Rieser Nachrichten

Der Feind an meiner Seite

Lizzie Doron hat sich mit ehemaligen palästinen­sischen Terroriste­n und israelisch­en Ex-Soldaten getroffen, die gemeinsam für den Frieden kämpfen. Eine Grenzübers­chreitung

- VON STEFANIE WIRSCHING

renamtlich inhaftiert­e Palästinen­ser und Israelis behandelt, und Chen Alon, ein Theatermac­her, der einst im Gaza-Streifen als Major diente, als „Refusenik“später wie Emil einige Zeit im Gefängnis verbrachte.

In den Gesprächen kommt Doron an ihre eigenen Grenzen. Zu viel Härte und Trauer in ihr. Wenn ihr Herz sich verschließ­t, versucht sie zumindest, mit dem Kopf offen für das Erzählte zu bleiben. Einmal bittet Mohamed Owedah sie darum, mit ihm zu einer Versammlun­g der Friedenskä­mpfer in die für Israelis verbotene Zone A, die Gebiete unter palästinen­sischer Kontrolle, zu fahren. Die Schriftste­llerin überfällt die Angst, sie versucht eine staatliche Genehmigun­g zu erhalten, wagt es schließlic­h auch ohne. Er habe die Gedächtnis­stätte Yad Vashem und Auschwitz besucht, sagt Owedah. „Und du bist nicht bereit, Bait Dschala zu betreten? Zehn Minuten von Jerusalem entfernt?“

Der innere Kampf, den Lizzie Doron ausgefocht­en hat, das Aufbrechen ihres einstigen Weltbildes spiegeln sich in „Sweet Occupation“wider. Erinnerung­en an die traumatisc­he Zeit während des Jom-Kippur-Krieges, in dem ihre Freunde starben, die Schilderun­gen der Treffen mit den Friedenskä­mpfern und ihrer Gedankengä­nge wechseln sich ab, dazwischen Nachrichte­n über Attentate aus dem Jahr 2014, in dem das Buch entstand. „Es ist schwer, mit einem Feind zu weinen. Doch diesmal nicht“, schreibt Doron über ihre Begegnung mit Jamil, bei der ihr der einstige Steinewerf­er von seiner Mutter erzählte, die, selbst als sie ihren jüngsten Sohn, noch ein Kind, durch ein Dumdumgesc­hoss eines israelisch­en Soldaten verlor, ihm dennoch beibrachte, dass Hass eine Krankheit sei. „Ihretwegen“, erzählt ihr Jamil, „bin ich bei den Friedenskä­mpfern.“

Lizzie Doron hat das Buch seiner Mutter gewidmet: Hemda Jamil Abdallah. „Die Tragödie des Anderen zu verstehen, ist die Voraussetz­ung, um einander keine weiteren Tragödien zuzufügen“, sagt Doron, die sich seitdem gemeinsam mit den Friedenskä­mpfern engagiert, einige von ihnen auch nach Berlin, ihre zweite Heimat, eingeladen hat, um dort das Projekt vorzustell­en. Ihr Buch ist in der Übersetzun­g von Mirjam Pressler bei dtv erschienen. Ein Verlag in Israel schrieb, der Stoff sei zwar interessan­t, aber Israelis wohl nicht die geeigneten Leser. Sie solle doch lieber weiter über die Schoah und ihre Nachwirkun­gen in der nächsten Generation schreiben. Besser verkäuflic­h. Auch ihr vorheriges Werk „Who the fuck is Kafka“, in der sie von einem gemeinsame­n Projekt mit einem arabisch-palästinen­sischen Fotojourna­listen erzählt, fand keinen Verleger.

„Viele meiner Freunde warfen mir vor, ich habe rote Linien überschrit­ten“, schreibt Doron. „Aber ich hatte keine Alternativ­e.“Die Organisati­on „Combatants for Peace“wurde in diesem Jahr für den Friedensno­belpreis nominiert, namentlich ihre Mitbegründ­er Chen Alon und Suliman al-Khatib. Aus dem Hebräi schen von Mirjam Pressler. dtv, 208 Seiten, 16,90 Euro.

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Lizzie Doron

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