Wenn die Gefahr im Briefkasten liegt
Vergangene Woche wurde bekannt, dass bei Amerdingen bald Windräder entstehen könnten. Schon jetzt treten Probleme auf. Ist das Projekt bereits Geschichte?
Schuhe, Schokoriegel, Salzwasserkorallen – im Internet lässt sich heutzutage ja fast schon alles bestellen. Allerdings sollte der geneigte Online-Einkäufer äußerst vorsichtig sein, wenn das Objekt der virtuellen Begierde plötzlich wahrhaftig und ganz real im Briefkasten liegt. Denn das kann mitunter ganz schön gefährlich werden, wie ein Mann aus Affing nun feststellen musste. Für ihn endete der WWW-Erwerb einer Krustenanemone für das eigene Aquarium nämlich im Krankenhaus – und mit einigem Spott in der schwäbischen Heimatgemeinde. Die Geschichte über einen nächtlichen Großeinsatz auf dem Land und eines der giftigsten Tiere der Welt lesen Sie auf
Die Energiewende in der Region mitzugestalten, das ist das Ziel des Landkreises – sagt zumindest Landrat Stefan Rößle. Dazu gehöre seiner Meinung nach auch, Windkraftanlagen dort zu errichten, wo es die Möglichkeit gibt. Das Problem daran: Diese Möglichkeiten sind im Landkreis rar. Im Rieskrater dürfen schließlich keine Anlagen gebaut werden. Marcus Dums, Fachbereichsleiter Immissionsschutz am Landratsamt, zählt nur fünf Gebiete, die überhaupt infrage kommen: Flächen beim Schwarzenberger Hof bei Donauwörth, bei Marxheim-Schweinspoint, im ehemaligen gemeindefreien Gebiet Brand, im Wemdinger Ried und südlich von Amerdingen. Doch ob diese Flächen auch wirklich für einen Windpark geeignet sind, müsse erst im Detail geprüft werden.
So, wie es gerade in Amerdingen geschieht. Seitdem bekannt wurde, dass auf dem elf Hektar großen Gelände, das Camilla Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg gehört, eine sogenannte Vorbehaltsfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen werden könnte, wird über die Zukunft des Grundstücks kontrovers diskutiert. Die Familie SaynWittgenstein-Berleburg hat bereits Erfahrungen mit Windkraftanlagen gesammelt. Carl-Albrecht Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg habe auf seinem Grund in NordrheinWestfalen bereits acht Windkraftanlagen gebaut, berichtete seine Frau Camilla auf einer Informationsveranstaltung, mit der der Amerdinger Bürgermeister Hermann Schmidt die Anwohner vergangene Woche in die Planungen einweihen wollte, die bisher nur im Hintergrund abliefen. Die Veranstaltung machte bereits deutlich, dass die Meinungen der Verantwortlichen wie die der Bürger beim Thema Windkraft weit auseinander gehen – zumindest, wenn die Anlagen in der eigenen Gemeinde stehen sollen.
Gestern wollte der Amerdinger Gemeinderat eigentlich darüber entscheiden, wie mit dem Projekt Windpark verfahren werden soll. Doch die Sitzung des Gemeinderats musste aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden. Wann der Termin nachgeholt wird, stehe noch nicht fest, sagt Herbert Schmidt, Geschäftsleiter der VG Ries. Eine Tendenz für eine Entscheidung des Gemeinderats gebe es noch nicht, meint er. „Es gibt Argumente für beide Seiten, die dem Gemeinderat präsentiert werden. In welche Rich- tung es dann geht, ist völlig offen.“Nach den Erkenntnissen von Landrat Stefan Rößle könnte die Abstimmung des Gemeinderats aber ohnehin bedeutungslos sein. Denn die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts will herausgefunden haben, dass die Fläche, auf der die Windkraftanlagen gebaut werden könnten, gegen eine Regelung des sogenannten Winderlasses verstößt. „Windkraftanlagen müssen zu europäischen Vogelschutzgebieten einen Mindestabstand von 1200 Metern einhalten“, erklärt Marcus Dums vom Landratsamt. Eine Schutzzone für Rotmilane, die in der Umgebung des Vorbehaltsgebietes für Windkraftanlagen liegt, könnte der Unteren Naturschutzbehörde nach mit einem möglichen Bau kollidieren – der Mindestabstand könne nicht eingehalten werden. Stellt sich diese Einschätzung als zutreffend heraus, wäre das Projekt wohl gescheitert, vermutet der Landrat. „Die Windkraft spielt in der Region leider eine relativ unbedeutende Rolle“, sagt Rößle. Der Landkreis würde es befürworten, wenn es mit der Anlage in Amerdingen oder an anderen geeigneten Orten klappen würde. Gerade der Bereich des Kesseltals sei eigentlich prädestiniert. „Die Entfernung zum Ort wäre mit rund drei Kilometern sehr groß und die Windräder würde man durch die Lage aus der Entfernung kaum sehen“, sagt Rößle. Ob der Standort geeignet sei, müsse letztendlich ohnehin der regionale Planungsverband entscheiden.
Von einer möglichen Absage an das Windkraft-Projekt hat Camilla Prinzessin zu Sayn-WittgensteinBerleburg noch nichts gehört. „Es war von vornherein abzusehen, dass noch viele Untersuchungen in dem Gebiet gemacht werden müssen.“Sie und ihr Mann würden weiterhin hoffen, dass es eine Möglichkeit gibt, die Windkraftanlagen zu realisieren. Für zwei bis drei Windräder wäre auf dem Gelände Platz. Ob sie diese selbst betreiben oder die Fläche lediglich zur Verfügung stellen würden – falls sie denn freigegeben wird – wissen die Eigentümer noch nicht. Ihr Ziel sei es nur, etwas für die Energiewende zu tun. „Bei einem solchen Projekt sind Gutachten für Vogel- und Fledermausschutz ein Muss“, sagt Carl-Albrecht Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Würde man jetzt ein voreiliges Urteil über den Windpark in Amerdingen fällen, fände er das schade. „Einerseits wollen alle die Energiewende, aber gegen geeignete Gebiete findet man dann doch immer wieder Gründe.“