„Alles geht, aber eben nur anders“
Mit Multipler Sklerose gilt es, sich zu organisieren. Wie Betroffene mit der Krankheit umgehen
Heute ist der neunte Welt-Multiple-Sklerose-Tag, um auf die weltweit vorkommende heimtückische, chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems aufmerksam zu machen. Moni Stöcklein, die Vorsitzende der Nördlinger MS-Selbsthilfegruppe „Durchblick“, erläutert aus ihrer Sicht das diesjährige Motto „Alles geht, aber eben nur anders“.
Dass bei diesem Motto die Lebensqualität im Vordergrund steht, deckt sich mit dem Hauptziel der Selbsthilfegruppe, die nicht die Krankheit, sondern das Leben drumherum im Fokus habe. So könne man um so besser mit MS leben, je besser man seine Organisation danach ausrichte, wie sie am Beispiel der Computerarbeit darlegt: „Da MS oft mit Störungen der Wahrnehmungsfähigkeit einhergeht, kann man sich in der Regel nur für begrenzte Zeit auf den PC-Bildschirm konzentrieren.“Also gelte es, am kritischen Zeitpunkt auf andere Aufgaben überzuwechseln: Computerarbeit – Post im Haus verteilen – Computerarbeit – einen vorab gezielt festgelegten Besprechungstermin einlegen – Computerarbeit – eine Besorgung machen – Computerarbeit – Augen-Entspannungspause.
Eine weitere grundlegende Art, den Alltag zu meistern, ist laut Moni Stöcklein, Alltägliches anders wahrzunehmen: „Man kann aus der Not eine Tugend machen und die kleinen schönen Dinge bewusster aufnehmen.“Sie nennt es die Kaffeebohnen-Strategie: Man stelle sich Kaffeebohnen in der linken Hosentasche vor – für jeden guten Kaffee, jeden Kuchen, jedes angenehme Gespräch, jeden Gefallen, den man jemandem erwiesen oder bekommen hat, soll man im Geiste eine Bohne in die rechte Tasche umschichten; wenn man will, kann man es auch real tun. Bald wird einem klar, dass es kaum „schlechte Tage“gibt und sich andauernd Plus-Punkt-Bohnen anhäufen. Mit dieser optimistischen Grundhaltung kann man auch größere Vorzeichen verändern: „Der Rollator ist dann kein Fluch der Krankheit mehr, sondern bedeutet Freiheit und Mobilität; man kann damit Spaziergänge machen und zu schönen Orten oder Freunden gelangen, die sonst nur schwer zu erreichen wären.“
Ein topaktuelles Beispiel für einen gut durchorganisierten, glücklich empfundenen Tag ist der heutige Ausflug der Selbsthilfegruppe nach Gunzenhausen, wo man sich mit einer befreundeten Gruppe trifft. Bei derlei Unternehmen gilt es, Rollator und Rollstuhl zu berücksichtigen, Wege zeitlich so zu planen, dass auch die Langsameren mitkommen. Generell sollten Vorträge oder Führungen nicht länger als eine Stunde dauern, weil dann oft die Konzentration nachlässt. Beim Kaffee gießt man ohne große Worte denen ein, die ihn vielleicht verschütten würden; bei Unterhaltungen spricht man automatisch langsam und deutlich mit denen, die krankheitsbedingt Aufnahmeprobleme haben. Man kennt sich eben, und das gibt in der Gruppe das gute Gefühl, zu sehen, dass man nicht allein oder gar stigmatisiert ist mit seiner Krankheit. „Man ist kein Außenstehender, sondern in einem geschützten Rahmen zusammen mit Gleichgesinnten.“
Vergangenes Jahr war es zwanzig Jahre her, dass „Durchblick“gegründet worden war, bei einer ständigen Mitgliedschaft von rund einem Dutzend Personen sind immer noch fünf Gründungsmitglieder dabei. Im Herbst will die für ihre Rührigkeit auch außerhalb der Gruppe in einem großen Freundeskreis bekannte Moni Stöcklein eine eigene Gruppe für junge Neuerkrankte zwischen 20 und 45 Jahren gründen. Wer Interesse hat, kann bei ihr unter Telefon 09081/1213 oder bei Andrea Uhl unter 09082/3839 anrufen.