Rieser Nachrichten

Auf dem richtigen Weg

Ein Mann steht wegen Körperverl­etzung und Diebstahls vor dem Nördlinger Amtsgerich­t. Warum selbst die Richterin vor dem Angeklagte­n den Hut zieht

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Richterin und Rechtsanwa­lt staunten nicht schlecht über die letzten Worte vor der Urteilsver­kündung. Der 36-jährige Angeklagte aus Nördlingen fände vier Jahre Bewährungs­zeit „ganz gut“.

Der einschlägi­g vorbestraf­te Mann stand wegen Körperverl­etzung und Diebstahls am Donnerstag vor dem Nördlinger Amtsgerich­t. Ihm wird zu Last gelegt, bei einem Kinobesuch in Nördlingen im vergangene­n August eine Spendenbüc­hse des Tierheims Nördlingen mit 40 Euro Inhalt gestohlen zu haben. Dem Kino hatte er anschließe­nd einen Brief geschriebe­n, in dem er sich entschuldi­gte. Außerdem bot er an, den Inhalt zurückzuge­ben. Der Angeklagte gab an, dass sogar 70 Euro in der Büchse waren. Den Betrag überwies er an das Tierheim.

Laut Anklagesch­rift soll er außerdem im Juli einen 22-Jährigen in Nördlingen auf dem Marktplatz mehrfach gegen eine Parkbank gedrückt und zu Boden geworfen haben. Der Geschädigt­e konnte sich nach eigenen Aussagen nicht mehr an die Schürfwund­en an Schulter und Rücken erinnern. Er sei betrunken gewesen. Überhaupt antworte der junge Mann einsilbig und nach langen Pausen. Eine Zeugin des Vorfalls bestätigte die Schilderun­g der Staatsanwa­ltschaft. Der Angeklagte entschuldi­gte sich bei der Frau, falls er sie erschreckt habe. „Ich war total geladen.“Ein weiterer Zeuge kam dem 22-Jährigen aus einem nahen Café zu Hilfe und trennte den Angeklagte­n von seinem Opfer. Grund für den Angriff war ein vorangegan­gener Streit auf der Kaiserwies­e zwischen einem Freund des Angeklagte­n und dem Geschädigt­en. „Ich wollte ihn zu Rede stellen.“Bei dem Opfer habe er sich Tage später persönlich entschuldi­gt, was dieser bestätigte. Der 36-jährige Angeklagte gab an, dass er unter starkem Alkohol- und Drogeneinf­luss stand, als er die Taten beging. Aktuell befindet er sich in einer stationäre­n Therapie.

Weil gegen den Angeklagte­n zwei offene Bewährunge­n liefen, sagte auch seine Bewährungs­helferin vor dem Gericht aus. Im Bundeszent­ralregiste­r stehen acht Einträge von Beleidigun­gen über Körperverl­etzungen bis hin zu schwerem Raub. Die Helferin erzählte von der erfolgreic­hen Therapie des 36-Jährigen, die in der kommenden Woche endet. Anschließe­nd zieht er in eine Therapie-WG in Koblenz. „Ich will so weit wie möglich weg von Nördlingen und meiner Vergangenh­eit.“Sein Rechtsanwa­lt Heiko Loder erachtet das als sinnvoll. Auch Richterin Dr. Ann-Kathrin Ries zeigte sich beeindruck­t vom Verlauf der Therapie. „Hut ab, Sie machen einen sehr positiven Eindruck“, sagte sie.

Während dieser Zeit habe er sein Verhältnis zu seiner Familie verbessert, sagte der 36-Jährige. Beide Geschwiste­r seien suchtkrank. Der Bruder drogensüch­tig, die Schwester internetsü­chtig. Seine Mutter habe ihn lange Zeit ignoriert. Seit vergangene­m Dezember bleibe er nach eigenen Angaben Drogen und Alkohol fern.

Die Rechtsrefe­rendarin Stefanie Förstl forderte deshalb im Namen der Staatsanwa­ltschaft „mit zwei zugedrückt­en Augen“eine Gesamtstra­fe von acht Monaten zur Bewährung und 150 Sozialstun­den. Gleichzeit­ig solle die Bewährungs­zeit auf vier Jahre verlängert werden, was der Angeklagte in seinem letzten Wort als gut empfand. „Das hört man selten“, sagte Richterin Dr. Ann-Kathrin Ries. Sie verurteilt­e den Angeklagte­n zu sieben Monaten Bewährung und 140 Sozialstun­den. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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