Clown ist ein ernsthafter Beruf
Bettina Heinicke setzt das Lachen als Hilfsmittel gegen Depression und Schmerz ein
Wo andere Menschen einen einzigen Lebensweg beschreiten, hat Bettina Heinicke ein weltweites Wegenetz, das immer weitere Abzweigungen hervorbringt. Ihr „Navi“war zunächst auf Ausbildung zur Konditor-Meisterin programmiert. Den Beruf erlernte sie in Stuttgart, dann ging sie in die Schweiz, die Kür für den Konditor. Über ihr Hobby, orientalischen Tanz, kam sie als Reiseleiterin in die Türkei, dann als Konditorin nach Ägypten. Als Expertin für Zuckerund Marzipanarbeiten verschlug es sie nach Japan. Dann machte sie sich selbstständig mit „Bettina’s Torten“, einem Service für individuelle Back-Kunstwerke und Pralinés; richtete in dem Trochtelfinger Bauernhof, wo sie mit ihrer Familie lebt, eine professionelle Backstube mit Laden ein. Seit zweieinhalb Jahren ist sie zudem Assistentin der Geschäftsführung in einem Ellwanger Ingenieurbüro.
Die Suche nach immer neuen Wegen ist einfach ein Wesenszug von Bettina Heinicke. So fiel ihre Aufmerksamkeit bei Zeitungslektüre und ihren zahlreichen Vhs-Kursen auf Berichte und Vorträge über Klinik-Clowns. Das Thema ließ sie nicht mehr los, sie war fasziniert von der wissenschaftlich erwiesenen Tatsache, dass im Augenblick des Lachens jede andere Gefühlsregung bis hin zu Schmerz und Depression völlig ausgeschaltet ist. So zeigen zum Beispiel Patienten bei einer Operation messbar weniger Stress, wenn sie vorher von einem Clown besucht wurden. Bettina Heinicke spürte, dass diese Art, anderen Menschen zu helfen, eine neue Wegegabelung für sie war. Also belegte sie im Sommer 2015 einen Schnupperkurs, begleitete Klinik-Clowns und versuchte sich nach dem Prin- zip „Learning by doing“in der Ulmer Kinderklinik einmal selbst als solcher. Dabei war schnell Schluss mit lustig, die Späße gingen ihr aus und sie spürte: ein Clown braucht ein solides Repertoire an erlerntem Handwerkszeug. Ende 2016 wurde es dann konkret – sie nahm schmerzlich Abschied von ihrem Tortenservice und belegte bei Christel Ruckgaber in Tübingen den Kurs „Clowns in Medizin und Pflege“. Die Grundausbildung hat sie nun beendet.
Es ist ein großes Repertoire an Grundsätzen, die es neben handfesten Fertigkeiten wie Jonglieren oder Ukulele spielen praktisch zu erlernen gilt: Der Clown liebt das Scheitern, jede Kleinigkeit bereitet ihm größte Schwierigkeiten. Also läuft er unbeholfen, macht kleine, unharmonische Bewegungen und linkische Gesten. Hier gilt es für sie, eingefleischte Erfahrungen abzulegen, denn der jahrzehntelang praktizierte Bauchtanz besteht genau aus dem Gegenteil: aus Eleganz, Harmonie und großen, ausschweifenden Bewegungen. Scheitern darf aber nie Untergang bedeuten.
Lustige Annäherung geht Hand in Hand mit respektvoller Distanz. Man platzt nicht herein wie der Kollege in der Zirkusmanege, sondern streckt erst vorsichtig den Kopf durch die Tür und fragt, ob man willkommen ist.
Jeder Clown lebt aus dem Widerspruch, dass er den Körper eines Erwachsenen, aber die Seele eines Kindes hat, der unter anderem der Zau- ber innewohnt, Gegenstände beliebig mit Leben zu erfüllen und zu verwandeln. Bettina Heinicke holt aus ihrem Überraschungskoffer ein Seil, benutzt es als Telefon, bevor es sich in eine Schlange verwandelt und sie aufgeregt kreischend davor flieht. Überhaupt ist Lautmalerei wichtig, um Gefühle auszudrücken und nach Gefühlen des Gegenübers zu fragen. Emotionen zu wecken könnte später besonders wichtig werden – sie möchte einmal dementen Patienten beistehen, deren emotionale Empfindung eingeschränkt ist und durch sie als Clown vielleicht wieder stärker belebt werden kann. Wie in der Vergangenheit soll auch dieser neue Weg in ferne Länder führen: „Als Clown nach Afrika zu gehen wäre ein Traum.“