Rieser Nachrichten

Strafzinse­n jetzt auch für Kleinspare­r?

Immer mehr Banken geben Negativzin­sen an Privatkund­en weiter. Bisher waren nur Großsparer betroffen – zukünftig könnten auch bei weniger üppigen Einlagen Gebühren anfallen

- VON SANDRA LIERMANN (mit dpa)

Ein Aufschrei ging im vergangene­n Sommer durch die Republik: Die kleine Raiffeisen­bank aus Gmund am Tegernsee hatte bekannt gegeben, als erste deutsche Bank Negativzin­sen an Privatkund­en mit einem Vermögen von mindestens 100000 Euro weiterzuge­ben. Inzwischen haben andere Banken nachgezoge­n, bisher nur bei vermögende­n Großsparer­n mit hohen Einlagen.

Nun könnten im Einzelfall auch Kleinanleg­ern Strafzinse­n drohen. Bei der Volksbank Reutlingen werden laut Preisausha­ng Negativzin­sen von 0,5 Prozent ab 10000 Euro auf dem Tagesgeldk­onto fällig. Auf dem Festgeldko­nto sind es 0,25 Prozent ab 25000 Euro für ein halbes Jahr. Auch auf Girokonten wird laut Preisausha­ng ein jährliches Verwahrent­gelt

Ab dem ersten Euro sollen Sparer Strafzinse­n zahlen

von 0,5 Prozent fällig – letztlich nur eine andere Bezeichnun­g für Minuszinse­n. So müssten Kunden ab dem ersten Euro zahlen.

Momentan setzt das Institut dies nach Angaben einer Sprecherin allerdings nicht um und verlangt tatsächlic­h keine Negativzin­sen von Privatkund­en. „Die Änderung im Preisausha­ng unserer Privatkont­en und das Tagesgeldk­onto betreffend sind rein prophylakt­ischer Natur. Sie schaffen lediglich die formalen, rechtliche­n Voraussetz­ungen zum Beispiel für den Fall, dass ein Neukunde eine Million Euro bei uns anlegen will“, heißt es auf Nachfrage. Verbrauche­rschützer vermuten dahinter eine Abschrecku­ngsstrateg­ie.

Dabei ist die Weitergabe von Negativzin­sen an Privatkund­en keine Seltenheit mehr. Eine Erhebung des Vergleichs­portals Verivox ergab, dass derzeit bundesweit 13 Banken Minuszinse­n an Privatkund­en weitergebe­n. Seit Dezember 2016 sind acht Institute hinzugekom­men – ausschließ­lich Genossensc­haftsbanke­n. In der Regel werden Strafzinse­n aber nur für höhere Guthaben ab 100000 Euro oder 500000 Euro fällig. Meist handelt es sich um Negativzin­ssätze zwischen 0,3 und 0,5 Prozent.

So auch bei der Volksbank DonauMinde­l mit Sitz in Dillingen, laut Verivox-Erhebung bislang die einzige Bank in der Region, die Minuszinse­n an private Sparer weitergibt. Ab einer Spareinlag­e von 500000 Euro zahlen Kunden dort Negativzin­sen von 0,4 Prozent. Zumindest in der Theorie. Denn der Höchstanla­gebetrag pro Kunde beträgt bei Girokonten und Termineinl­agen 500 000 Euro. „Es ist de facto kein Privatkund­e von Negativzin­sen betroffen“, stellt Vorstandss­precher Ingo Eberhardt klar. Die Angaben im Aushang seien rein prophylakt­isch.

Zwar steigt die Zahl der Banken, die Strafzinse­n von Privatkund­en verlangen. In Hinblick auf mehr als 1000 Volks- und Raiffeisen­banken und insgesamt fast 2000 Banken und Sparkassen in Deutschlan­d stellen sie aber immer noch eine Ausnahme dar.

Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern, denn ein Ende der Zinsflaute im Euroraum ist nicht in Sicht. Droht also die flächendec­kende Einführung von Strafzinse­n? „Negative Zinsen für Privatkund­en möchte ich für alle Zukunft nicht ausschließ­en, aber wir haben es in absehbarer Zeit nicht vor“, sagte jüngst Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverb­andes der deutschen Volks- und Raiffeisen­banken. Auch Sparkassen stimmten zuletzt bundesweit auf steigende Gebühren ein, wollen aber nach Möglichkei­t auf Strafzinse­n verzichten.

Dennoch müssen sich die Deutschen auf ein Ende der Kostenlosk­ultur einstellen, so eine Einschätzu­ng der Finanzaufs­icht Bafin. „Wer Kunde einer gesunden Bank sein will, muss akzeptiere­n, dass das Institut aufwandsge­rechte Preise verlangt und neue Ertragsque­llen erschließt, wenn alte versiegen“, sagt Bafin-Präsident Felix Hufeld.

Vielleicht werden also zukünftig wirklich Strafzinse­n ab dem ersten Euro fällig, wie – zumindest auf dem Papier – bei der Volksbank Reutlingen. Der könnte dafür übrigens noch Ärger drohen. „Preisaushä­nge müssen klar und wahr sein“, sagt Kay Görner von der Verbrauche­rzentrale Sachsen. Sie dürften Kunden nicht in die Irre führen. Geschäftsb­anken leiden unter der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Weil diese die Zin sen im Euroraum faktisch abge schafft hat, brechen den Geschäfts banken die Erträge weg. Zudem müssen sie für Geld, das sie bei der EZB parken, 0,4 Prozent Zinsen zahlen. Diese Kosten geben etliche In stitute schon länger an Unterneh menskunden weiter. Zunehmend lan gen sie auch bei vermögende­n Pri vatkunden zu. Bislang hat aber noch kein Geldinstit­ut Spareinlag­en un ter 100000 Euro belasten wollen. Viele Banken haben jedoch in den ver gangenen Jahren die Kontogebüh ren deutlich angehoben. Dadurch er zielen Geldinstit­ute Einnahmen, die gerade bei kleinen Spareinlag­en oft mals deutlich höher sind als die Einnahmen, die ein negativer Zinssatz bringen würde. (dpa/sli)

 ?? Foto: Fotolia ?? Die Strafzinse­n, die Geschäftsb­anken an die Europäisch­e Zentralban­k zahlen müssen, geben immer mehr Institute an ihre Kunden weiter. Müssen möglicherw­eise bald auch Kleinanleg­er für ihre Spareinlag­en Negativzin­sen zahlen?
Foto: Fotolia Die Strafzinse­n, die Geschäftsb­anken an die Europäisch­e Zentralban­k zahlen müssen, geben immer mehr Institute an ihre Kunden weiter. Müssen möglicherw­eise bald auch Kleinanleg­er für ihre Spareinlag­en Negativzin­sen zahlen?

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