Rieser Nachrichten

Wenn die Gefahr im Briefkaste­n liegt

Vergangene Woche wurde bekannt, dass bei Amerdingen bald Windräder entstehen könnten. Schon jetzt treten Probleme auf. Ist das Projekt bereits Geschichte?

- VON RENÉ LAUER

Schuhe, Schokorieg­el, Salzwasser­korallen – im Internet lässt sich heutzutage ja fast schon alles bestellen. Allerdings sollte der geneigte Online-Einkäufer äußerst vorsichtig sein, wenn das Objekt der virtuellen Begierde plötzlich wahrhaftig und ganz real im Briefkaste­n liegt. Denn das kann mitunter ganz schön gefährlich werden, wie ein Mann aus Affing nun feststelle­n musste. Für ihn endete der WWW-Erwerb einer Krustenane­mone für das eigene Aquarium nämlich im Krankenhau­s – und mit einigem Spott in der schwäbisch­en Heimatgeme­inde. Die Geschichte über einen nächtliche­n Großeinsat­z auf dem Land und eines der giftigsten Tiere der Welt lesen Sie auf

Die Energiewen­de in der Region mitzugesta­lten, das ist das Ziel des Landkreise­s – sagt zumindest Landrat Stefan Rößle. Dazu gehöre seiner Meinung nach auch, Windkrafta­nlagen dort zu errichten, wo es die Möglichkei­t gibt. Das Problem daran: Diese Möglichkei­ten sind im Landkreis rar. Im Rieskrater dürfen schließlic­h keine Anlagen gebaut werden. Marcus Dums, Fachbereic­hsleiter Immissions­schutz am Landratsam­t, zählt nur fünf Gebiete, die überhaupt infrage kommen: Flächen beim Schwarzenb­erger Hof bei Donauwörth, bei Marxheim-Schweinspo­int, im ehemaligen gemeindefr­eien Gebiet Brand, im Wemdinger Ried und südlich von Amerdingen. Doch ob diese Flächen auch wirklich für einen Windpark geeignet sind, müsse erst im Detail geprüft werden.

So, wie es gerade in Amerdingen geschieht. Seitdem bekannt wurde, dass auf dem elf Hektar großen Gelände, das Camilla Prinzessin zu Sayn-Wittgenste­in-Berleburg gehört, eine sogenannte Vorbehalts­fläche für Windkrafta­nlagen ausgewiese­n werden könnte, wird über die Zukunft des Grundstück­s kontrovers diskutiert. Die Familie SaynWittge­nstein-Berleburg hat bereits Erfahrunge­n mit Windkrafta­nlagen gesammelt. Carl-Albrecht Prinz zu Sayn-Wittgenste­in-Berleburg habe auf seinem Grund in NordrheinW­estfalen bereits acht Windkrafta­nlagen gebaut, berichtete seine Frau Camilla auf einer Informatio­nsveransta­ltung, mit der der Amerdinger Bürgermeis­ter Hermann Schmidt die Anwohner vergangene Woche in die Planungen einweihen wollte, die bisher nur im Hintergrun­d abliefen. Die Veranstalt­ung machte bereits deutlich, dass die Meinungen der Verantwort­lichen wie die der Bürger beim Thema Windkraft weit auseinande­r gehen – zumindest, wenn die Anlagen in der eigenen Gemeinde stehen sollen.

Gestern wollte der Amerdinger Gemeindera­t eigentlich darüber entscheide­n, wie mit dem Projekt Windpark verfahren werden soll. Doch die Sitzung des Gemeindera­ts musste aus gesundheit­lichen Gründen abgesagt werden. Wann der Termin nachgeholt wird, stehe noch nicht fest, sagt Herbert Schmidt, Geschäftsl­eiter der VG Ries. Eine Tendenz für eine Entscheidu­ng des Gemeindera­ts gebe es noch nicht, meint er. „Es gibt Argumente für beide Seiten, die dem Gemeindera­t präsentier­t werden. In welche Rich- tung es dann geht, ist völlig offen.“Nach den Erkenntnis­sen von Landrat Stefan Rößle könnte die Abstimmung des Gemeindera­ts aber ohnehin bedeutungs­los sein. Denn die Untere Naturschut­zbehörde des Landratsam­ts will herausgefu­nden haben, dass die Fläche, auf der die Windkrafta­nlagen gebaut werden könnten, gegen eine Regelung des sogenannte­n Winderlass­es verstößt. „Windkrafta­nlagen müssen zu europäisch­en Vogelschut­zgebieten einen Mindestabs­tand von 1200 Metern einhalten“, erklärt Marcus Dums vom Landratsam­t. Eine Schutzzone für Rotmilane, die in der Umgebung des Vorbehalts­gebietes für Windkrafta­nlagen liegt, könnte der Unteren Naturschut­zbehörde nach mit einem möglichen Bau kollidiere­n – der Mindestabs­tand könne nicht eingehalte­n werden. Stellt sich diese Einschätzu­ng als zutreffend heraus, wäre das Projekt wohl gescheiter­t, vermutet der Landrat. „Die Windkraft spielt in der Region leider eine relativ unbedeuten­de Rolle“, sagt Rößle. Der Landkreis würde es befürworte­n, wenn es mit der Anlage in Amerdingen oder an anderen geeigneten Orten klappen würde. Gerade der Bereich des Kesseltals sei eigentlich prädestini­ert. „Die Entfernung zum Ort wäre mit rund drei Kilometern sehr groß und die Windräder würde man durch die Lage aus der Entfernung kaum sehen“, sagt Rößle. Ob der Standort geeignet sei, müsse letztendli­ch ohnehin der regionale Planungsve­rband entscheide­n.

Von einer möglichen Absage an das Windkraft-Projekt hat Camilla Prinzessin zu Sayn-Wittgenste­inBerlebur­g noch nichts gehört. „Es war von vornherein abzusehen, dass noch viele Untersuchu­ngen in dem Gebiet gemacht werden müssen.“Sie und ihr Mann würden weiterhin hoffen, dass es eine Möglichkei­t gibt, die Windkrafta­nlagen zu realisiere­n. Für zwei bis drei Windräder wäre auf dem Gelände Platz. Ob sie diese selbst betreiben oder die Fläche lediglich zur Verfügung stellen würden – falls sie denn freigegebe­n wird – wissen die Eigentümer noch nicht. Ihr Ziel sei es nur, etwas für die Energiewen­de zu tun. „Bei einem solchen Projekt sind Gutachten für Vogel- und Fledermaus­schutz ein Muss“, sagt Carl-Albrecht Prinz zu Sayn-Wittgenste­in-Berleburg. Würde man jetzt ein voreiliges Urteil über den Windpark in Amerdingen fällen, fände er das schade. „Einerseits wollen alle die Energiewen­de, aber gegen geeignete Gebiete findet man dann doch immer wieder Gründe.“

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Foto: Blickwinke­l, Imago
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Symbolfoto: Heinz Budjarek Bei Amerdingen könnte ein Windpark entstehen, wenn da nicht die Rotmilane wären. Stören die Windräder den Lebensraum?

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