zusammen und feiere ein kleines Fest.

Koloska und Christ betonen, dass das Projekt ohne profession­elle Hilfe durchgefüh­rt wurde. Die Arbeiten auf dem Gelände seien ausschließ­lich von Vereinsmit­gliedern, Flüchtling­en und freiwillig­en Helfern durchgefüh­rt worden. Ohne das Engagement einiger Bürger hätte das Projekt nicht zustande kommen können, sagt Christ. Als nächstes wolle man zusammen drei Hochbeete bauen. Dafür müsse er sich selbst erst mal informiere­n, sagt er. Dann wird ihn Noorali beim Bau aber sicherlich unterstütz­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany